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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Der Jaik Suszcynski.
(Der Priestercölibat und das Altkatholikengcsetz.)
Von Prof. Dr. Eduard Koellner. I.

Der Inhaber der Pfründe Mogilno, der Decan, Probst und Canonicus
Sylvester Suszcynski ist vor einiger Zeit zur altkatholischen Kirchen-Gemein¬
schaft übergetreten und hat sich kurz darauf verheirathet, sowohl bürgerlich
vor dem Civilstands-Amte in Königsberg als kirchlich durch eine von einem
altkatholischen Pfarrer in der Schweiz vollzogene Trauung.

Es ist damit eine Frage auf die Tagesordnung der Zeitinteresfen gesetzt
worden, welche nicht sobald wieder verschwinden, und je wichtigere Interessen,
berechtigte wie unberechtigte, dadurch berührt werden, oder vielmehr unmit¬
telbar bedingt sind, sicher an Wichtigkeit gewinnen wird.

Factisch ist freilich der Fall Suszcynski von den preußischen Behörden
bereits fo entschieden und geordnet worden, daß der königliche Verwalter des
Diöcesan-Vermögens Landrath Nollau den Kirchenvorstand zu Mogilno an¬
gewiesen hat, dem Probst Suszcynski das volle Pfarreinkommen weiter zu
zahlen, und daß ein Protest des Kirchenvorstandes nur die Folge gehabt hat,
daß derselbe aufs neue zur Auszahlung angewiesen wurde, und zugleich der
Kreis-Landrath den Auftrag erhielt, dieser Forderung allenfalls durch Execu-
tion Nachdruck zu geben.

Aber damit ist die Erörterung der Rechtsfrage nicht überflüssig geworden,
da diese, wie sich nach den verschiedenen Standpunkten und Interessen er¬
warten läßt, verschieden beurtheilt wird.*)

Daß die ultramontane Seite den Schutz des Probstes Suszcynski so
ungehörig und ungerecht findet, als das ganze Altkatholiken-Gesetz, kann nicht
weiter befremden, aber es sind auch Urtheile in solchen Blättern und von



') Oeffentlichen Nachrichten zufolge gedenkt der Kirchenvorstand eben jetzt die Frage zur
""tscheidung vor dem Gerichte zu bringen.
Grenzboten IV. 1875. 51
Der Jaik Suszcynski.
(Der Priestercölibat und das Altkatholikengcsetz.)
Von Prof. Dr. Eduard Koellner. I.

Der Inhaber der Pfründe Mogilno, der Decan, Probst und Canonicus
Sylvester Suszcynski ist vor einiger Zeit zur altkatholischen Kirchen-Gemein¬
schaft übergetreten und hat sich kurz darauf verheirathet, sowohl bürgerlich
vor dem Civilstands-Amte in Königsberg als kirchlich durch eine von einem
altkatholischen Pfarrer in der Schweiz vollzogene Trauung.

Es ist damit eine Frage auf die Tagesordnung der Zeitinteresfen gesetzt
worden, welche nicht sobald wieder verschwinden, und je wichtigere Interessen,
berechtigte wie unberechtigte, dadurch berührt werden, oder vielmehr unmit¬
telbar bedingt sind, sicher an Wichtigkeit gewinnen wird.

Factisch ist freilich der Fall Suszcynski von den preußischen Behörden
bereits fo entschieden und geordnet worden, daß der königliche Verwalter des
Diöcesan-Vermögens Landrath Nollau den Kirchenvorstand zu Mogilno an¬
gewiesen hat, dem Probst Suszcynski das volle Pfarreinkommen weiter zu
zahlen, und daß ein Protest des Kirchenvorstandes nur die Folge gehabt hat,
daß derselbe aufs neue zur Auszahlung angewiesen wurde, und zugleich der
Kreis-Landrath den Auftrag erhielt, dieser Forderung allenfalls durch Execu-
tion Nachdruck zu geben.

Aber damit ist die Erörterung der Rechtsfrage nicht überflüssig geworden,
da diese, wie sich nach den verschiedenen Standpunkten und Interessen er¬
warten läßt, verschieden beurtheilt wird.*)

Daß die ultramontane Seite den Schutz des Probstes Suszcynski so
ungehörig und ungerecht findet, als das ganze Altkatholiken-Gesetz, kann nicht
weiter befremden, aber es sind auch Urtheile in solchen Blättern und von



') Oeffentlichen Nachrichten zufolge gedenkt der Kirchenvorstand eben jetzt die Frage zur
«"tscheidung vor dem Gerichte zu bringen.
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[0405] Der Jaik Suszcynski. (Der Priestercölibat und das Altkatholikengcsetz.) Von Prof. Dr. Eduard Koellner. I. Der Inhaber der Pfründe Mogilno, der Decan, Probst und Canonicus Sylvester Suszcynski ist vor einiger Zeit zur altkatholischen Kirchen-Gemein¬ schaft übergetreten und hat sich kurz darauf verheirathet, sowohl bürgerlich vor dem Civilstands-Amte in Königsberg als kirchlich durch eine von einem altkatholischen Pfarrer in der Schweiz vollzogene Trauung. Es ist damit eine Frage auf die Tagesordnung der Zeitinteresfen gesetzt worden, welche nicht sobald wieder verschwinden, und je wichtigere Interessen, berechtigte wie unberechtigte, dadurch berührt werden, oder vielmehr unmit¬ telbar bedingt sind, sicher an Wichtigkeit gewinnen wird. Factisch ist freilich der Fall Suszcynski von den preußischen Behörden bereits fo entschieden und geordnet worden, daß der königliche Verwalter des Diöcesan-Vermögens Landrath Nollau den Kirchenvorstand zu Mogilno an¬ gewiesen hat, dem Probst Suszcynski das volle Pfarreinkommen weiter zu zahlen, und daß ein Protest des Kirchenvorstandes nur die Folge gehabt hat, daß derselbe aufs neue zur Auszahlung angewiesen wurde, und zugleich der Kreis-Landrath den Auftrag erhielt, dieser Forderung allenfalls durch Execu- tion Nachdruck zu geben. Aber damit ist die Erörterung der Rechtsfrage nicht überflüssig geworden, da diese, wie sich nach den verschiedenen Standpunkten und Interessen er¬ warten läßt, verschieden beurtheilt wird.*) Daß die ultramontane Seite den Schutz des Probstes Suszcynski so ungehörig und ungerecht findet, als das ganze Altkatholiken-Gesetz, kann nicht weiter befremden, aber es sind auch Urtheile in solchen Blättern und von ') Oeffentlichen Nachrichten zufolge gedenkt der Kirchenvorstand eben jetzt die Frage zur «"tscheidung vor dem Gerichte zu bringen. Grenzboten IV. 1875. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/405>, abgerufen am 22.07.2024.