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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Die finanziellen und Kirchenpolitischen Zustände in
den Gereinigten Staaten.
Von or. Rud. Doehn.

In der nordamerikanischen Union finden im Oktober d. I. ver¬
schiedene Staatswahlen statt, auf deren Ausfall man aus mehr als einem
Grunde sehr gespannt sein darf. Es kommen nämlich dabei verschiedene Fra¬
gen zur Entscheidung, die nicht nur auf die Entwickelung einzelner Bundes¬
staaten, sondern auf das Wohl und Wehe der ganzen Union den größten
Einfluß ausüben. Zu diesen Fragen gehören vor Allem, abgesehen von der
Zoll- und Steuerfrage, die Geldfrage und die Kirchen frage. Bei aller-
^rschiedenheit der Verhältnisse in Europa und Amerika kommen doch diessiit
^le jenseit des atlantischen Oceans gegenwärtig in der staatlichen Entwicke
lung der einzelnen Länder nahezu dieselben Cardinalfragen zur Lösung, selbst¬
verständlich modificirt durch die besonderen Zustände aus den Gebieten der
Schule, der Kirche, des Staates und der Gesellschaft. Es ist dies ein neuer
beweis für die Gemeinsamkeit der Interessen, wodurch die civilisirten Völker,
Mancher widerstreitender Elemente, mit einander verbunden sind.

^s ist unsere Absicht, in Nachstehendem die finanziellen und die kirch¬
lichen Zustände in den Vereinigten Staaten etwas näher zu beleuchten.

Der frühere Finanzsekretär der Verein. Staaten, Hugh M c. Culloch,
^ sich seit längerer Zeit in England aufhält und von dort aus zeitweise
den europäischen Continent bereist, gilt in finanziellen Dingen^ in mancher
Hinsicht als eine Autorität. Me. Culloch veröffentlicht nun seit Kurzem von
ondon aus in der weitverbreiteten, einflußreichen "New-Uork Tribune" eine
^else von Briefen, in denen er die Nationalschulden, den öffentlichen Credit
°er nordamerikanischen Union und die finanziellen Verhältnisse seines Vater¬
landes überhaupt, mit großer Sachkenntniß bespricht. Er macht u. A. auf
°le Thatsache aufmerksam, daß eine möglichst schnelle Abzahlung der öffent¬
lichen Schulden eine traditionelle Politik der Vereinigten Staaten sei und daß
letztere in diesem Punkte von keinem anderen Volke übertroffen würden. Trotz¬
dem kann er nicht leugnen, daß der Credit der Vereinigten Staaten, obschon
diese ihre Schulden prompt und sicher abzuzahlen bemüht sind, im Allgemei¬
nen kein zu günstiger ist. Die Frage, warum der Credit der nordamerikani¬
schen Union nicht höher ist, als er es in der That ist, warum er nicht höher
'se, als der Credit der anderen Nationen, von denen doch keine in der Re-
duction der Nationalschulden den Verein. Staaten gleichkommt, beantwortet
Me. Culloch dahin, daß die Einzelstaaten der großen transatlantischen


Die finanziellen und Kirchenpolitischen Zustände in
den Gereinigten Staaten.
Von or. Rud. Doehn.

In der nordamerikanischen Union finden im Oktober d. I. ver¬
schiedene Staatswahlen statt, auf deren Ausfall man aus mehr als einem
Grunde sehr gespannt sein darf. Es kommen nämlich dabei verschiedene Fra¬
gen zur Entscheidung, die nicht nur auf die Entwickelung einzelner Bundes¬
staaten, sondern auf das Wohl und Wehe der ganzen Union den größten
Einfluß ausüben. Zu diesen Fragen gehören vor Allem, abgesehen von der
Zoll- und Steuerfrage, die Geldfrage und die Kirchen frage. Bei aller-
^rschiedenheit der Verhältnisse in Europa und Amerika kommen doch diessiit
^le jenseit des atlantischen Oceans gegenwärtig in der staatlichen Entwicke
lung der einzelnen Länder nahezu dieselben Cardinalfragen zur Lösung, selbst¬
verständlich modificirt durch die besonderen Zustände aus den Gebieten der
Schule, der Kirche, des Staates und der Gesellschaft. Es ist dies ein neuer
beweis für die Gemeinsamkeit der Interessen, wodurch die civilisirten Völker,
Mancher widerstreitender Elemente, mit einander verbunden sind.

^s ist unsere Absicht, in Nachstehendem die finanziellen und die kirch¬
lichen Zustände in den Vereinigten Staaten etwas näher zu beleuchten.

Der frühere Finanzsekretär der Verein. Staaten, Hugh M c. Culloch,
^ sich seit längerer Zeit in England aufhält und von dort aus zeitweise
den europäischen Continent bereist, gilt in finanziellen Dingen^ in mancher
Hinsicht als eine Autorität. Me. Culloch veröffentlicht nun seit Kurzem von
ondon aus in der weitverbreiteten, einflußreichen „New-Uork Tribune" eine
^else von Briefen, in denen er die Nationalschulden, den öffentlichen Credit
°er nordamerikanischen Union und die finanziellen Verhältnisse seines Vater¬
landes überhaupt, mit großer Sachkenntniß bespricht. Er macht u. A. auf
°le Thatsache aufmerksam, daß eine möglichst schnelle Abzahlung der öffent¬
lichen Schulden eine traditionelle Politik der Vereinigten Staaten sei und daß
letztere in diesem Punkte von keinem anderen Volke übertroffen würden. Trotz¬
dem kann er nicht leugnen, daß der Credit der Vereinigten Staaten, obschon
diese ihre Schulden prompt und sicher abzuzahlen bemüht sind, im Allgemei¬
nen kein zu günstiger ist. Die Frage, warum der Credit der nordamerikani¬
schen Union nicht höher ist, als er es in der That ist, warum er nicht höher
'se, als der Credit der anderen Nationen, von denen doch keine in der Re-
duction der Nationalschulden den Verein. Staaten gleichkommt, beantwortet
Me. Culloch dahin, daß die Einzelstaaten der großen transatlantischen


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[0073] Die finanziellen und Kirchenpolitischen Zustände in den Gereinigten Staaten. Von or. Rud. Doehn. In der nordamerikanischen Union finden im Oktober d. I. ver¬ schiedene Staatswahlen statt, auf deren Ausfall man aus mehr als einem Grunde sehr gespannt sein darf. Es kommen nämlich dabei verschiedene Fra¬ gen zur Entscheidung, die nicht nur auf die Entwickelung einzelner Bundes¬ staaten, sondern auf das Wohl und Wehe der ganzen Union den größten Einfluß ausüben. Zu diesen Fragen gehören vor Allem, abgesehen von der Zoll- und Steuerfrage, die Geldfrage und die Kirchen frage. Bei aller- ^rschiedenheit der Verhältnisse in Europa und Amerika kommen doch diessiit ^le jenseit des atlantischen Oceans gegenwärtig in der staatlichen Entwicke lung der einzelnen Länder nahezu dieselben Cardinalfragen zur Lösung, selbst¬ verständlich modificirt durch die besonderen Zustände aus den Gebieten der Schule, der Kirche, des Staates und der Gesellschaft. Es ist dies ein neuer beweis für die Gemeinsamkeit der Interessen, wodurch die civilisirten Völker, Mancher widerstreitender Elemente, mit einander verbunden sind. ^s ist unsere Absicht, in Nachstehendem die finanziellen und die kirch¬ lichen Zustände in den Vereinigten Staaten etwas näher zu beleuchten. Der frühere Finanzsekretär der Verein. Staaten, Hugh M c. Culloch, ^ sich seit längerer Zeit in England aufhält und von dort aus zeitweise den europäischen Continent bereist, gilt in finanziellen Dingen^ in mancher Hinsicht als eine Autorität. Me. Culloch veröffentlicht nun seit Kurzem von ondon aus in der weitverbreiteten, einflußreichen „New-Uork Tribune" eine ^else von Briefen, in denen er die Nationalschulden, den öffentlichen Credit °er nordamerikanischen Union und die finanziellen Verhältnisse seines Vater¬ landes überhaupt, mit großer Sachkenntniß bespricht. Er macht u. A. auf °le Thatsache aufmerksam, daß eine möglichst schnelle Abzahlung der öffent¬ lichen Schulden eine traditionelle Politik der Vereinigten Staaten sei und daß letztere in diesem Punkte von keinem anderen Volke übertroffen würden. Trotz¬ dem kann er nicht leugnen, daß der Credit der Vereinigten Staaten, obschon diese ihre Schulden prompt und sicher abzuzahlen bemüht sind, im Allgemei¬ nen kein zu günstiger ist. Die Frage, warum der Credit der nordamerikani¬ schen Union nicht höher ist, als er es in der That ist, warum er nicht höher 'se, als der Credit der anderen Nationen, von denen doch keine in der Re- duction der Nationalschulden den Verein. Staaten gleichkommt, beantwortet Me. Culloch dahin, daß die Einzelstaaten der großen transatlantischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/73>, abgerufen am 22.07.2024.