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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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dem Kaiser Maximian in einem Korridor seines Palastes erscheint -- doch
genug der Greuel!

Keiner von den französischen Malern hat das Programm dieser historischen
Schule so deutlich ausgesprochen wie Garnier, ein Schüler Gerome's. Er führt
uns in einen orientalischen Harem, vor das tods ^ ?Les eines Sultans mit
seiner Favoritin, die eben in das Bad steigen will. Im Hintergrund erscheint
eine Sklavin, die, eine andere Tochter der Herodias, auf einem Teller das
abgeschlagene, blutige Haupt einer Odaliske trägt, welche die Vorgängerin der
neuen Favoritin gewesen. Und zu diesem "Gemisch von Wollust und Grauen"
zitirt der Maler folgende Verse aus Victor Hugo's Orisntnlös:


N"s,i-^s n^s ^om.' toi, dslls Mve,
"IKxsuzM IIWN Lvrkil?
Loiiü'rs "zik'mein Is rests vive-
li'^ut-it du'un oonx ne Ks,vue snipe
Lili^us eoux av ton Sohne"i1?

Zu diesen Versen hat unsere Charakteristik der französischen Historienmalerei
bereits den Kommentar geliefert. Man möchte diesen Malern mit Victor Hugo
zurufen: "Laßt den Rest leben -- und erinnert euch, daß die Wände eurer
Museen nicht die Mauern orientalischer Serails sind. Seht euch bei den
Engländern, den Italienern, den Deutschen um und kehrt wieder zu der schönen
Lehre zurück: Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst!"




Joachim Maat's letzte Schicksale.*)
Von W. Kentzler.

Am Spätabend des 28. September 1815 lichteten im Hafen von Ajaccio
sechs größere Fahrzeuge die Anker und nahmen ihren Kurs südwärts, uach
Kalabrien. Offiziere, Soldaten und Seeleute, im Ganzen etwa 250 Personen,
bildeten die Besatzung der kleinen Flotille, die nicht ohne Gefahr den Hafen
verließ; denn aus der Citadelle der korsikanischer Hauptstadt donnerten Kanonen¬
schüsse ihr nach, um sie gleich bei der Ausfahrt zu vernichten. Es war Joachim
Murat, der berühmteste Reitergeneral des Kaisers Napoleon, noch vor wenigen
Monaten König von Neapel, welcher in der phantastischen Hoffnung, den Thron
des bourbonischen Königs Ferdinand IV. noch einmal zu stürzen, das verlorene



*) Vergl v, Heisere, Joachim Murat. Wien 1373.
Grenzboten III. 1373.M

dem Kaiser Maximian in einem Korridor seines Palastes erscheint — doch
genug der Greuel!

Keiner von den französischen Malern hat das Programm dieser historischen
Schule so deutlich ausgesprochen wie Garnier, ein Schüler Gerome's. Er führt
uns in einen orientalischen Harem, vor das tods ^ ?Les eines Sultans mit
seiner Favoritin, die eben in das Bad steigen will. Im Hintergrund erscheint
eine Sklavin, die, eine andere Tochter der Herodias, auf einem Teller das
abgeschlagene, blutige Haupt einer Odaliske trägt, welche die Vorgängerin der
neuen Favoritin gewesen. Und zu diesem „Gemisch von Wollust und Grauen"
zitirt der Maler folgende Verse aus Victor Hugo's Orisntnlös:


N"s,i-^s n^s ^om.' toi, dslls Mve,
«IKxsuzM IIWN Lvrkil?
Loiiü'rs «zik'mein Is rests vive-
li'^ut-it du'un oonx ne Ks,vue snipe
Lili^us eoux av ton Sohne»i1?

Zu diesen Versen hat unsere Charakteristik der französischen Historienmalerei
bereits den Kommentar geliefert. Man möchte diesen Malern mit Victor Hugo
zurufen: „Laßt den Rest leben — und erinnert euch, daß die Wände eurer
Museen nicht die Mauern orientalischer Serails sind. Seht euch bei den
Engländern, den Italienern, den Deutschen um und kehrt wieder zu der schönen
Lehre zurück: Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst!"




Joachim Maat's letzte Schicksale.*)
Von W. Kentzler.

Am Spätabend des 28. September 1815 lichteten im Hafen von Ajaccio
sechs größere Fahrzeuge die Anker und nahmen ihren Kurs südwärts, uach
Kalabrien. Offiziere, Soldaten und Seeleute, im Ganzen etwa 250 Personen,
bildeten die Besatzung der kleinen Flotille, die nicht ohne Gefahr den Hafen
verließ; denn aus der Citadelle der korsikanischer Hauptstadt donnerten Kanonen¬
schüsse ihr nach, um sie gleich bei der Ausfahrt zu vernichten. Es war Joachim
Murat, der berühmteste Reitergeneral des Kaisers Napoleon, noch vor wenigen
Monaten König von Neapel, welcher in der phantastischen Hoffnung, den Thron
des bourbonischen Königs Ferdinand IV. noch einmal zu stürzen, das verlorene



*) Vergl v, Heisere, Joachim Murat. Wien 1373.
Grenzboten III. 1373.M
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/161>, abgerufen am 03.07.2024.