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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Engel sie auf, "des Himmels Ehre im menschlichen Geschlechte zu pflegen,"
und ein Schlußchor rühmt in erhabener Sprache den Unendlichen, Unnennbaren.

Vorbei verfolgt also, wie bereits bemerkt, den allerdings angedeuteten
Gedanken eines Gegensatzes zwischen Christus und den Engeln nicht, sondern
legt den folgenden Kämpfen die Befürchtung der Engel vor der wachsenden
Obmacht des Menschen zu Grunde; dennoch treffen bei beiden Dichtern nicht
nur die Schlüsse aus so weit verschiedenen Voraussetzungen durchaus zusammen,
sondern auch in der Art der Ausführung finden verwandte Beziehungen statt:
von dem gleichen unsittlichen Motive, der Eifersucht und dem Neid, kommt es
Zur Empörung.

Der 2. Act führt Lucifer ein; die Ironie und der hämisch unterwürfige
Rath Belzebubs:


"Leg deine Morgenstrahlen
Vor dieser Sonne ab"

ruft ihm das Vollbewußtsein seiner Macht zurück.


"Mag fügen sich wer will, ich trete nicht zurück --
Wir fallen, oder wir behaupten unser Recht.
Nur Ehre, ewges Lob bringt solcher Sturz, und lieber
Bin ich der erste Fürst in einem niedern Kreise
Als in dem feigen Licht der zweite."*)

Den ankommenden Gabriel, Gottes "geheimen Dolmetsch", quält er mit einer
Reihe drängender Warums; seiner Kraftnatur genügt es nicht zu hören:


"Sich dem Gesetz zu fügen.... geziemt dem Unterthan;
Laß dir genügen an dem Loos, das dir geworden.
Gott hat dich hingestellt an aller Geister Spitze,
Doch nicht um Andrer Glanz und Aufgang zu beneiden."

vielmehr versucht er, die trüben Wünsche seines Herzens mit erheuchelten
Eifern um Gottes Ehre zu verdecken: wenn Gottes Majestät sich mit dem
Erdgebornen vermischt, wird sie verkleinert, und


"Darum verzeihe,
Wenn dem Gesetz ich, dem Befehl, den du verkündet.
Mich abhold zeige, ihm zu widerstreben scheine.
Für Gottes Ehre nur, um Gott sein Recht zu geben,
Erkühn' ich mich, so weit von des Gehorsams Spur
Mich zu entfernen.


Gabr.:

Ja, du kämpfst mit großem Eifer
Für Gottes Ruhm; allein du überlegst nicht,



*) Hierzu ist zu vergleichen die kurze wuchtige Milton'sche Zeile: ,,l!vttLi- to reiKii ni Roll teilen 8MVS ni K"",von;" Beispiel, das für Milton's geniale Benutzung seiner Vorgänger wie kaum ein andres
^zeichnend ist. Es ist nicht unmöglich, daß beide Dichter in der Schuld vou Hugo Grotius
"^clsmus "xu>" stehen, bei dem sich die Worte finden:
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Engel sie auf, „des Himmels Ehre im menschlichen Geschlechte zu pflegen,"
und ein Schlußchor rühmt in erhabener Sprache den Unendlichen, Unnennbaren.

Vorbei verfolgt also, wie bereits bemerkt, den allerdings angedeuteten
Gedanken eines Gegensatzes zwischen Christus und den Engeln nicht, sondern
legt den folgenden Kämpfen die Befürchtung der Engel vor der wachsenden
Obmacht des Menschen zu Grunde; dennoch treffen bei beiden Dichtern nicht
nur die Schlüsse aus so weit verschiedenen Voraussetzungen durchaus zusammen,
sondern auch in der Art der Ausführung finden verwandte Beziehungen statt:
von dem gleichen unsittlichen Motive, der Eifersucht und dem Neid, kommt es
Zur Empörung.

Der 2. Act führt Lucifer ein; die Ironie und der hämisch unterwürfige
Rath Belzebubs:


„Leg deine Morgenstrahlen
Vor dieser Sonne ab"

ruft ihm das Vollbewußtsein seiner Macht zurück.


„Mag fügen sich wer will, ich trete nicht zurück —
Wir fallen, oder wir behaupten unser Recht.
Nur Ehre, ewges Lob bringt solcher Sturz, und lieber
Bin ich der erste Fürst in einem niedern Kreise
Als in dem feigen Licht der zweite."*)

Den ankommenden Gabriel, Gottes „geheimen Dolmetsch", quält er mit einer
Reihe drängender Warums; seiner Kraftnatur genügt es nicht zu hören:


„Sich dem Gesetz zu fügen.... geziemt dem Unterthan;
Laß dir genügen an dem Loos, das dir geworden.
Gott hat dich hingestellt an aller Geister Spitze,
Doch nicht um Andrer Glanz und Aufgang zu beneiden."

vielmehr versucht er, die trüben Wünsche seines Herzens mit erheuchelten
Eifern um Gottes Ehre zu verdecken: wenn Gottes Majestät sich mit dem
Erdgebornen vermischt, wird sie verkleinert, und


„Darum verzeihe,
Wenn dem Gesetz ich, dem Befehl, den du verkündet.
Mich abhold zeige, ihm zu widerstreben scheine.
Für Gottes Ehre nur, um Gott sein Recht zu geben,
Erkühn' ich mich, so weit von des Gehorsams Spur
Mich zu entfernen.


Gabr.:

Ja, du kämpfst mit großem Eifer
Für Gottes Ruhm; allein du überlegst nicht,



*) Hierzu ist zu vergleichen die kurze wuchtige Milton'sche Zeile: ,,l!vttLi- to reiKii ni Roll teilen 8MVS ni K«»,von;" Beispiel, das für Milton's geniale Benutzung seiner Vorgänger wie kaum ein andres
^zeichnend ist. Es ist nicht unmöglich, daß beide Dichter in der Schuld vou Hugo Grotius
"^clsmus «xu>" stehen, bei dem sich die Worte finden:
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[0255] Engel sie auf, „des Himmels Ehre im menschlichen Geschlechte zu pflegen," und ein Schlußchor rühmt in erhabener Sprache den Unendlichen, Unnennbaren. Vorbei verfolgt also, wie bereits bemerkt, den allerdings angedeuteten Gedanken eines Gegensatzes zwischen Christus und den Engeln nicht, sondern legt den folgenden Kämpfen die Befürchtung der Engel vor der wachsenden Obmacht des Menschen zu Grunde; dennoch treffen bei beiden Dichtern nicht nur die Schlüsse aus so weit verschiedenen Voraussetzungen durchaus zusammen, sondern auch in der Art der Ausführung finden verwandte Beziehungen statt: von dem gleichen unsittlichen Motive, der Eifersucht und dem Neid, kommt es Zur Empörung. Der 2. Act führt Lucifer ein; die Ironie und der hämisch unterwürfige Rath Belzebubs: „Leg deine Morgenstrahlen Vor dieser Sonne ab" ruft ihm das Vollbewußtsein seiner Macht zurück. „Mag fügen sich wer will, ich trete nicht zurück — Wir fallen, oder wir behaupten unser Recht. Nur Ehre, ewges Lob bringt solcher Sturz, und lieber Bin ich der erste Fürst in einem niedern Kreise Als in dem feigen Licht der zweite."*) Den ankommenden Gabriel, Gottes „geheimen Dolmetsch", quält er mit einer Reihe drängender Warums; seiner Kraftnatur genügt es nicht zu hören: „Sich dem Gesetz zu fügen.... geziemt dem Unterthan; Laß dir genügen an dem Loos, das dir geworden. Gott hat dich hingestellt an aller Geister Spitze, Doch nicht um Andrer Glanz und Aufgang zu beneiden." vielmehr versucht er, die trüben Wünsche seines Herzens mit erheuchelten Eifern um Gottes Ehre zu verdecken: wenn Gottes Majestät sich mit dem Erdgebornen vermischt, wird sie verkleinert, und „Darum verzeihe, Wenn dem Gesetz ich, dem Befehl, den du verkündet. Mich abhold zeige, ihm zu widerstreben scheine. Für Gottes Ehre nur, um Gott sein Recht zu geben, Erkühn' ich mich, so weit von des Gehorsams Spur Mich zu entfernen. Gabr.: Ja, du kämpfst mit großem Eifer Für Gottes Ruhm; allein du überlegst nicht, *) Hierzu ist zu vergleichen die kurze wuchtige Milton'sche Zeile: ,,l!vttLi- to reiKii ni Roll teilen 8MVS ni K«»,von;" Beispiel, das für Milton's geniale Benutzung seiner Vorgänger wie kaum ein andres ^zeichnend ist. Es ist nicht unmöglich, daß beide Dichter in der Schuld vou Hugo Grotius "^clsmus «xu>" stehen, bei dem sich die Worte finden: '''- ,,^.Jto pr»eess<Z IiUt-uo si ymäein iuvat Vaeiis «.usw in ipsis servi odiro rnuriw."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/255>, abgerufen am 28.09.2024.