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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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von Material derselben entwickelt, in Betreff menschlicher Dinge so geordnet
ist, daß das ausgesuchteste Glück sich auf das tiefste Elend Anderer gründet/'




Literaten.
Kaiser Wilhelm in Elsaß-Lothringen. 1.--9. Mai 1877. Straßburg,
I. Schneider's Buchhandlung, 1877.

Dieser Bericht über den letzten Besuch, den der Kaiser den Neichslanden
abstattete, erschien zunächst in der "Straßburger Zeitung," hier liegt er in
wesentlichen Stücken ergänzt und bereichert vor, und in dieser Gestalt gibt er
ein vollständiges Bild jener erhebenden und verheißungsvoller Maitage. Die
Erzählung der Vorgänge ist lebendig, die Schilderungen des Verfassers sind
anschaulich, das Ganze ist von patriotischem Geiste getragen. Als Anhang
werden die wichtigsten Publikationen und Daten mitgetheilt, welche aus Anlaß
des großen Ereignisses in die Erinnerung traten, z. B. eine Denkschrift des
Kurfürsten Friedrich des Dritten von Brandenburg, die derselbe 1696 in Be¬
treff der Wiedererwerbuug Strcißburgs an Kaiser Leopold den Ersten richtete,
ein Aktenstück, welches ein sprechender Beweis für die echt patriotische Denk¬
art dieses Fürsten ist. Das Herrscherhaus, welches berufen war, alles, was
Frankreich unter Ludwig dem Vierzehnten von deutschem Gebiete geraubt hatte,
wieder zu gewinnen, empfand und handelte auch damals deutsch. Schon
1674 hatte der große Kurfürst für Deutschlands Ehre, wenn auch erfolglos,
das Schwert gezogen, und auch später noch, als Straßburg dem Reiche ent¬
rissen worden, blieb Brandenburg die Hoffnung der Patrioten. 1698 brach
der pfälzische Erbschaftsstreit aus, um sich rasch zu einem europäischen Kriege
zu entwickeln, in welchem der Kaiser und zahlreiche Reichsfürsten gegen Lud¬
wig und seine Heere kämpften. In den Präliminarien des Friedens, welchen
die Geschichte den von Ryswick nennt, bot Frankreich für Straßburg, das es
behalten zu wollen erklärte, dem Reiche, in Wirklichkeit aber nur dem Hause
Habsburg, die Rückgabe von Freiburg und Breisach an. Da erließ der da¬
malige Kurfürst von Brandenburg, der einige Jahre später den Titel eines
Königs von Preußen annahm, das oben erwähnte Schreiben an den Kaiser, in
welchem er ihn in der eindringlichsten Sprache und mit dem edelsten Eifer die Noth-
Wendigkeit ans Herz legte, Straßburg zurückzufordern. Klaren Blickes ent¬
wickelte er in der Denkschrift die politischen und militärischen Nachtheile, die
das Verbleiben der Stadt bei der Krone Frankreich für das deutsche Reich


von Material derselben entwickelt, in Betreff menschlicher Dinge so geordnet
ist, daß das ausgesuchteste Glück sich auf das tiefste Elend Anderer gründet/'




Literaten.
Kaiser Wilhelm in Elsaß-Lothringen. 1.—9. Mai 1877. Straßburg,
I. Schneider's Buchhandlung, 1877.

Dieser Bericht über den letzten Besuch, den der Kaiser den Neichslanden
abstattete, erschien zunächst in der „Straßburger Zeitung," hier liegt er in
wesentlichen Stücken ergänzt und bereichert vor, und in dieser Gestalt gibt er
ein vollständiges Bild jener erhebenden und verheißungsvoller Maitage. Die
Erzählung der Vorgänge ist lebendig, die Schilderungen des Verfassers sind
anschaulich, das Ganze ist von patriotischem Geiste getragen. Als Anhang
werden die wichtigsten Publikationen und Daten mitgetheilt, welche aus Anlaß
des großen Ereignisses in die Erinnerung traten, z. B. eine Denkschrift des
Kurfürsten Friedrich des Dritten von Brandenburg, die derselbe 1696 in Be¬
treff der Wiedererwerbuug Strcißburgs an Kaiser Leopold den Ersten richtete,
ein Aktenstück, welches ein sprechender Beweis für die echt patriotische Denk¬
art dieses Fürsten ist. Das Herrscherhaus, welches berufen war, alles, was
Frankreich unter Ludwig dem Vierzehnten von deutschem Gebiete geraubt hatte,
wieder zu gewinnen, empfand und handelte auch damals deutsch. Schon
1674 hatte der große Kurfürst für Deutschlands Ehre, wenn auch erfolglos,
das Schwert gezogen, und auch später noch, als Straßburg dem Reiche ent¬
rissen worden, blieb Brandenburg die Hoffnung der Patrioten. 1698 brach
der pfälzische Erbschaftsstreit aus, um sich rasch zu einem europäischen Kriege
zu entwickeln, in welchem der Kaiser und zahlreiche Reichsfürsten gegen Lud¬
wig und seine Heere kämpften. In den Präliminarien des Friedens, welchen
die Geschichte den von Ryswick nennt, bot Frankreich für Straßburg, das es
behalten zu wollen erklärte, dem Reiche, in Wirklichkeit aber nur dem Hause
Habsburg, die Rückgabe von Freiburg und Breisach an. Da erließ der da¬
malige Kurfürst von Brandenburg, der einige Jahre später den Titel eines
Königs von Preußen annahm, das oben erwähnte Schreiben an den Kaiser, in
welchem er ihn in der eindringlichsten Sprache und mit dem edelsten Eifer die Noth-
Wendigkeit ans Herz legte, Straßburg zurückzufordern. Klaren Blickes ent¬
wickelte er in der Denkschrift die politischen und militärischen Nachtheile, die
das Verbleiben der Stadt bei der Krone Frankreich für das deutsche Reich


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[0207] von Material derselben entwickelt, in Betreff menschlicher Dinge so geordnet ist, daß das ausgesuchteste Glück sich auf das tiefste Elend Anderer gründet/' Literaten. Kaiser Wilhelm in Elsaß-Lothringen. 1.—9. Mai 1877. Straßburg, I. Schneider's Buchhandlung, 1877. Dieser Bericht über den letzten Besuch, den der Kaiser den Neichslanden abstattete, erschien zunächst in der „Straßburger Zeitung," hier liegt er in wesentlichen Stücken ergänzt und bereichert vor, und in dieser Gestalt gibt er ein vollständiges Bild jener erhebenden und verheißungsvoller Maitage. Die Erzählung der Vorgänge ist lebendig, die Schilderungen des Verfassers sind anschaulich, das Ganze ist von patriotischem Geiste getragen. Als Anhang werden die wichtigsten Publikationen und Daten mitgetheilt, welche aus Anlaß des großen Ereignisses in die Erinnerung traten, z. B. eine Denkschrift des Kurfürsten Friedrich des Dritten von Brandenburg, die derselbe 1696 in Be¬ treff der Wiedererwerbuug Strcißburgs an Kaiser Leopold den Ersten richtete, ein Aktenstück, welches ein sprechender Beweis für die echt patriotische Denk¬ art dieses Fürsten ist. Das Herrscherhaus, welches berufen war, alles, was Frankreich unter Ludwig dem Vierzehnten von deutschem Gebiete geraubt hatte, wieder zu gewinnen, empfand und handelte auch damals deutsch. Schon 1674 hatte der große Kurfürst für Deutschlands Ehre, wenn auch erfolglos, das Schwert gezogen, und auch später noch, als Straßburg dem Reiche ent¬ rissen worden, blieb Brandenburg die Hoffnung der Patrioten. 1698 brach der pfälzische Erbschaftsstreit aus, um sich rasch zu einem europäischen Kriege zu entwickeln, in welchem der Kaiser und zahlreiche Reichsfürsten gegen Lud¬ wig und seine Heere kämpften. In den Präliminarien des Friedens, welchen die Geschichte den von Ryswick nennt, bot Frankreich für Straßburg, das es behalten zu wollen erklärte, dem Reiche, in Wirklichkeit aber nur dem Hause Habsburg, die Rückgabe von Freiburg und Breisach an. Da erließ der da¬ malige Kurfürst von Brandenburg, der einige Jahre später den Titel eines Königs von Preußen annahm, das oben erwähnte Schreiben an den Kaiser, in welchem er ihn in der eindringlichsten Sprache und mit dem edelsten Eifer die Noth- Wendigkeit ans Herz legte, Straßburg zurückzufordern. Klaren Blickes ent¬ wickelte er in der Denkschrift die politischen und militärischen Nachtheile, die das Verbleiben der Stadt bei der Krone Frankreich für das deutsche Reich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/207>, abgerufen am 28.09.2024.