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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Meer Kurci über den Vatikan und Italien.*)
Dr. R. Schoener. Von I.

Außerordentlich groß war in Italien das Aufsehen, welches vor wenigen
Monaten ein italienischer Jesuitenpater erregte, ein Mann, der seit zweiund¬
fünfzig Jahren der Gesellschaft Jesu angehörte, und nun mit kühnem Frei-
muth gegen das System der Curie sich erhob und öffentlich erklärte, daß man
"mit Geist und Herz der Heiligen Kirche eng verbunden bleiben, recht wohl
das einige und unabhängige Italien lieben könne, wie es der Herrgott theils
gemacht, theils hat machen lassen; und daß man auch die modernen Freiheiten
lieben kann, wenn schon nicht als das allervollkommenste Ding, so doch als
Convenienzen, aus denen, da sie einmal sind und sein müssen, Jeder suchen
muß das größtmögliche Heil zu ziehen, um ihre Uebel abzuschwächen." Das
sind Worte aus der Vorrede zu dem mit gewaltiger Spannung in ganz Italien
erwarteten Buche des Pater Curci, das derselbe als eine Erklärung der Contro-
versen und Vorgänge, welche seinen gezwungenen Austritt aus dem Jesuiten¬
orden herbeigeführt, und als eine weitere Ausführung früherer brieflicher Vor¬
schläge veröffentlicht hat. Das Buch hat den Titel: "Der moderne Zwie¬
spalt zwischen der Kirche und Italien, betrachtet aus Anlaß eines
besonderen Vorfalles.**) Es ist in zwei Monaten geschrieben und am 30. Dez.
vorigen Jahres ausgegeben worden.

Der schon in hohem Alter stehende Florentiner Jesuitenpater ist durch
seine Predigten, seine zahlreichen kirchlichen Schriften und eine höchst frucht¬
bare Thätigkeit als klerikaler Literat längst eine bekannte Persönlichkeit. Im
vorigen Sommer hieß es, daß heftige Controversen zwischen ihm und den
kirchlichen und Ordensautoritäten ausgebrochen, Censuren und disziplinarische
Maßregeln gegen ihn verhängt worden seien, und zwar weil ohne sein Zu¬
thun die Veröffentlichung eines schon zwei Jahre früher geschriebenen vertrau¬
lichen Briefes an den Heiligen Vater erfolgt war, in welchem Curci die Ab¬
surdität des feindseligen Verhaltens der Curie gegen die italienische Regierung
und die Nothwendigkeit einer Aussöhnung zwischen beiden nachzuweisen suchte,




') Wir geben nachstehend den Hauptinhalt des viel genannten Werkes jenes Mannes,
der soeben von Leo XIII. aus seiner Strafverbannung nach Rom als Rathgeber berufen
D. Red. wurde. '
,,11 uwäsriw äissiäio ers, 1z, vuisss, s ltestis,, eousiäsrs,to xsr ooch,more 6i rin
latto xg.rtioo1s.re ils. (?, N, <üurei Ls.eerüots. ?irsi>2s, ?rs.teI1i Lsuoini eäitori 1873." --
Schon am 20. März sollte die französische Uebersetzung erscheinen, für welche, wie es heißt
den Verlegern 30,000 Francs geboten worden sind.
Meer Kurci über den Vatikan und Italien.*)
Dr. R. Schoener. Von I.

Außerordentlich groß war in Italien das Aufsehen, welches vor wenigen
Monaten ein italienischer Jesuitenpater erregte, ein Mann, der seit zweiund¬
fünfzig Jahren der Gesellschaft Jesu angehörte, und nun mit kühnem Frei-
muth gegen das System der Curie sich erhob und öffentlich erklärte, daß man
„mit Geist und Herz der Heiligen Kirche eng verbunden bleiben, recht wohl
das einige und unabhängige Italien lieben könne, wie es der Herrgott theils
gemacht, theils hat machen lassen; und daß man auch die modernen Freiheiten
lieben kann, wenn schon nicht als das allervollkommenste Ding, so doch als
Convenienzen, aus denen, da sie einmal sind und sein müssen, Jeder suchen
muß das größtmögliche Heil zu ziehen, um ihre Uebel abzuschwächen." Das
sind Worte aus der Vorrede zu dem mit gewaltiger Spannung in ganz Italien
erwarteten Buche des Pater Curci, das derselbe als eine Erklärung der Contro-
versen und Vorgänge, welche seinen gezwungenen Austritt aus dem Jesuiten¬
orden herbeigeführt, und als eine weitere Ausführung früherer brieflicher Vor¬
schläge veröffentlicht hat. Das Buch hat den Titel: „Der moderne Zwie¬
spalt zwischen der Kirche und Italien, betrachtet aus Anlaß eines
besonderen Vorfalles.**) Es ist in zwei Monaten geschrieben und am 30. Dez.
vorigen Jahres ausgegeben worden.

Der schon in hohem Alter stehende Florentiner Jesuitenpater ist durch
seine Predigten, seine zahlreichen kirchlichen Schriften und eine höchst frucht¬
bare Thätigkeit als klerikaler Literat längst eine bekannte Persönlichkeit. Im
vorigen Sommer hieß es, daß heftige Controversen zwischen ihm und den
kirchlichen und Ordensautoritäten ausgebrochen, Censuren und disziplinarische
Maßregeln gegen ihn verhängt worden seien, und zwar weil ohne sein Zu¬
thun die Veröffentlichung eines schon zwei Jahre früher geschriebenen vertrau¬
lichen Briefes an den Heiligen Vater erfolgt war, in welchem Curci die Ab¬
surdität des feindseligen Verhaltens der Curie gegen die italienische Regierung
und die Nothwendigkeit einer Aussöhnung zwischen beiden nachzuweisen suchte,




') Wir geben nachstehend den Hauptinhalt des viel genannten Werkes jenes Mannes,
der soeben von Leo XIII. aus seiner Strafverbannung nach Rom als Rathgeber berufen
D. Red. wurde. '
,,11 uwäsriw äissiäio ers, 1z, vuisss, s ltestis,, eousiäsrs,to xsr ooch,more 6i rin
latto xg.rtioo1s.re ils. (?, N, <üurei Ls.eerüots. ?irsi>2s, ?rs.teI1i Lsuoini eäitori 1873." —
Schon am 20. März sollte die französische Uebersetzung erscheinen, für welche, wie es heißt
den Verlegern 30,000 Francs geboten worden sind.
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[0222] Meer Kurci über den Vatikan und Italien.*) Dr. R. Schoener. Von I. Außerordentlich groß war in Italien das Aufsehen, welches vor wenigen Monaten ein italienischer Jesuitenpater erregte, ein Mann, der seit zweiund¬ fünfzig Jahren der Gesellschaft Jesu angehörte, und nun mit kühnem Frei- muth gegen das System der Curie sich erhob und öffentlich erklärte, daß man „mit Geist und Herz der Heiligen Kirche eng verbunden bleiben, recht wohl das einige und unabhängige Italien lieben könne, wie es der Herrgott theils gemacht, theils hat machen lassen; und daß man auch die modernen Freiheiten lieben kann, wenn schon nicht als das allervollkommenste Ding, so doch als Convenienzen, aus denen, da sie einmal sind und sein müssen, Jeder suchen muß das größtmögliche Heil zu ziehen, um ihre Uebel abzuschwächen." Das sind Worte aus der Vorrede zu dem mit gewaltiger Spannung in ganz Italien erwarteten Buche des Pater Curci, das derselbe als eine Erklärung der Contro- versen und Vorgänge, welche seinen gezwungenen Austritt aus dem Jesuiten¬ orden herbeigeführt, und als eine weitere Ausführung früherer brieflicher Vor¬ schläge veröffentlicht hat. Das Buch hat den Titel: „Der moderne Zwie¬ spalt zwischen der Kirche und Italien, betrachtet aus Anlaß eines besonderen Vorfalles.**) Es ist in zwei Monaten geschrieben und am 30. Dez. vorigen Jahres ausgegeben worden. Der schon in hohem Alter stehende Florentiner Jesuitenpater ist durch seine Predigten, seine zahlreichen kirchlichen Schriften und eine höchst frucht¬ bare Thätigkeit als klerikaler Literat längst eine bekannte Persönlichkeit. Im vorigen Sommer hieß es, daß heftige Controversen zwischen ihm und den kirchlichen und Ordensautoritäten ausgebrochen, Censuren und disziplinarische Maßregeln gegen ihn verhängt worden seien, und zwar weil ohne sein Zu¬ thun die Veröffentlichung eines schon zwei Jahre früher geschriebenen vertrau¬ lichen Briefes an den Heiligen Vater erfolgt war, in welchem Curci die Ab¬ surdität des feindseligen Verhaltens der Curie gegen die italienische Regierung und die Nothwendigkeit einer Aussöhnung zwischen beiden nachzuweisen suchte, ') Wir geben nachstehend den Hauptinhalt des viel genannten Werkes jenes Mannes, der soeben von Leo XIII. aus seiner Strafverbannung nach Rom als Rathgeber berufen D. Red. wurde. ' ,,11 uwäsriw äissiäio ers, 1z, vuisss, s ltestis,, eousiäsrs,to xsr ooch,more 6i rin latto xg.rtioo1s.re ils. (?, N, <üurei Ls.eerüots. ?irsi>2s, ?rs.teI1i Lsuoini eäitori 1873." — Schon am 20. März sollte die französische Uebersetzung erscheinen, für welche, wie es heißt den Verlegern 30,000 Francs geboten worden sind.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/222>, abgerufen am 27.07.2024.