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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Beiträgen zur Geschichte des alten Orients"/) als wenn sie das Publikum
langweile, nichts gefährlicher, als wenn sie in die Mode komme und auf weite
Entfernungen hin alle Hcilbwisser anlocke: kein wahrer Freund der Assyrio-
logie sollte wünschen, daß die in England ausgegebene Lösung bei uns be¬
folgt werde. Das Verdienst des Gutschmid'schen Einspruchs beruht demnach
wesentlich auf formalen Seiten; er tadelt namentlich die Methode, ohne sich der
Anerkennung der gesicherten Resultate zu entziehen, und wenn seine Angriffe
vorsichtig machen sollen gegen das zu Tage getretene Ueberhasten der Entzifferung
und die sanguinische Art, mit der man sich, gedeckt durch die Jdeo- und Phono-
grammtheorie, über die Schwierigkeiten weghilft und durch apologetische Schön¬
färberei auch andern wegzuhelfen sucht, so kann dieser Enthusiasmusdämpfer
für die Wissenschaft nur ersprießlich sein.


Rudolf Buddensieg.



Ale deutsche Literaten 1744-1756.
Julian Schmidt, Vont-*)

-- "Warum können so wenige, die sonst Kenner sind, sich in den Messias
finden? -- Man muß ihm nachempfinden können, und wie viele können das?
Wir, die wir dies unschätzbare Gedicht empfinden, sind berechtigt, eine sehr
gute Meinung von uns zu haben. Die erhabenen Empfindungen, deren unser
Herz fähig ist, sind Bürgen einer nicht gemeinen Vortrefflichkeit, die in uns liegt."

So schreibt Ang. 1751 Studiosus Wie land (1,8 I.) in Tübingen, Sohn
eines Pfarrers in der schwäbischen Reichsstadt Biberach, an Bodmer, dem
er eine Reihe von Dichtungen übersendet: ein Lehrgedicht über die vollkom¬
menste Welt in Alexandrinern, ein Epos "Herman", einen Lobgesang auf die
Liebe in Hexametern u. s. w.; der junge Mensch war von einer unglaublichen
Schreibfertigkeit.



I>-^, 140--141.
*) Zu vergl, die Aufsätze desselben Verfassers I. Quartal 1878, S. 361, 401, 441, 499.

Beiträgen zur Geschichte des alten Orients"/) als wenn sie das Publikum
langweile, nichts gefährlicher, als wenn sie in die Mode komme und auf weite
Entfernungen hin alle Hcilbwisser anlocke: kein wahrer Freund der Assyrio-
logie sollte wünschen, daß die in England ausgegebene Lösung bei uns be¬
folgt werde. Das Verdienst des Gutschmid'schen Einspruchs beruht demnach
wesentlich auf formalen Seiten; er tadelt namentlich die Methode, ohne sich der
Anerkennung der gesicherten Resultate zu entziehen, und wenn seine Angriffe
vorsichtig machen sollen gegen das zu Tage getretene Ueberhasten der Entzifferung
und die sanguinische Art, mit der man sich, gedeckt durch die Jdeo- und Phono-
grammtheorie, über die Schwierigkeiten weghilft und durch apologetische Schön¬
färberei auch andern wegzuhelfen sucht, so kann dieser Enthusiasmusdämpfer
für die Wissenschaft nur ersprießlich sein.


Rudolf Buddensieg.



Ale deutsche Literaten 1744-1756.
Julian Schmidt, Vont-*)

— „Warum können so wenige, die sonst Kenner sind, sich in den Messias
finden? — Man muß ihm nachempfinden können, und wie viele können das?
Wir, die wir dies unschätzbare Gedicht empfinden, sind berechtigt, eine sehr
gute Meinung von uns zu haben. Die erhabenen Empfindungen, deren unser
Herz fähig ist, sind Bürgen einer nicht gemeinen Vortrefflichkeit, die in uns liegt."

So schreibt Ang. 1751 Studiosus Wie land (1,8 I.) in Tübingen, Sohn
eines Pfarrers in der schwäbischen Reichsstadt Biberach, an Bodmer, dem
er eine Reihe von Dichtungen übersendet: ein Lehrgedicht über die vollkom¬
menste Welt in Alexandrinern, ein Epos „Herman", einen Lobgesang auf die
Liebe in Hexametern u. s. w.; der junge Mensch war von einer unglaublichen
Schreibfertigkeit.



I>-^, 140—141.
*) Zu vergl, die Aufsätze desselben Verfassers I. Quartal 1878, S. 361, 401, 441, 499.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/18>, abgerufen am 27.07.2024.