Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.Der Kücktritt des AeichsKanzl'ers. Im Folgenden bezeichne ich Ihnen den Stand der Dinge ans der Wil¬ Vollkommen sicher ist nur, daß es sich nicht um einen längeren oder kürzeren Dieser Grund aber liegt nicht in den Gesundheitsverhältnissen des Fürsten, Und in diesen letzten Worten ist der eigentliche und alleinige Grund zu Der Kücktritt des AeichsKanzl'ers. Im Folgenden bezeichne ich Ihnen den Stand der Dinge ans der Wil¬ Vollkommen sicher ist nur, daß es sich nicht um einen längeren oder kürzeren Dieser Grund aber liegt nicht in den Gesundheitsverhältnissen des Fürsten, Und in diesen letzten Worten ist der eigentliche und alleinige Grund zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0116" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/137817"/> </div> <div n="1"> <head> Der Kücktritt des AeichsKanzl'ers.</head><lb/> <p xml:id="ID_278"> Im Folgenden bezeichne ich Ihnen den Stand der Dinge ans der Wil¬<lb/> helmsstraße, wie er heute ist. Ob er, wenn dies Blatt nächste Woche die<lb/> Presse verläßt, noch derselbe sein un'rd, läßt sich nicht sagen, da es lediglich<lb/> Sache der höchsten Stelle ist, ihn zu ändern.</p><lb/> <p xml:id="ID_279"> Vollkommen sicher ist nur, daß es sich nicht um einen längeren oder kürzeren<lb/> Urlaub unsres Reichskanzlers, sondern um seinen förmlichen Rücktritt von der<lb/> obersten Leitung der Geschäfte sowohl des Reiches als Preußens handelt, um<lb/> eine Entlassung aus seinen Aemtern, die vom Fürsten längst erwogen und<lb/> endlich in unzweideutiger Weise verlangt worden ist. Andere Darstellungen<lb/> der Sache sind Fabel und leere Vermuthung. Der Reichskanzler geht, nicht,<lb/> wie man wissen wollte, in längere Ferien als gewöhnlich, nicht auf ein Jahr,<lb/> sondern für immer, es wäre denn, so dürfen wir wohl hoffen, daß der Grund,<lb/> der ihn zum Gehen veranlaßt, entfernt würde.</p><lb/> <p xml:id="ID_280"> Dieser Grund aber liegt nicht in den Gesundheitsverhältnissen des Fürsten,<lb/> die allerdings besser sein könnten, als sie sind, die aber wenigstens nicht als<lb/> schlimmer bezeichnet werden dürfen, als sie durchschnittlich in den letztvergangnen<lb/> Jahren waren. Der Grund, ans welchem der Reichskanzler seinen Abschied<lb/> gefordert hat, ist ferner anch nicht im Ausgang der Affaire Stosch zu suchen,<lb/> obwohl derselbe ihm gerade uicht zu besonderer Befriedigung gereicht haben<lb/> wird. Fürst Bismarck verläßt endlich — wie sich von selbst verstehen sollte —<lb/> das Ruder des Staatsschiffes nicht, um sich politisch zur Ruhe zu setzen und<lb/> sich den Arbeiten und Freuden des Landlebens zu widmen, obwohl er die¬<lb/> selben sehr werth hält und sich in den letzten Jahren, so oft die Staatsgeschäfte<lb/> es gestatteten, gern auf sie zurückgezogen hat. Ein Mann von seinem Cha¬<lb/> rakter und seiner Vergangenheit weiß, daß er nicht seiner Neigung, sondern<lb/> seinein Lande, seinem Volke gehört, so lange er die Kraft und so weit er volle,<lb/> nnbehiuderte Gelegenheit hat, ihnen zu dienen.</p><lb/> <p xml:id="ID_281" next="#ID_282"> Und in diesen letzten Worten ist der eigentliche und alleinige Grund zu<lb/> suchen, der den Fürsten seine Entlassung zu verlangen bewogen hat. Er liegt<lb/> in der von ihm mehrfach in öffentlichen und privaten Aeußerungen betonten<lb/> „Friktion" mit den Bestrebungen gewisser Kreise am Hofe, die vor Allein<lb/> unter ultramontanen, dann aber auch unter anderen, dem Wollen und Wirken<lb/> des Reichskanzlers den Weg zu verlegen bemühten Einflüssen stehen ..... einer<lb/> Friktion, welche, wie sehr sie auch die Kräfte aufreibt, ertragen werden könnte</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0116]
Der Kücktritt des AeichsKanzl'ers.
Im Folgenden bezeichne ich Ihnen den Stand der Dinge ans der Wil¬
helmsstraße, wie er heute ist. Ob er, wenn dies Blatt nächste Woche die
Presse verläßt, noch derselbe sein un'rd, läßt sich nicht sagen, da es lediglich
Sache der höchsten Stelle ist, ihn zu ändern.
Vollkommen sicher ist nur, daß es sich nicht um einen längeren oder kürzeren
Urlaub unsres Reichskanzlers, sondern um seinen förmlichen Rücktritt von der
obersten Leitung der Geschäfte sowohl des Reiches als Preußens handelt, um
eine Entlassung aus seinen Aemtern, die vom Fürsten längst erwogen und
endlich in unzweideutiger Weise verlangt worden ist. Andere Darstellungen
der Sache sind Fabel und leere Vermuthung. Der Reichskanzler geht, nicht,
wie man wissen wollte, in längere Ferien als gewöhnlich, nicht auf ein Jahr,
sondern für immer, es wäre denn, so dürfen wir wohl hoffen, daß der Grund,
der ihn zum Gehen veranlaßt, entfernt würde.
Dieser Grund aber liegt nicht in den Gesundheitsverhältnissen des Fürsten,
die allerdings besser sein könnten, als sie sind, die aber wenigstens nicht als
schlimmer bezeichnet werden dürfen, als sie durchschnittlich in den letztvergangnen
Jahren waren. Der Grund, ans welchem der Reichskanzler seinen Abschied
gefordert hat, ist ferner anch nicht im Ausgang der Affaire Stosch zu suchen,
obwohl derselbe ihm gerade uicht zu besonderer Befriedigung gereicht haben
wird. Fürst Bismarck verläßt endlich — wie sich von selbst verstehen sollte —
das Ruder des Staatsschiffes nicht, um sich politisch zur Ruhe zu setzen und
sich den Arbeiten und Freuden des Landlebens zu widmen, obwohl er die¬
selben sehr werth hält und sich in den letzten Jahren, so oft die Staatsgeschäfte
es gestatteten, gern auf sie zurückgezogen hat. Ein Mann von seinem Cha¬
rakter und seiner Vergangenheit weiß, daß er nicht seiner Neigung, sondern
seinein Lande, seinem Volke gehört, so lange er die Kraft und so weit er volle,
nnbehiuderte Gelegenheit hat, ihnen zu dienen.
Und in diesen letzten Worten ist der eigentliche und alleinige Grund zu
suchen, der den Fürsten seine Entlassung zu verlangen bewogen hat. Er liegt
in der von ihm mehrfach in öffentlichen und privaten Aeußerungen betonten
„Friktion" mit den Bestrebungen gewisser Kreise am Hofe, die vor Allein
unter ultramontanen, dann aber auch unter anderen, dem Wollen und Wirken
des Reichskanzlers den Weg zu verlegen bemühten Einflüssen stehen ..... einer
Friktion, welche, wie sehr sie auch die Kräfte aufreibt, ertragen werden könnte
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