Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.liberalen Partei bezeichnet wird, jenen Plan als eine "nationalliberale Aus¬ G. Landeskirche und Landtag in Preußen. I. Am 10. September 1873 erließ der König von Preußen in seiner Eigen¬ liberalen Partei bezeichnet wird, jenen Plan als eine „nationalliberale Aus¬ G. Landeskirche und Landtag in Preußen. I. Am 10. September 1873 erließ der König von Preußen in seiner Eigen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0083" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/135136"/> <p xml:id="ID_206" prev="#ID_205"> liberalen Partei bezeichnet wird, jenen Plan als eine „nationalliberale Aus¬<lb/> schweifung" bezeichnet und geradezu erklärt hat, daß die Reform der Justiz¬<lb/> gesetzgebung das letzte Zugeständniß zu bilden habe, welches den Einzelstaaten<lb/> auch vom nationalen Standpunkt aus im Interesse der Einheit zugemuthet<lb/> werden könne und daß Württemberg fernerhin im Verein mit Bayern<lb/> allen weiteren Unificationsbestrebungen die Spitze zu bieten habe, so beweist<lb/> dies nur, was wir schon längst angekündigt haben, daß ein Theil der bis¬<lb/> herigen nationalen Kreise zu Stuttgart, befangen durch eigene und durch die<lb/> localen Interessen der Residenz sich mehr und mehr in einen Gegensatz hinein¬<lb/> arbeitet zu den Bestrebungen der gesammten Partei, welche allen spießbürger¬<lb/> lichen Betrachtungen der Residenzler zum Trotz, auch fernerhin nicht erlahmen<lb/> wird, im Verein mit dem übrigen Deutschland ihr Programm zu verwirklichen.<lb/> Jedenfalls dient man den Interessen des eigenen Staates am schlechtesten,<lb/> wenn man seine Augen der, wenn auch vielleicht unangenehmen Wirklichkeit<lb/> verschließt. Vollends aber hat man in Stuttgart keine Berechtigung, hoch-<lb/> müthig auf den Nachbarstaat Baden, der uns in so vielen Dingen voraus<lb/> ist, herab zu sehen, wie dies in neuerer Zeit wiederholt, sogar in der<lb/> Ständekammer von „nationalltveraler" Stuttgarter Seite geschehen ist. Ob<lb/> Bayern, welches bisher seine Stellung im Reich so trefflich für sich auszu¬<lb/> nützen verstanden hat, nach den bisherigen Erfahrungen für Württemberg<lb/> einen höheren Rückhalt bieten wird, möchten wir denn doch bezweifeln. Er¬<lb/> freulich ist, daß auch in dieser Frage der „schwäbische Mercur", der Reprä¬<lb/> sentant der öffentlichen Meinung im Lande, dessen Eigenthümer sich als Mit¬<lb/> glied des Reichstags so große Verdienste um das Zustandekommen des Reichs¬<lb/> eisenbahn-Amts erworben hat, die allein correcte Haltung einnimmt.</p><lb/> <note type="byline"> G.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Landeskirche und Landtag in Preußen.<lb/><lb/> I.</head><lb/> <p xml:id="ID_207" next="#ID_208"> Am 10. September 1873 erließ der König von Preußen in seiner Eigen¬<lb/> schaft als Träger des landesherrlichen Kirchen-Regiments der evangelischen<lb/> Kirche eine Kirchengemeinde - und Synodalordnung für die evangelische Kirche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
liberalen Partei bezeichnet wird, jenen Plan als eine „nationalliberale Aus¬
schweifung" bezeichnet und geradezu erklärt hat, daß die Reform der Justiz¬
gesetzgebung das letzte Zugeständniß zu bilden habe, welches den Einzelstaaten
auch vom nationalen Standpunkt aus im Interesse der Einheit zugemuthet
werden könne und daß Württemberg fernerhin im Verein mit Bayern
allen weiteren Unificationsbestrebungen die Spitze zu bieten habe, so beweist
dies nur, was wir schon längst angekündigt haben, daß ein Theil der bis¬
herigen nationalen Kreise zu Stuttgart, befangen durch eigene und durch die
localen Interessen der Residenz sich mehr und mehr in einen Gegensatz hinein¬
arbeitet zu den Bestrebungen der gesammten Partei, welche allen spießbürger¬
lichen Betrachtungen der Residenzler zum Trotz, auch fernerhin nicht erlahmen
wird, im Verein mit dem übrigen Deutschland ihr Programm zu verwirklichen.
Jedenfalls dient man den Interessen des eigenen Staates am schlechtesten,
wenn man seine Augen der, wenn auch vielleicht unangenehmen Wirklichkeit
verschließt. Vollends aber hat man in Stuttgart keine Berechtigung, hoch-
müthig auf den Nachbarstaat Baden, der uns in so vielen Dingen voraus
ist, herab zu sehen, wie dies in neuerer Zeit wiederholt, sogar in der
Ständekammer von „nationalltveraler" Stuttgarter Seite geschehen ist. Ob
Bayern, welches bisher seine Stellung im Reich so trefflich für sich auszu¬
nützen verstanden hat, nach den bisherigen Erfahrungen für Württemberg
einen höheren Rückhalt bieten wird, möchten wir denn doch bezweifeln. Er¬
freulich ist, daß auch in dieser Frage der „schwäbische Mercur", der Reprä¬
sentant der öffentlichen Meinung im Lande, dessen Eigenthümer sich als Mit¬
glied des Reichstags so große Verdienste um das Zustandekommen des Reichs¬
eisenbahn-Amts erworben hat, die allein correcte Haltung einnimmt.
G.
Landeskirche und Landtag in Preußen.
I.
Am 10. September 1873 erließ der König von Preußen in seiner Eigen¬
schaft als Träger des landesherrlichen Kirchen-Regiments der evangelischen
Kirche eine Kirchengemeinde - und Synodalordnung für die evangelische Kirche
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