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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Mit Januar beginnt diese Zeitschrift das I. Quartal ihres
35. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlunge" und Pvsi-
anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten. Die BerlagshaNdlung. Leipzig, im Dezember 1875.

Mmatien und die Orientalische Irage.

Seit Jahrhunderten ist man in Europa gewöhnt, von Zeit zu Zeit auf
den Lärm zu achten, welcher von der Türkei herüber schallt; nur daß sich
allmälig die Veranlassung zu diesem Lärm wesentlich geändert hat. Einst
hörte man sorgenvoll auf die Kunde von osmanischen Kriegszügen und harter
Türkennoth, jetzt sind die Türken selbst in Noth und Bedrängniß gerathen
und gar mancher vermeint, es ginge mit dem Reiche des Padischah zu Ende.
Viele Anzeichen sind vorhanden. welche gemeiniglich den Niedergang eines
Reiches begleiten und wenn seit dem Sommer der Kampf in der Herzegowina
nicht ruht und die stammverwandten Völker im Serbenlande und in den
Schwarzen Bergen nur unter dem Drucke des großmächtlichen Einflusses ihre
Kampfeslust zügelten und ihren von den Tataren ererbten Haß gegen den
Osmanli von kriegerischer That zurückhielten, so beweist dies doch schon zur Ge¬
nüge, daß es um die Zukunft der Pforte nicht wohlbestellt sei. Wenn dann
die Gläubiger derselben eines Tages mit der Ankündigung einer tief in
ihren Säckel einschneidenden Zinsenreduction, hinter welcher sich ein kleiner
Staatsbankerott verbirgt, überrascht wurden, so mußte dieser Ausdruck pein¬
licher Finanznoth um so mehr den Glauben an die Kraft und Fähigkeit der
Türkei zur glücklichen Lösung ihrer Wirren erschüttern. Wiederum richtet sich
der traurige Blick nach Osten und das Schicksal der zum Schauplatze künf¬
tiger Ereignisse bestimmten Länder gewinnt an Interesse; die Conjunctur
über die Umgestaltung jenes Theiles der europäischen Karte macht sich geltend
und man fragt nach Vergangenheit und Gegenwart derselben, um darüber
die Lineamente der Zukunft in Erwägung zu ziehen.

Das Ostgestade der Adria bietet ganz eigenthümliche Gestaltungen dar
und steht im engsten Zusammenhange mit den osmanischen Geschicken. Wäh¬
rend die Türken überall den Weg zur See sich öffneten und die Halbinsel des
Balkans in ihrer ganzen Breite vom Pontus Euxinus bis zu den Ufern des
ionischen Meeres und bis in das kroatische Bergland in Besitz nahmen, erhielt
sich ein langer schmaler Küstensaum von ihrer Herrschaft frei und kam nach


Grenzboten IV. 187S. 61

Mit Januar beginnt diese Zeitschrift das I. Quartal ihres
35. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlunge» und Pvsi-
anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 9 Mark. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten. Die BerlagshaNdlung. Leipzig, im Dezember 1875.

Mmatien und die Orientalische Irage.

Seit Jahrhunderten ist man in Europa gewöhnt, von Zeit zu Zeit auf
den Lärm zu achten, welcher von der Türkei herüber schallt; nur daß sich
allmälig die Veranlassung zu diesem Lärm wesentlich geändert hat. Einst
hörte man sorgenvoll auf die Kunde von osmanischen Kriegszügen und harter
Türkennoth, jetzt sind die Türken selbst in Noth und Bedrängniß gerathen
und gar mancher vermeint, es ginge mit dem Reiche des Padischah zu Ende.
Viele Anzeichen sind vorhanden. welche gemeiniglich den Niedergang eines
Reiches begleiten und wenn seit dem Sommer der Kampf in der Herzegowina
nicht ruht und die stammverwandten Völker im Serbenlande und in den
Schwarzen Bergen nur unter dem Drucke des großmächtlichen Einflusses ihre
Kampfeslust zügelten und ihren von den Tataren ererbten Haß gegen den
Osmanli von kriegerischer That zurückhielten, so beweist dies doch schon zur Ge¬
nüge, daß es um die Zukunft der Pforte nicht wohlbestellt sei. Wenn dann
die Gläubiger derselben eines Tages mit der Ankündigung einer tief in
ihren Säckel einschneidenden Zinsenreduction, hinter welcher sich ein kleiner
Staatsbankerott verbirgt, überrascht wurden, so mußte dieser Ausdruck pein¬
licher Finanznoth um so mehr den Glauben an die Kraft und Fähigkeit der
Türkei zur glücklichen Lösung ihrer Wirren erschüttern. Wiederum richtet sich
der traurige Blick nach Osten und das Schicksal der zum Schauplatze künf¬
tiger Ereignisse bestimmten Länder gewinnt an Interesse; die Conjunctur
über die Umgestaltung jenes Theiles der europäischen Karte macht sich geltend
und man fragt nach Vergangenheit und Gegenwart derselben, um darüber
die Lineamente der Zukunft in Erwägung zu ziehen.

Das Ostgestade der Adria bietet ganz eigenthümliche Gestaltungen dar
und steht im engsten Zusammenhange mit den osmanischen Geschicken. Wäh¬
rend die Türken überall den Weg zur See sich öffneten und die Halbinsel des
Balkans in ihrer ganzen Breite vom Pontus Euxinus bis zu den Ufern des
ionischen Meeres und bis in das kroatische Bergland in Besitz nahmen, erhielt
sich ein langer schmaler Küstensaum von ihrer Herrschaft frei und kam nach


Grenzboten IV. 187S. 61
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[0485] Mit Januar beginnt diese Zeitschrift das I. Quartal ihres 35. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlunge» und Pvsi- anstalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal 9 Mark. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Die BerlagshaNdlung. Leipzig, im Dezember 1875. Mmatien und die Orientalische Irage. Seit Jahrhunderten ist man in Europa gewöhnt, von Zeit zu Zeit auf den Lärm zu achten, welcher von der Türkei herüber schallt; nur daß sich allmälig die Veranlassung zu diesem Lärm wesentlich geändert hat. Einst hörte man sorgenvoll auf die Kunde von osmanischen Kriegszügen und harter Türkennoth, jetzt sind die Türken selbst in Noth und Bedrängniß gerathen und gar mancher vermeint, es ginge mit dem Reiche des Padischah zu Ende. Viele Anzeichen sind vorhanden. welche gemeiniglich den Niedergang eines Reiches begleiten und wenn seit dem Sommer der Kampf in der Herzegowina nicht ruht und die stammverwandten Völker im Serbenlande und in den Schwarzen Bergen nur unter dem Drucke des großmächtlichen Einflusses ihre Kampfeslust zügelten und ihren von den Tataren ererbten Haß gegen den Osmanli von kriegerischer That zurückhielten, so beweist dies doch schon zur Ge¬ nüge, daß es um die Zukunft der Pforte nicht wohlbestellt sei. Wenn dann die Gläubiger derselben eines Tages mit der Ankündigung einer tief in ihren Säckel einschneidenden Zinsenreduction, hinter welcher sich ein kleiner Staatsbankerott verbirgt, überrascht wurden, so mußte dieser Ausdruck pein¬ licher Finanznoth um so mehr den Glauben an die Kraft und Fähigkeit der Türkei zur glücklichen Lösung ihrer Wirren erschüttern. Wiederum richtet sich der traurige Blick nach Osten und das Schicksal der zum Schauplatze künf¬ tiger Ereignisse bestimmten Länder gewinnt an Interesse; die Conjunctur über die Umgestaltung jenes Theiles der europäischen Karte macht sich geltend und man fragt nach Vergangenheit und Gegenwart derselben, um darüber die Lineamente der Zukunft in Erwägung zu ziehen. Das Ostgestade der Adria bietet ganz eigenthümliche Gestaltungen dar und steht im engsten Zusammenhange mit den osmanischen Geschicken. Wäh¬ rend die Türken überall den Weg zur See sich öffneten und die Halbinsel des Balkans in ihrer ganzen Breite vom Pontus Euxinus bis zu den Ufern des ionischen Meeres und bis in das kroatische Bergland in Besitz nahmen, erhielt sich ein langer schmaler Küstensaum von ihrer Herrschaft frei und kam nach Grenzboten IV. 187S. 61

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/485>, abgerufen am 22.07.2024.