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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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aber unbedingt mehr zu bedürfen, worauf man ihm 226,000 bewilligte. Zieht
sich ein Minister zurück, so erhält er eine Pension von 20,000 und eine Summe
von 200,000 Livres als Mitgift für seine Tochter, wenn er eine hat. Man
glaube aber nicht, daß diese ungeheuren Summen (die beiläufig vor hundert
Jahren dreimal so viel bedeuteten wie heute), zu hoch beimessen sind; denn die
Betreffenden sind durch das Herkommen genöthigt, auf so hohem Fuße zu
leben, daß sie nichts ersparen können. Sie halten alle offne Tafel > und
zwar in Paris mindestens dreimal die Woche und in Versailles sowie in
Fontainebleau täglich.

Was die Statthalter betrifft, so haben sie so gut wie nichts zu thun als
zu repräsentiren. Dasselbe ist von dem Spezialgouverneur zu sagen. Auch
der wirklich regierende Intendant thut, besonders in den Provinzen mit Stände¬
versammlungen, nichts Anderes, und er hält ebenso glänzend Hof. Endlich
werden auch die Kommandanten von Festungen, die Generale und alle übrigen
höhere" Vertreter des Königs von den herrschenden Schicklichkeitsgrundsützen
genöthigt und von ihrer Langeweile verleitet, Salons zu halten und die elegante
und kostspielige Gastfreundschaft, die in Versailles Tagesordnung ist, mit
in die Provinz zu bringen, wenn sie sich dort aufhalten. Kommen ihre
Frauen mit ihnen, so "vegetiren sie inmitten von 40 bis 50 Personen,
reden nur Gemeinplätze, schürzen Knoten, spielen Lotto und sitzen drei Stunden
bei Tische."

Bis in die entferntesten Provinzen verbreitet sich die Nachahmung des
Versailler Hoflebens. Da die Adeligen beschäftigungslos sind, besuchen sie
einander, und die Hauptsorge eines vornehmen Herrn auf dem Lande ist, in
seinem Hause würdevoll die Honneurs zu machen.

Aber wir müssen in Betreff der Details dieser Verderbniß und alles
Weiteren auf das Buch selbst verweisen, welches wir als eine Aufeinanderfolge
der lebensvollsten Kulturbilder und als voll von dem feinsten Sinn für die
einzelnen Phasen der geschichtlichen Entwickelung bis zur Revolution unsern
Lesern angelegentlich empfohlen haben wollen.




Line Sammlung von Sprachschnitzern.

Wiederholt schon ist in d. Bl. darauf hingewiesen worden, wie sehr in
unsern Tagen auch von sonst Gebildeten gegen den Geist der Sprache gesündigt
wird und wie namentlich die Leistungen der periodischen Presse von solchen
Verstößen und Gebrechen Beispiele in Menge enthalten. Heute kommen wir


aber unbedingt mehr zu bedürfen, worauf man ihm 226,000 bewilligte. Zieht
sich ein Minister zurück, so erhält er eine Pension von 20,000 und eine Summe
von 200,000 Livres als Mitgift für seine Tochter, wenn er eine hat. Man
glaube aber nicht, daß diese ungeheuren Summen (die beiläufig vor hundert
Jahren dreimal so viel bedeuteten wie heute), zu hoch beimessen sind; denn die
Betreffenden sind durch das Herkommen genöthigt, auf so hohem Fuße zu
leben, daß sie nichts ersparen können. Sie halten alle offne Tafel > und
zwar in Paris mindestens dreimal die Woche und in Versailles sowie in
Fontainebleau täglich.

Was die Statthalter betrifft, so haben sie so gut wie nichts zu thun als
zu repräsentiren. Dasselbe ist von dem Spezialgouverneur zu sagen. Auch
der wirklich regierende Intendant thut, besonders in den Provinzen mit Stände¬
versammlungen, nichts Anderes, und er hält ebenso glänzend Hof. Endlich
werden auch die Kommandanten von Festungen, die Generale und alle übrigen
höhere» Vertreter des Königs von den herrschenden Schicklichkeitsgrundsützen
genöthigt und von ihrer Langeweile verleitet, Salons zu halten und die elegante
und kostspielige Gastfreundschaft, die in Versailles Tagesordnung ist, mit
in die Provinz zu bringen, wenn sie sich dort aufhalten. Kommen ihre
Frauen mit ihnen, so „vegetiren sie inmitten von 40 bis 50 Personen,
reden nur Gemeinplätze, schürzen Knoten, spielen Lotto und sitzen drei Stunden
bei Tische."

Bis in die entferntesten Provinzen verbreitet sich die Nachahmung des
Versailler Hoflebens. Da die Adeligen beschäftigungslos sind, besuchen sie
einander, und die Hauptsorge eines vornehmen Herrn auf dem Lande ist, in
seinem Hause würdevoll die Honneurs zu machen.

Aber wir müssen in Betreff der Details dieser Verderbniß und alles
Weiteren auf das Buch selbst verweisen, welches wir als eine Aufeinanderfolge
der lebensvollsten Kulturbilder und als voll von dem feinsten Sinn für die
einzelnen Phasen der geschichtlichen Entwickelung bis zur Revolution unsern
Lesern angelegentlich empfohlen haben wollen.




Line Sammlung von Sprachschnitzern.

Wiederholt schon ist in d. Bl. darauf hingewiesen worden, wie sehr in
unsern Tagen auch von sonst Gebildeten gegen den Geist der Sprache gesündigt
wird und wie namentlich die Leistungen der periodischen Presse von solchen
Verstößen und Gebrechen Beispiele in Menge enthalten. Heute kommen wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/350>, abgerufen am 22.07.2024.