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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band.

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Deutschland nach Kerrn Wctor Aissot*).
Von or. Albrecht Deetz.

Deutschland ist zu verschiedenen Zeiten der Gegenstand eingehender
Schilderungen gewesen, die, weil in einer gewissen Absicht verfaßt, nicht für
ganz objectiv und unparteiisch gelten können. Während aber in alter Zeit
bei einem Tacitus und in neuerer Zeit bei einer Madame de Staöl die Ab¬
sicht, ihrer eigenen Nation das Bild eines anders und zwar besser gearteten
Volkes vorzuführen, wohl die Ursache gewesen sein mag, daß sie dieses Bild
ZU rosig gemalt haben, hat ein moderner Tacitus in einer höchst unlautern
Absicht sein Bild ganz grau in grau gemalt.

Es wäre übrigens eine ganz unverdiente Ehre, für Herrn Victor
Tissot, den Verfasser des Buches: I^hö I>ruLsitM8 "n ^Ilemagne, das sich als
eine Fortsetzung der Reise in das Milliarden-Land ankündigt, wenn wir ihn
^nsthaft in irgend eine Beziehung zu jenen ebengenannten Schriftstellern
bringen würden, und geschähe es auch nur in der Absicht, seine Unwürdigkeit
dadurch besser hervortreten zu lassen. Nein, die Schrift des Herrn Tissot cr¬
ust sich auf den ersten Blick als ein so elendes, oberflächliches Machwerk,
baß man sie füglich sich selbst überlassen könnte, wäre nicht ein Umstand hin¬
zugekommen, der derselben trotz ihres innern Unwerthes eine ganz immense
Bedeutung verleiht. Es ist nämlich eine nicht zu bezweifelnde Thatsache, daß ein
^oßer Theil der Franzosen seine Kenntniß über Deutschland aus diesem Buche
stopft. Was das aber zu bedeuten hat, wird man leicht ersehen, wenn man
°>ne Einsicht von dem Geiste und dem Inhalt desselben genommen hat. Das
^ste der genannten Bücher hat in Jahresfrist einige zwanzig Auflagen erlebt,
Ehrenb das zweite, erst vor wenigen Monaten erschienen und uns schon in
Achter Auflage vorliegend, es inzwischen wohl schon bis zur fünfzehnten oder
^zehnten Auflage gebracht haben mag. Daß die Schrift aber nicht nur



") I^es l?rü88i<zus <in ^IIcmaMv Victor 1'issot. ?iuis Denen.
Gttnzbotcn II. 187".
Deutschland nach Kerrn Wctor Aissot*).
Von or. Albrecht Deetz.

Deutschland ist zu verschiedenen Zeiten der Gegenstand eingehender
Schilderungen gewesen, die, weil in einer gewissen Absicht verfaßt, nicht für
ganz objectiv und unparteiisch gelten können. Während aber in alter Zeit
bei einem Tacitus und in neuerer Zeit bei einer Madame de Staöl die Ab¬
sicht, ihrer eigenen Nation das Bild eines anders und zwar besser gearteten
Volkes vorzuführen, wohl die Ursache gewesen sein mag, daß sie dieses Bild
ZU rosig gemalt haben, hat ein moderner Tacitus in einer höchst unlautern
Absicht sein Bild ganz grau in grau gemalt.

Es wäre übrigens eine ganz unverdiente Ehre, für Herrn Victor
Tissot, den Verfasser des Buches: I^hö I>ruLsitM8 «n ^Ilemagne, das sich als
eine Fortsetzung der Reise in das Milliarden-Land ankündigt, wenn wir ihn
^nsthaft in irgend eine Beziehung zu jenen ebengenannten Schriftstellern
bringen würden, und geschähe es auch nur in der Absicht, seine Unwürdigkeit
dadurch besser hervortreten zu lassen. Nein, die Schrift des Herrn Tissot cr¬
ust sich auf den ersten Blick als ein so elendes, oberflächliches Machwerk,
baß man sie füglich sich selbst überlassen könnte, wäre nicht ein Umstand hin¬
zugekommen, der derselben trotz ihres innern Unwerthes eine ganz immense
Bedeutung verleiht. Es ist nämlich eine nicht zu bezweifelnde Thatsache, daß ein
^oßer Theil der Franzosen seine Kenntniß über Deutschland aus diesem Buche
stopft. Was das aber zu bedeuten hat, wird man leicht ersehen, wenn man
°>ne Einsicht von dem Geiste und dem Inhalt desselben genommen hat. Das
^ste der genannten Bücher hat in Jahresfrist einige zwanzig Auflagen erlebt,
Ehrenb das zweite, erst vor wenigen Monaten erschienen und uns schon in
Achter Auflage vorliegend, es inzwischen wohl schon bis zur fünfzehnten oder
^zehnten Auflage gebracht haben mag. Daß die Schrift aber nicht nur



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[0405] Deutschland nach Kerrn Wctor Aissot*). Von or. Albrecht Deetz. Deutschland ist zu verschiedenen Zeiten der Gegenstand eingehender Schilderungen gewesen, die, weil in einer gewissen Absicht verfaßt, nicht für ganz objectiv und unparteiisch gelten können. Während aber in alter Zeit bei einem Tacitus und in neuerer Zeit bei einer Madame de Staöl die Ab¬ sicht, ihrer eigenen Nation das Bild eines anders und zwar besser gearteten Volkes vorzuführen, wohl die Ursache gewesen sein mag, daß sie dieses Bild ZU rosig gemalt haben, hat ein moderner Tacitus in einer höchst unlautern Absicht sein Bild ganz grau in grau gemalt. Es wäre übrigens eine ganz unverdiente Ehre, für Herrn Victor Tissot, den Verfasser des Buches: I^hö I>ruLsitM8 «n ^Ilemagne, das sich als eine Fortsetzung der Reise in das Milliarden-Land ankündigt, wenn wir ihn ^nsthaft in irgend eine Beziehung zu jenen ebengenannten Schriftstellern bringen würden, und geschähe es auch nur in der Absicht, seine Unwürdigkeit dadurch besser hervortreten zu lassen. Nein, die Schrift des Herrn Tissot cr¬ ust sich auf den ersten Blick als ein so elendes, oberflächliches Machwerk, baß man sie füglich sich selbst überlassen könnte, wäre nicht ein Umstand hin¬ zugekommen, der derselben trotz ihres innern Unwerthes eine ganz immense Bedeutung verleiht. Es ist nämlich eine nicht zu bezweifelnde Thatsache, daß ein ^oßer Theil der Franzosen seine Kenntniß über Deutschland aus diesem Buche stopft. Was das aber zu bedeuten hat, wird man leicht ersehen, wenn man °>ne Einsicht von dem Geiste und dem Inhalt desselben genommen hat. Das ^ste der genannten Bücher hat in Jahresfrist einige zwanzig Auflagen erlebt, Ehrenb das zweite, erst vor wenigen Monaten erschienen und uns schon in Achter Auflage vorliegend, es inzwischen wohl schon bis zur fünfzehnten oder ^zehnten Auflage gebracht haben mag. Daß die Schrift aber nicht nur ") I^es l?rü88i<zus <in ^IIcmaMv Victor 1'issot. ?iuis Denen. Gttnzbotcn II. 187«.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157638/405>, abgerufen am 27.11.2024.