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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band.

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stadtzeitungen beschimpft, so bietet sie ihm in einem offnen Briefe Ohrfeigen
an. Beschimpfte Nationen können das nicht. Sie haben kein Mittel, Sühne
zu fordern und zu erhalten gegen bübische Bosheit. Sie bedürfen deren auch
nicht. Ihr hohes Leben liegt aufgeschlagen in dem Buche der Geschichte. Was
schadet es dem Monde, wenn der zottige Köter des Nachbarn ihn anbellt?




Ale Ulbrechtsleute.

Geraume Zeit hat Amerika in geistiger Beziehung von uns nur empfangen.
Es importirte nicht blos deutsche Fabrikate und deutsche Arbeitskräfte, sondern
auch einen gewissen Betrag deutscher Idealität, deutschen Wissens und deut¬
scher Kunsterzeugnisse, namentlich Gemälde und Melodien. Seit einigen
Jahren aber ist es dabei, uns diese Gaben nach besten Kräften zu vergelten
und dafür, daß wir an seiner Gesittung mitgearbeitet, in seiner Weise uns
civilistren zu helfen. Es hat, wie hier schon oft gezeigt, eine respectable
humoristische Literatur auch für uns erzeugt. Aber es hat uns auch ernstere
Dinge zu schenken. Es hat Ueberfluß an politischen und Humanitären Geheim¬
bünden, und es ist bereit und schon eifrig darüber her, uns von der letzteren
Species abzugeben. Neben den vor Kurzem in d. Bl. charakteristrten Odd-
fellows hat es auch seine Druiden zu uns verpflanzt, ebenfalls eine gute
Gabe Gottes. In den Thälern des Hudson und Mississippi hat es ferner
eine Fülle von religiösen Seelen entstehen sehen, und siehe da, auch dieser
Segen wurde uns von ihm nicht vorenthalten. Von den Mormonen zwar,
die uns in den fünfziger Jahren ihre Sendboten zuschickten, ihre goldne Bibel
ins Deutsche übersetzen ließen und dieselbe Friedrich Wilhelm IV. durch eine
Deputation überreichen lassen wollten, mochte die deutsche Polizei nichts
wissen, und Brigham Uoung's Hamburger Blatt, "Zions Panier" erlosch
nach der dritten Nummer schon. Besser dagegen gelang es den Baptisten¬
missionären der Uankees, die erst in den Seestädten, dann auch im Binnen¬
lande Gemeinden gründeten, welche leidlich zu gedeihen scheinen, und ungefähr
ebenso gute Geschäfte machten die Seelenfischer der Methodisten, welche gleich¬
falls schon seit dritthalb Jahrzehnten an unserm Heile arbeiten und nicht
ganz unbedeutende Erfolge in ihren Netzen aufzuweisen haben.

In der letzten Zeit aber ist hierzu noch eine dritte Secte getreten, die
dem Anscheine nach noch besser als diejenigen prosperirt, welche schon seit einer
Reihe von Jahren sich's unter dem Schutze unsrer neueren Gesetzgebung be-


stadtzeitungen beschimpft, so bietet sie ihm in einem offnen Briefe Ohrfeigen
an. Beschimpfte Nationen können das nicht. Sie haben kein Mittel, Sühne
zu fordern und zu erhalten gegen bübische Bosheit. Sie bedürfen deren auch
nicht. Ihr hohes Leben liegt aufgeschlagen in dem Buche der Geschichte. Was
schadet es dem Monde, wenn der zottige Köter des Nachbarn ihn anbellt?




Ale Ulbrechtsleute.

Geraume Zeit hat Amerika in geistiger Beziehung von uns nur empfangen.
Es importirte nicht blos deutsche Fabrikate und deutsche Arbeitskräfte, sondern
auch einen gewissen Betrag deutscher Idealität, deutschen Wissens und deut¬
scher Kunsterzeugnisse, namentlich Gemälde und Melodien. Seit einigen
Jahren aber ist es dabei, uns diese Gaben nach besten Kräften zu vergelten
und dafür, daß wir an seiner Gesittung mitgearbeitet, in seiner Weise uns
civilistren zu helfen. Es hat, wie hier schon oft gezeigt, eine respectable
humoristische Literatur auch für uns erzeugt. Aber es hat uns auch ernstere
Dinge zu schenken. Es hat Ueberfluß an politischen und Humanitären Geheim¬
bünden, und es ist bereit und schon eifrig darüber her, uns von der letzteren
Species abzugeben. Neben den vor Kurzem in d. Bl. charakteristrten Odd-
fellows hat es auch seine Druiden zu uns verpflanzt, ebenfalls eine gute
Gabe Gottes. In den Thälern des Hudson und Mississippi hat es ferner
eine Fülle von religiösen Seelen entstehen sehen, und siehe da, auch dieser
Segen wurde uns von ihm nicht vorenthalten. Von den Mormonen zwar,
die uns in den fünfziger Jahren ihre Sendboten zuschickten, ihre goldne Bibel
ins Deutsche übersetzen ließen und dieselbe Friedrich Wilhelm IV. durch eine
Deputation überreichen lassen wollten, mochte die deutsche Polizei nichts
wissen, und Brigham Uoung's Hamburger Blatt, „Zions Panier" erlosch
nach der dritten Nummer schon. Besser dagegen gelang es den Baptisten¬
missionären der Uankees, die erst in den Seestädten, dann auch im Binnen¬
lande Gemeinden gründeten, welche leidlich zu gedeihen scheinen, und ungefähr
ebenso gute Geschäfte machten die Seelenfischer der Methodisten, welche gleich¬
falls schon seit dritthalb Jahrzehnten an unserm Heile arbeiten und nicht
ganz unbedeutende Erfolge in ihren Netzen aufzuweisen haben.

In der letzten Zeit aber ist hierzu noch eine dritte Secte getreten, die
dem Anscheine nach noch besser als diejenigen prosperirt, welche schon seit einer
Reihe von Jahren sich's unter dem Schutze unsrer neueren Gesetzgebung be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, I. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157636/462>, abgerufen am 22.07.2024.