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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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Stanley's Keife durch Afrika.
in.
Auf dem Kontinent bis nach Kikoka.

Die ostafrikanischen Dörfer Bagamoyo, Whindi und Saadani sind aus
mancherlei Gründen die besten Ausgangspunkte für eine Reise in das Innere
Afrika's. Die Einwohner derselben sind an solche Durchzüge gewöhnt; man
kann sich bei ihnen mit den letzten noch mangelnden Bedürfnissen und Mann¬
schaften versehen. Auch läßt sich hier schon die erste Probe auf die Disziplin
der Mannschaft machen. Heimweh und Verlockung zur Desertion pflegen hier
zum ersten Male aufzutauchen. Mit Milde aber, doch mit eiserner Festigkeit
ist Zuchtlosigkeit und Treubruch niederzuhalten. Sonst ist die ganze Reisege¬
sellschaft verloren. Gleich in Bagamoyo, wo Stanley zuerst einige Tage
Rast machte, mußte die ganze Kunst des energischen Befehlshabers entfaltet
werden, um Mannszucht herzustellen. Eben will er nach der Ankunft Musterung
über seine Schaar halten, als ganz Bagamoyo schon in Gährung gerüth.
"Der weiße Mann hat alle Räuber, Raufbolde und Mörder Zanzibar's her¬
gebracht, um die Stadt in Besitz zu nehmen!" Dieses Gerücht durchläuft in
wilder Hast alle Straßen, Gassen, Höfe und Bazars, Männer mit blutrothen
Gesichtern, wilden, blutgierigen Augen, beschmutzten, zerknitterten und zerrissenen
Kleidern taumeln an das stille Quartier des weißen Mannes heran und schreien
nach Flinten und Munition. Araber mit gezogenen Schwertern und sehnige
Belutschen mit Luntenschlössern und zum Anzünden breitgehaltenem Zunder
kommen unter Drohungen heran und hinter ihnen drein eine buntgemischte
Masse von aufgeregten Männern, während im Hintergrunde ein Pöbelhaufen
toller Weiber und boshafter Kinder siedet und kocht.

Auf die Frage Stanley's, worüber sie zu klagen hätten, erhob sich eine
Fluth von Anklagen gegen die Wangwana Stanley's. Sie sollten gestohlen,
gemordet, geraubt, Waaren ans Vorrathshäusern entwendet, Teller zerbrochen,
Hühner geschlachtet, Jedermann angegriffen, Frauen mißhandelt und die Stadt
mit Brand und Vernichtung bedroht haben. Als die Spezialisirung dieser
Anklagen, die Namhaftmachung der Thäter verlangt wurde, gelang zunächst
die Ueberführung eines gewissen Mnstapha. Er hatte einen Ladenbesitzer mi߬
handelt und bestohlen und bei der Verfolgung ihn lebensgefährlich mit einem
Messer bedroht, bis er selbst von Andern niedergeschlagen wurde. Der Böse¬
wicht wurde in ein finsteres Loch gesteckt und etwa zwanzig andere Wangwana,
die sich in ähnlicher Weise vergangen, theilten sein Schicksal in andern Löchern.


Grenzboten III. 1878. SS
Stanley's Keife durch Afrika.
in.
Auf dem Kontinent bis nach Kikoka.

Die ostafrikanischen Dörfer Bagamoyo, Whindi und Saadani sind aus
mancherlei Gründen die besten Ausgangspunkte für eine Reise in das Innere
Afrika's. Die Einwohner derselben sind an solche Durchzüge gewöhnt; man
kann sich bei ihnen mit den letzten noch mangelnden Bedürfnissen und Mann¬
schaften versehen. Auch läßt sich hier schon die erste Probe auf die Disziplin
der Mannschaft machen. Heimweh und Verlockung zur Desertion pflegen hier
zum ersten Male aufzutauchen. Mit Milde aber, doch mit eiserner Festigkeit
ist Zuchtlosigkeit und Treubruch niederzuhalten. Sonst ist die ganze Reisege¬
sellschaft verloren. Gleich in Bagamoyo, wo Stanley zuerst einige Tage
Rast machte, mußte die ganze Kunst des energischen Befehlshabers entfaltet
werden, um Mannszucht herzustellen. Eben will er nach der Ankunft Musterung
über seine Schaar halten, als ganz Bagamoyo schon in Gährung gerüth.
„Der weiße Mann hat alle Räuber, Raufbolde und Mörder Zanzibar's her¬
gebracht, um die Stadt in Besitz zu nehmen!" Dieses Gerücht durchläuft in
wilder Hast alle Straßen, Gassen, Höfe und Bazars, Männer mit blutrothen
Gesichtern, wilden, blutgierigen Augen, beschmutzten, zerknitterten und zerrissenen
Kleidern taumeln an das stille Quartier des weißen Mannes heran und schreien
nach Flinten und Munition. Araber mit gezogenen Schwertern und sehnige
Belutschen mit Luntenschlössern und zum Anzünden breitgehaltenem Zunder
kommen unter Drohungen heran und hinter ihnen drein eine buntgemischte
Masse von aufgeregten Männern, während im Hintergrunde ein Pöbelhaufen
toller Weiber und boshafter Kinder siedet und kocht.

Auf die Frage Stanley's, worüber sie zu klagen hätten, erhob sich eine
Fluth von Anklagen gegen die Wangwana Stanley's. Sie sollten gestohlen,
gemordet, geraubt, Waaren ans Vorrathshäusern entwendet, Teller zerbrochen,
Hühner geschlachtet, Jedermann angegriffen, Frauen mißhandelt und die Stadt
mit Brand und Vernichtung bedroht haben. Als die Spezialisirung dieser
Anklagen, die Namhaftmachung der Thäter verlangt wurde, gelang zunächst
die Ueberführung eines gewissen Mnstapha. Er hatte einen Ladenbesitzer mi߬
handelt und bestohlen und bei der Verfolgung ihn lebensgefährlich mit einem
Messer bedroht, bis er selbst von Andern niedergeschlagen wurde. Der Böse¬
wicht wurde in ein finsteres Loch gesteckt und etwa zwanzig andere Wangwana,
die sich in ähnlicher Weise vergangen, theilten sein Schicksal in andern Löchern.


Grenzboten III. 1878. SS
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[0281] Stanley's Keife durch Afrika. in. Auf dem Kontinent bis nach Kikoka. Die ostafrikanischen Dörfer Bagamoyo, Whindi und Saadani sind aus mancherlei Gründen die besten Ausgangspunkte für eine Reise in das Innere Afrika's. Die Einwohner derselben sind an solche Durchzüge gewöhnt; man kann sich bei ihnen mit den letzten noch mangelnden Bedürfnissen und Mann¬ schaften versehen. Auch läßt sich hier schon die erste Probe auf die Disziplin der Mannschaft machen. Heimweh und Verlockung zur Desertion pflegen hier zum ersten Male aufzutauchen. Mit Milde aber, doch mit eiserner Festigkeit ist Zuchtlosigkeit und Treubruch niederzuhalten. Sonst ist die ganze Reisege¬ sellschaft verloren. Gleich in Bagamoyo, wo Stanley zuerst einige Tage Rast machte, mußte die ganze Kunst des energischen Befehlshabers entfaltet werden, um Mannszucht herzustellen. Eben will er nach der Ankunft Musterung über seine Schaar halten, als ganz Bagamoyo schon in Gährung gerüth. „Der weiße Mann hat alle Räuber, Raufbolde und Mörder Zanzibar's her¬ gebracht, um die Stadt in Besitz zu nehmen!" Dieses Gerücht durchläuft in wilder Hast alle Straßen, Gassen, Höfe und Bazars, Männer mit blutrothen Gesichtern, wilden, blutgierigen Augen, beschmutzten, zerknitterten und zerrissenen Kleidern taumeln an das stille Quartier des weißen Mannes heran und schreien nach Flinten und Munition. Araber mit gezogenen Schwertern und sehnige Belutschen mit Luntenschlössern und zum Anzünden breitgehaltenem Zunder kommen unter Drohungen heran und hinter ihnen drein eine buntgemischte Masse von aufgeregten Männern, während im Hintergrunde ein Pöbelhaufen toller Weiber und boshafter Kinder siedet und kocht. Auf die Frage Stanley's, worüber sie zu klagen hätten, erhob sich eine Fluth von Anklagen gegen die Wangwana Stanley's. Sie sollten gestohlen, gemordet, geraubt, Waaren ans Vorrathshäusern entwendet, Teller zerbrochen, Hühner geschlachtet, Jedermann angegriffen, Frauen mißhandelt und die Stadt mit Brand und Vernichtung bedroht haben. Als die Spezialisirung dieser Anklagen, die Namhaftmachung der Thäter verlangt wurde, gelang zunächst die Ueberführung eines gewissen Mnstapha. Er hatte einen Ladenbesitzer mi߬ handelt und bestohlen und bei der Verfolgung ihn lebensgefährlich mit einem Messer bedroht, bis er selbst von Andern niedergeschlagen wurde. Der Böse¬ wicht wurde in ein finsteres Loch gesteckt und etwa zwanzig andere Wangwana, die sich in ähnlicher Weise vergangen, theilten sein Schicksal in andern Löchern. Grenzboten III. 1878. SS

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/281>, abgerufen am 22.07.2024.