Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.Literatur. beschichte deS römischen Papstthums. Vorträge von Wilhelm Watten¬ bach. Berlin, Verlag von Wilhelm Herz. 1876. Lange Jahrzehnte hindurch, ja seit dem Ausgang der Reformationszeit Insofern ist jedes aus wissenschaftlichem ruhende Buch, das uns die Ge¬ Literatur. beschichte deS römischen Papstthums. Vorträge von Wilhelm Watten¬ bach. Berlin, Verlag von Wilhelm Herz. 1876. Lange Jahrzehnte hindurch, ja seit dem Ausgang der Reformationszeit Insofern ist jedes aus wissenschaftlichem ruhende Buch, das uns die Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0359" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/136998"/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <div n="2"> <head> beschichte deS römischen Papstthums. Vorträge von Wilhelm Watten¬<lb/> bach. Berlin, Verlag von Wilhelm Herz. 1876.</head><lb/> <p xml:id="ID_1135"> Lange Jahrzehnte hindurch, ja seit dem Ausgang der Reformationszeit<lb/> ^ nicht so viel vom Papste die Rede gewesen wie heutzutage. Im vollen<lb/> Ernste wird von Rom aus der Versuch gemacht, uns alle, Protestanten wie<lb/> Katholiken in's Mittelalter zurückzuversetzen, indem man uns dem in<lb/> Lehre Thomas von Aquino wurzelnden Papalsystem unterwerfen will,<lb/> welches davon ausgeht, daß der Papst als Stellvertreter Petri, Christi, Gottes<lb/> ^uf Erden Inhaber nicht nur der bischöflichen, sondern aller Gewalt über-<lb/> ^upt ist, daß er die Kirche besteuern kann, daß deren ganzes Vermögen ihm<lb/> gehört, und daß er sogar über das Eigenthum der Laien zum Besten der<lb/> ^rede zu verfügen berechtigt ist. Auch im Mittelalter ist hiergegen gekämpft<lb/> worden, aber nicht sowohl gegen das System, als gegen seine Uebertreibung<lb/> ^Ad Ausartung in der Praxis. Die Gegenwart mußte dagegen diesem in<lb/> letzten Jahrhunderten vorzüglich von den Jesuiten vertretenen Systeme<lb/> selbst den Krieg erklären; denn unsere ganze Bildung, unser Staatswesen<lb/> ^de auf ganz andern Grundlagen als die Culturwelt des Mittelalters.<lb/> Lange Zeit kam es der neuen Zeit, als die jesuitische Partei in der katholischen<lb/> Kirche die Allmacht des Papstes zurückforderte, wie das Treiben eines aus<lb/> em Grabe der Vergangenheit wieder aufgestiegnen, nur wollenden, aber nicht<lb/> Anenden Schattens vor, und erst vor Kurzem sah man ein, daß das Ge¬<lb/> spenst es mit seinem Anspruch nicht blos ganz ernstlich meinte, sondern auch<lb/> ^ben und Kraft besaß — namentlich die Kraft zu schaden. Es hat in<lb/> Deutschland Familien und Gemeinden entzweit, und es hat eine nichts weniger<lb/> unbedeutende reichsfeindliche Partei entstehen lassen. Es hat, als in<lb/> Frankreich die bigotte Spanierin Eugenie auf dem Thron saß, einen schweren<lb/> Krieg gegen uns heraufbeschworen. Es schürt und wühlt dort noch heute<lb/> ^gen uns. Es sitzt dem neuen Italien als Pfahl im Fleische. Es verübte<lb/> " Spanien durch den Arm des von ihm mit allen Mitteln unterstützten<lb/> Mutigen Prätendenten drei Jahre hindurch allerlei Greuelthaten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1136" next="#ID_1137"> Insofern ist jedes aus wissenschaftlichem ruhende Buch, das uns die Ge¬<lb/> richte der Päpste in allgemein faßlicher Weise erzählt, willkommen zu heißen,<lb/> ^ ein solches Buch haben wir vor uns. In nüchterner, leidenschaftsloser<lb/> T^ise untersucht der Verfasser, woher das Papstthum stammt, wie es zur<lb/> seiner Macht gelangt, wie es zu gewissen Zeiten und nach gewissen<lb/> y^ten hin nothwendig und nützlich gewesen ist, und warum und auf welche<lb/> °ise endlich seine Allgewalt gesprengt wurde, so daß die Gegensätze sich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0359]
Literatur.
beschichte deS römischen Papstthums. Vorträge von Wilhelm Watten¬
bach. Berlin, Verlag von Wilhelm Herz. 1876.
Lange Jahrzehnte hindurch, ja seit dem Ausgang der Reformationszeit
^ nicht so viel vom Papste die Rede gewesen wie heutzutage. Im vollen
Ernste wird von Rom aus der Versuch gemacht, uns alle, Protestanten wie
Katholiken in's Mittelalter zurückzuversetzen, indem man uns dem in
Lehre Thomas von Aquino wurzelnden Papalsystem unterwerfen will,
welches davon ausgeht, daß der Papst als Stellvertreter Petri, Christi, Gottes
^uf Erden Inhaber nicht nur der bischöflichen, sondern aller Gewalt über-
^upt ist, daß er die Kirche besteuern kann, daß deren ganzes Vermögen ihm
gehört, und daß er sogar über das Eigenthum der Laien zum Besten der
^rede zu verfügen berechtigt ist. Auch im Mittelalter ist hiergegen gekämpft
worden, aber nicht sowohl gegen das System, als gegen seine Uebertreibung
^Ad Ausartung in der Praxis. Die Gegenwart mußte dagegen diesem in
letzten Jahrhunderten vorzüglich von den Jesuiten vertretenen Systeme
selbst den Krieg erklären; denn unsere ganze Bildung, unser Staatswesen
^de auf ganz andern Grundlagen als die Culturwelt des Mittelalters.
Lange Zeit kam es der neuen Zeit, als die jesuitische Partei in der katholischen
Kirche die Allmacht des Papstes zurückforderte, wie das Treiben eines aus
em Grabe der Vergangenheit wieder aufgestiegnen, nur wollenden, aber nicht
Anenden Schattens vor, und erst vor Kurzem sah man ein, daß das Ge¬
spenst es mit seinem Anspruch nicht blos ganz ernstlich meinte, sondern auch
^ben und Kraft besaß — namentlich die Kraft zu schaden. Es hat in
Deutschland Familien und Gemeinden entzweit, und es hat eine nichts weniger
unbedeutende reichsfeindliche Partei entstehen lassen. Es hat, als in
Frankreich die bigotte Spanierin Eugenie auf dem Thron saß, einen schweren
Krieg gegen uns heraufbeschworen. Es schürt und wühlt dort noch heute
^gen uns. Es sitzt dem neuen Italien als Pfahl im Fleische. Es verübte
" Spanien durch den Arm des von ihm mit allen Mitteln unterstützten
Mutigen Prätendenten drei Jahre hindurch allerlei Greuelthaten.
Insofern ist jedes aus wissenschaftlichem ruhende Buch, das uns die Ge¬
richte der Päpste in allgemein faßlicher Weise erzählt, willkommen zu heißen,
^ ein solches Buch haben wir vor uns. In nüchterner, leidenschaftsloser
T^ise untersucht der Verfasser, woher das Papstthum stammt, wie es zur
seiner Macht gelangt, wie es zu gewissen Zeiten und nach gewissen
y^ten hin nothwendig und nützlich gewesen ist, und warum und auf welche
°ise endlich seine Allgewalt gesprengt wurde, so daß die Gegensätze sich
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