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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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"Irland wird sich nie wieder von einer andern Nation am Schweife fort¬
schleppen lassen".

Chor:

"Verkündige es droben in der Höhe, O'Toole!"


Eine Kritik dieser Salbaderei ist wohl nicht von Nöthen.





Ist das Elsaß ultramontan? -- Reichstagsverhandlungen und
Presse.

Der fortschrittliche Abgeordnete Duncker hat in einer der neulichen, für
das Reichsland und seine künftige Entwicklung so hochwichtigen Debatten im
deutschen Reichstage die Aeußerung gethan: "Das Elsaß ist niemals ultra¬
montan gewesen!" Und es ist's gottlob heute auch nicht, kann man getrosten
und freudigen Muthes hinzufügen. Sehr richtig ergänzte deshalb jener Ab¬
geordnete: wenn dies gegenwärtig anders zu sein scheine, so liege das ein¬
fach daran, daß die Verhältnisse sich zufällig so gestaltet haben, daß die Ultra-
montanen zugleich den Anschein der Vertheidigung der Landesgrenzen und der
Unabhängigkeit gegen die Regierungsgewalt angenommen haben. Dies ist
in der That die zutreffendste Antwort auf die befremdliche Frage, warum
denn das Reichsland im deutschen Reichstage fast ausnahmslos durch klerikale
Abgeordnete vertreten sei. Denn die "Protestler" kommen ja hier, oder in
irgend einer Frage, welche das Reichsland betrifft, durchweg nicht mehr in
Betracht. Sie sind einfach nicht in der Welt, weder für den Reichstag, noch
für die Regierung, noch endlich für ihre Landsleute.

Und da ist es nun charakteristisch für die augenblicklichen Zustände hüben
und drüben, daß sich bis heute eine eigentlich elsässisch - patriotische Partei,
wie man das anfangs wohl erwarten mochte, im Reichstage noch nicht ge¬
bildet hat. Diejenigen elsässischen Abgeordneten, welche überhaupt in den
Sitzungen erscheinen, haben sich von vornherein ausschließlich dem Centrum
angeschlossen, um nicht zu sagen, mit Leib und Seele verkauft. Sie werden
folgerecht als solche von ihren protestirenden Kameraden in Wort und Schrift
verleugnet. Sie streiten als Centrumsmänner in erster Linie "pro xaxa" --
erZo contra reZvum und fühlen sich, wie es scheint, außerordentlich, als
Steuerleute im "Schifflein Petri" . hinter ihren befähigteren und geschulteren
College" aus dem alten Reich figuriren zu können. Die engern Landes-


„Irland wird sich nie wieder von einer andern Nation am Schweife fort¬
schleppen lassen".

Chor:

„Verkündige es droben in der Höhe, O'Toole!"


Eine Kritik dieser Salbaderei ist wohl nicht von Nöthen.





Ist das Elsaß ultramontan? — Reichstagsverhandlungen und
Presse.

Der fortschrittliche Abgeordnete Duncker hat in einer der neulichen, für
das Reichsland und seine künftige Entwicklung so hochwichtigen Debatten im
deutschen Reichstage die Aeußerung gethan: „Das Elsaß ist niemals ultra¬
montan gewesen!" Und es ist's gottlob heute auch nicht, kann man getrosten
und freudigen Muthes hinzufügen. Sehr richtig ergänzte deshalb jener Ab¬
geordnete: wenn dies gegenwärtig anders zu sein scheine, so liege das ein¬
fach daran, daß die Verhältnisse sich zufällig so gestaltet haben, daß die Ultra-
montanen zugleich den Anschein der Vertheidigung der Landesgrenzen und der
Unabhängigkeit gegen die Regierungsgewalt angenommen haben. Dies ist
in der That die zutreffendste Antwort auf die befremdliche Frage, warum
denn das Reichsland im deutschen Reichstage fast ausnahmslos durch klerikale
Abgeordnete vertreten sei. Denn die „Protestler" kommen ja hier, oder in
irgend einer Frage, welche das Reichsland betrifft, durchweg nicht mehr in
Betracht. Sie sind einfach nicht in der Welt, weder für den Reichstag, noch
für die Regierung, noch endlich für ihre Landsleute.

Und da ist es nun charakteristisch für die augenblicklichen Zustände hüben
und drüben, daß sich bis heute eine eigentlich elsässisch - patriotische Partei,
wie man das anfangs wohl erwarten mochte, im Reichstage noch nicht ge¬
bildet hat. Diejenigen elsässischen Abgeordneten, welche überhaupt in den
Sitzungen erscheinen, haben sich von vornherein ausschließlich dem Centrum
angeschlossen, um nicht zu sagen, mit Leib und Seele verkauft. Sie werden
folgerecht als solche von ihren protestirenden Kameraden in Wort und Schrift
verleugnet. Sie streiten als Centrumsmänner in erster Linie „pro xaxa" —
erZo contra reZvum und fühlen sich, wie es scheint, außerordentlich, als
Steuerleute im „Schifflein Petri" . hinter ihren befähigteren und geschulteren
College» aus dem alten Reich figuriren zu können. Die engern Landes-


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[0431] „Irland wird sich nie wieder von einer andern Nation am Schweife fort¬ schleppen lassen". Chor: „Verkündige es droben in der Höhe, O'Toole!" Eine Kritik dieser Salbaderei ist wohl nicht von Nöthen. Ist das Elsaß ultramontan? — Reichstagsverhandlungen und Presse. Der fortschrittliche Abgeordnete Duncker hat in einer der neulichen, für das Reichsland und seine künftige Entwicklung so hochwichtigen Debatten im deutschen Reichstage die Aeußerung gethan: „Das Elsaß ist niemals ultra¬ montan gewesen!" Und es ist's gottlob heute auch nicht, kann man getrosten und freudigen Muthes hinzufügen. Sehr richtig ergänzte deshalb jener Ab¬ geordnete: wenn dies gegenwärtig anders zu sein scheine, so liege das ein¬ fach daran, daß die Verhältnisse sich zufällig so gestaltet haben, daß die Ultra- montanen zugleich den Anschein der Vertheidigung der Landesgrenzen und der Unabhängigkeit gegen die Regierungsgewalt angenommen haben. Dies ist in der That die zutreffendste Antwort auf die befremdliche Frage, warum denn das Reichsland im deutschen Reichstage fast ausnahmslos durch klerikale Abgeordnete vertreten sei. Denn die „Protestler" kommen ja hier, oder in irgend einer Frage, welche das Reichsland betrifft, durchweg nicht mehr in Betracht. Sie sind einfach nicht in der Welt, weder für den Reichstag, noch für die Regierung, noch endlich für ihre Landsleute. Und da ist es nun charakteristisch für die augenblicklichen Zustände hüben und drüben, daß sich bis heute eine eigentlich elsässisch - patriotische Partei, wie man das anfangs wohl erwarten mochte, im Reichstage noch nicht ge¬ bildet hat. Diejenigen elsässischen Abgeordneten, welche überhaupt in den Sitzungen erscheinen, haben sich von vornherein ausschließlich dem Centrum angeschlossen, um nicht zu sagen, mit Leib und Seele verkauft. Sie werden folgerecht als solche von ihren protestirenden Kameraden in Wort und Schrift verleugnet. Sie streiten als Centrumsmänner in erster Linie „pro xaxa" — erZo contra reZvum und fühlen sich, wie es scheint, außerordentlich, als Steuerleute im „Schifflein Petri" . hinter ihren befähigteren und geschulteren College» aus dem alten Reich figuriren zu können. Die engern Landes-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/431>, abgerufen am 22.07.2024.