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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band.

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unglücklichen Kriegen gegen Rom der Miethstruppen, lind die hellenischen Jtciliker
endlich, Tarent voran, stützten sich fast ausschließlich auf Bandenführer und
Söldnerhaufen des östlichen Mutterlandes. Man darf sich nicht täuschen lassen
durch den Königsnamen der Männer, die im Solde Tarent's gefochten. Archi-
damos von Sparta, Alexandros, der Bruder der Königin Olympias von
Makedonien, ja endlich die glänzende Gestalt des ritterlichen Epeirotenkvnigs
Pyrrhos selbst -- sie alle sind doch nicht mehr oder weniger als Condottieren.
Wahrlich: nicht nur eine Machtfrage, sondern ein Gegensatz tiefwurzelnder
Prinzipien kommt in den Schlachten zwischen Pyrrhos und Rom zu weltge¬
schichtlichen Austrag. "Hier zuerst" sagt Mommsen "wird der Kampf zwischen
Söldnerarmee und Bürgerheer, zwischen Phalanx und Legion, zwischen Heer¬
königthum und Senatorenregiment, zwischen individuellem Talent und nationaler
Kraft, zwischen Hellas und Rom großartig durchgefochten."




Die Kechtsftage beim Uebergange in den sozialistischen
Staat.')

In feiner Reichstagsrede vom 18. April 1877 empfahl Herr Bebel deu
Abgeordneten Schäffle's "Quintessenz des Sozialismus" zur Lektüre, da diese
Schrift in der That die Quintessenz der sozialistischen Anschauungen enthalte
und also geeignet sei, der bei der Mehrheit der Redner vorherrschenden "emi-
neten Unkenntniß in Bezug auf die sozialdemokratischen Bestrebungen" abzu¬
helfen.

Jedenfalls ist das lesende Publikum Deutschland's dem Wunsche des
sozialistischen Parlamentsmitgliedes in hohem Grade nachgekommen. In ver¬
hältnißmäßig kurzer Zeit ist jene Schrift des bekannten Nationalökonomen in
vielen Tausenden von Exemplaren selbst in Kreise gedrungen, welche bisher der
sozialistischen Literatur völlig verschlossen waren.

Und nicht ohne Grund hat sie diese weite Verbreitung erfahren. Schaffte
hat in ihr mit großer Literaturkenntniß, mit reicher Gedankenarbeit ein
wissenschaftlich leidlich begründetes und doch ziemlich gemeinverständliches Bild
von den volkswirthschaftlichen Konsequenzen des neuesten Sozialismus zu geben
versucht. Besser als je ein Sozialist es vermochte, schildert er in großen
Zügen die ungeheuren Umwälzungen, welche die Durchführung der sozialistischen



D. Red. *) Der Artikel war uns schon vor dem 2. Juni d. I, zugegangen.

unglücklichen Kriegen gegen Rom der Miethstruppen, lind die hellenischen Jtciliker
endlich, Tarent voran, stützten sich fast ausschließlich auf Bandenführer und
Söldnerhaufen des östlichen Mutterlandes. Man darf sich nicht täuschen lassen
durch den Königsnamen der Männer, die im Solde Tarent's gefochten. Archi-
damos von Sparta, Alexandros, der Bruder der Königin Olympias von
Makedonien, ja endlich die glänzende Gestalt des ritterlichen Epeirotenkvnigs
Pyrrhos selbst — sie alle sind doch nicht mehr oder weniger als Condottieren.
Wahrlich: nicht nur eine Machtfrage, sondern ein Gegensatz tiefwurzelnder
Prinzipien kommt in den Schlachten zwischen Pyrrhos und Rom zu weltge¬
schichtlichen Austrag. „Hier zuerst" sagt Mommsen „wird der Kampf zwischen
Söldnerarmee und Bürgerheer, zwischen Phalanx und Legion, zwischen Heer¬
königthum und Senatorenregiment, zwischen individuellem Talent und nationaler
Kraft, zwischen Hellas und Rom großartig durchgefochten."




Die Kechtsftage beim Uebergange in den sozialistischen
Staat.')

In feiner Reichstagsrede vom 18. April 1877 empfahl Herr Bebel deu
Abgeordneten Schäffle's „Quintessenz des Sozialismus" zur Lektüre, da diese
Schrift in der That die Quintessenz der sozialistischen Anschauungen enthalte
und also geeignet sei, der bei der Mehrheit der Redner vorherrschenden „emi-
neten Unkenntniß in Bezug auf die sozialdemokratischen Bestrebungen" abzu¬
helfen.

Jedenfalls ist das lesende Publikum Deutschland's dem Wunsche des
sozialistischen Parlamentsmitgliedes in hohem Grade nachgekommen. In ver¬
hältnißmäßig kurzer Zeit ist jene Schrift des bekannten Nationalökonomen in
vielen Tausenden von Exemplaren selbst in Kreise gedrungen, welche bisher der
sozialistischen Literatur völlig verschlossen waren.

Und nicht ohne Grund hat sie diese weite Verbreitung erfahren. Schaffte
hat in ihr mit großer Literaturkenntniß, mit reicher Gedankenarbeit ein
wissenschaftlich leidlich begründetes und doch ziemlich gemeinverständliches Bild
von den volkswirthschaftlichen Konsequenzen des neuesten Sozialismus zu geben
versucht. Besser als je ein Sozialist es vermochte, schildert er in großen
Zügen die ungeheuren Umwälzungen, welche die Durchführung der sozialistischen



D. Red. *) Der Artikel war uns schon vor dem 2. Juni d. I, zugegangen.
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[0143] unglücklichen Kriegen gegen Rom der Miethstruppen, lind die hellenischen Jtciliker endlich, Tarent voran, stützten sich fast ausschließlich auf Bandenführer und Söldnerhaufen des östlichen Mutterlandes. Man darf sich nicht täuschen lassen durch den Königsnamen der Männer, die im Solde Tarent's gefochten. Archi- damos von Sparta, Alexandros, der Bruder der Königin Olympias von Makedonien, ja endlich die glänzende Gestalt des ritterlichen Epeirotenkvnigs Pyrrhos selbst — sie alle sind doch nicht mehr oder weniger als Condottieren. Wahrlich: nicht nur eine Machtfrage, sondern ein Gegensatz tiefwurzelnder Prinzipien kommt in den Schlachten zwischen Pyrrhos und Rom zu weltge¬ schichtlichen Austrag. „Hier zuerst" sagt Mommsen „wird der Kampf zwischen Söldnerarmee und Bürgerheer, zwischen Phalanx und Legion, zwischen Heer¬ königthum und Senatorenregiment, zwischen individuellem Talent und nationaler Kraft, zwischen Hellas und Rom großartig durchgefochten." Die Kechtsftage beim Uebergange in den sozialistischen Staat.') In feiner Reichstagsrede vom 18. April 1877 empfahl Herr Bebel deu Abgeordneten Schäffle's „Quintessenz des Sozialismus" zur Lektüre, da diese Schrift in der That die Quintessenz der sozialistischen Anschauungen enthalte und also geeignet sei, der bei der Mehrheit der Redner vorherrschenden „emi- neten Unkenntniß in Bezug auf die sozialdemokratischen Bestrebungen" abzu¬ helfen. Jedenfalls ist das lesende Publikum Deutschland's dem Wunsche des sozialistischen Parlamentsmitgliedes in hohem Grade nachgekommen. In ver¬ hältnißmäßig kurzer Zeit ist jene Schrift des bekannten Nationalökonomen in vielen Tausenden von Exemplaren selbst in Kreise gedrungen, welche bisher der sozialistischen Literatur völlig verschlossen waren. Und nicht ohne Grund hat sie diese weite Verbreitung erfahren. Schaffte hat in ihr mit großer Literaturkenntniß, mit reicher Gedankenarbeit ein wissenschaftlich leidlich begründetes und doch ziemlich gemeinverständliches Bild von den volkswirthschaftlichen Konsequenzen des neuesten Sozialismus zu geben versucht. Besser als je ein Sozialist es vermochte, schildert er in großen Zügen die ungeheuren Umwälzungen, welche die Durchführung der sozialistischen D. Red. *) Der Artikel war uns schon vor dem 2. Juni d. I, zugegangen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157661/143>, abgerufen am 03.07.2024.