Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.Line neue deutsche Kechtschreiöung.*) Diese Schrift führt die Sache eines im Laufe des letzten Sommers zu¬ Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, die Gesetze für eine Verbesserung der *) Die Orthographie nach den im Bau der deutschen Sprache liegenden Gesetzen in wissenschaftlicher, pädagogischer und praktischer Beziehung dargestellt von Dr. F- W. Fr late. Bremen, Verlag von J> Kuhtmann's Buchhandlung, 1877. Grenzboten II. 1877. so
Line neue deutsche Kechtschreiöung.*) Diese Schrift führt die Sache eines im Laufe des letzten Sommers zu¬ Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, die Gesetze für eine Verbesserung der *) Die Orthographie nach den im Bau der deutschen Sprache liegenden Gesetzen in wissenschaftlicher, pädagogischer und praktischer Beziehung dargestellt von Dr. F- W. Fr late. Bremen, Verlag von J> Kuhtmann's Buchhandlung, 1877. Grenzboten II. 1877. so
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Line neue deutsche Kechtschreiöung.*)
Diese Schrift führt die Sache eines im Laufe des letzten Sommers zu¬
sammengetretenen „Vereins zur Einführung einer einfachen deutschen Ortho¬
graphie" mit dem Wahlspruch: Für jeden Laut ein Zeichen, und da ihr Ge¬
genstand in der letzten Zeit viel besprochen worden ist, so geben wir einen
ausführlichen Auszug aus den Abschnitten, die sich überhaupt zusammendrängen
lassen. Wir bemerken aber im Voraus, daß wir eine Reform auf diesem Ge¬
biet nicht für so dringend und nicht völlig in dem Maße für nothwendig
halten wie der Verfasser, den wir nun reden lassen.
Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, die Gesetze für eine Verbesserung der
deutschen Rechtschreibung festzustellen. Die historische Begründung einer solchen
mißlang, weil das Leben der Sprache ein unaufhörliches Anderssein ist und
der Schluß von dem „So war es" auf ein „So soll es auch jetzt sein", un¬
natürlich und unlogisch war. Wir sind dadurch, daß es ein mittelhochdeutsches
Wort „würken" gab, nicht gezwungen, erwürken zu schreiben; denn wir sprechen
erwirken. Die historische Sprachforschung selbst hat dargethan, daß die Deut¬
schen zu allen Zeiten bemüht waren, phonetisch zu schreiben, d. h. den Laut,
nicht etwa die Abstammung, durch entsprechende Zeichen darzustellen, wobei
freilich keine Provinz und kein Jahrhundert mit den andern übereinstimmte.
Der Buchstabe hat keinen andern Beruf, als den Laut zu malen, wie der Laut
den Begriff erklingen läßt, folglich richtet sich der Laut nach dem Begriffe und
der Buchstabe, soll er seinem eigensten Wesen nicht widersprechen, nach dem
Laute. Eine Rechtschreibung ist um so vollkommener, je mehr sie dieses Gesetz
verwirklicht. Aber das phonetische Prinzip stützt sich auf Etwas, das noch nicht
existirt. Jeder deutsche Stamm, ja jede Stadt spricht anders, und so müssen
wir erst die Sprechung regeln, ehe wir eine allgemein giltige natürliche
Schreibung zu erzielen im Stande sind.
*) Die Orthographie nach den im Bau der deutschen Sprache liegenden
Gesetzen in wissenschaftlicher, pädagogischer und praktischer Beziehung dargestellt von Dr.
F- W. Fr late. Bremen, Verlag von J> Kuhtmann's Buchhandlung, 1877.
Grenzboten II. 1877. so
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