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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Gestalt, während die äußere 181.3 einstürzte und dann neu gebaut wurde.
Jenseits derselben folgte ein weiteres, jeder Zeit offenes Thor. Rechts hatte
man die Hofmark An, eine höchst unregelmäßig angelegte Vorstadt Münchens
mit eigenem Pfleggerichte und etwa 4500 Einwohnern in 340 Häusern. Sie
stand in alter Zeit in üblem Ruhe als Diebsnest, und der Scharfrichter von
Wien soll einmal gefragt haben, wie groß diese Stadt sei, die so viele Spitz¬
buben in seine Hand liefere. Links führte der Weg an der Se. Johanues-
oder Nikolauskirche und der Kapelle mit dem Mirakelbild der Mutter Gottes,
das namentlich bei den Frauen in hohem Ansehen stand und noch steht, und
dein sogenannten Leprosenhaus vorüber nach der Hofmark Haidhanscn mit
->00 Einwohnern. Vom Jsarthor zog sich die Jsar entlang und bis zur
Residenz herein die Vorstadt Lechel mit etwas über 2000 Einwohnern in
170--180 Häusern. An der Jsar und einem ihrer Kanäle lagerten große
Massen von Bau- und Brennholz, das ans dein Fluße "herabgetriftet" worden
war. Vor dem Schwabingerthor lagen zahlreiche Privatgärten und mehrere
stark besuchte Wirthschaftsgärten. Ans dem Neuhauserthore tretend hatte man
zur Rechten den Herzoggarten (jetzt Kadetteukvrps) und gleich dahinter den viel¬
besuchten Garten des Weinwirths Huber, an den die Schießstätte und weiter¬
hin die gemauerte Richtstätte sich anschlössen. Vor dem Sendlingerthor aber
> dehnte sich der große allgemeine "Stadtfreithof" aus, dessen Denkmäler damals
freilich sehr bescheidener Natur waren und vorwiegend aus eisernen Kreuzen
mit mehr oder minder Zierrat bestanden. Ans vielfach durch bewegliche Luder
gleich den alten Flügelaltären geschützten Tafeln stand der Name des Verstor¬
benen verzeichnet. steinerne Denkmäler gehörten zu den Seltenheiten. Aber
damals wie heute trugen am Allerseelentage die Gräber den Schmuck der
immergrünen Stechpalme und der letzten vom Reife verschonten Herbstblume,
zwischen denen die rothe Frucht des Vogelbeerbaumes weithin leuchtete.




Der gegenwärtige Stand der Hottljardbaljnfrage.*)

Die Schweiz steht gegenwärtig vor der entscheidenden Wendung in der
Gotthardbahnfrage, und da anch Deutschland hierbei in finanzieller, politischer
und volkswirthschaftlicher Hinsicht in hohem Grade interessirt ist, so gestatten
Sie mir wohl, den gegenwärtigen Stand dieser Frage eingehender zu erörtern.



*) Dieser Artikel ist der Redaktion vor vierzehn Tagen znaegangen, mußte aber ans
Raummangel bis honte zurückgestellt werden.

Gestalt, während die äußere 181.3 einstürzte und dann neu gebaut wurde.
Jenseits derselben folgte ein weiteres, jeder Zeit offenes Thor. Rechts hatte
man die Hofmark An, eine höchst unregelmäßig angelegte Vorstadt Münchens
mit eigenem Pfleggerichte und etwa 4500 Einwohnern in 340 Häusern. Sie
stand in alter Zeit in üblem Ruhe als Diebsnest, und der Scharfrichter von
Wien soll einmal gefragt haben, wie groß diese Stadt sei, die so viele Spitz¬
buben in seine Hand liefere. Links führte der Weg an der Se. Johanues-
oder Nikolauskirche und der Kapelle mit dem Mirakelbild der Mutter Gottes,
das namentlich bei den Frauen in hohem Ansehen stand und noch steht, und
dein sogenannten Leprosenhaus vorüber nach der Hofmark Haidhanscn mit
->00 Einwohnern. Vom Jsarthor zog sich die Jsar entlang und bis zur
Residenz herein die Vorstadt Lechel mit etwas über 2000 Einwohnern in
170—180 Häusern. An der Jsar und einem ihrer Kanäle lagerten große
Massen von Bau- und Brennholz, das ans dein Fluße „herabgetriftet" worden
war. Vor dem Schwabingerthor lagen zahlreiche Privatgärten und mehrere
stark besuchte Wirthschaftsgärten. Ans dem Neuhauserthore tretend hatte man
zur Rechten den Herzoggarten (jetzt Kadetteukvrps) und gleich dahinter den viel¬
besuchten Garten des Weinwirths Huber, an den die Schießstätte und weiter¬
hin die gemauerte Richtstätte sich anschlössen. Vor dem Sendlingerthor aber
> dehnte sich der große allgemeine „Stadtfreithof" aus, dessen Denkmäler damals
freilich sehr bescheidener Natur waren und vorwiegend aus eisernen Kreuzen
mit mehr oder minder Zierrat bestanden. Ans vielfach durch bewegliche Luder
gleich den alten Flügelaltären geschützten Tafeln stand der Name des Verstor¬
benen verzeichnet. steinerne Denkmäler gehörten zu den Seltenheiten. Aber
damals wie heute trugen am Allerseelentage die Gräber den Schmuck der
immergrünen Stechpalme und der letzten vom Reife verschonten Herbstblume,
zwischen denen die rothe Frucht des Vogelbeerbaumes weithin leuchtete.




Der gegenwärtige Stand der Hottljardbaljnfrage.*)

Die Schweiz steht gegenwärtig vor der entscheidenden Wendung in der
Gotthardbahnfrage, und da anch Deutschland hierbei in finanzieller, politischer
und volkswirthschaftlicher Hinsicht in hohem Grade interessirt ist, so gestatten
Sie mir wohl, den gegenwärtigen Stand dieser Frage eingehender zu erörtern.



*) Dieser Artikel ist der Redaktion vor vierzehn Tagen znaegangen, mußte aber ans
Raummangel bis honte zurückgestellt werden.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/387>, abgerufen am 28.09.2024.