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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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der Sendung Pick's zu überzeugen, und als beides mißlang, brach der Prophet
nach den Gebirgen südöstlich vom Todten Meer auf, wie Einige wissen wollten,
um mit dort sich aufhaltenden Engeln Rücksprache über sein weiteres Ver¬
halten zu nehmen, nach andern Berichten aber, um den Beduinen als dem
"Volke Moab" seine Lehre vorzutragen. Dort ist er verschwunden und ver¬
schollen. Wahrscheinlich schlugen ihn die Räuber des Jordanthales todt.
Vielleicht ist er, von diesen Unholden ausgeplündert, in irgend einem Wüsten-
wadi verschmachtet. Seine Anhänger hofften, als ich in Jerusalem verweilte,
noch immer auf sein Wiederkommen.

An andern hierher gehörigen mehr oder minder wunderlichen Verirr-
ungen des gesunden Menschenverstandes, mehr oder minder prächtigen Seiten¬
stücken zu unserm Sabbathaj Zevi ist kein Mangel. Aber wir wollen, denk'
ich, das tausendjährige Reich und seine Bürger nunmehr bei Seite lassen, um
uns an etwas Greifbarerem und nützlicheren zu erfreuen, an dem ebenfalls
von vielen Guten lange ersehnten, endlich erstandenen deutschen Reiche, und
es nach Kräften stärken, ausbauen, und festwurzeln zu helfen, auf daß es
gleichermaßen tausend Jahre währe.




Wanetenmenschen.
1. Geschichtliches.

Die Frage, ob außer der Erde auch andere Himmelskörper und zunächst
die unseres Sonnensystems von menschenähnlichen Wesen bewohnt sind
oder sein können, scheint im Vergleich mit andern Fragen der Naturwissen¬
schaft eine untergeordnete, um nicht zu sagen, eine müssige zu sein. Dennoch
ist sie nicht selten, und zwar selbst von sehr achtbaren Gelehrten und Philo¬
sophen, aufgeworfen worden, und lange vor der Zeit, wo man sich über das
irdische Jammerthal und den unentfliehbaren Tod, dessen letztes Uebel, mit
einem "Leben auf besseren Sternen" zu trösten begann, hat man sie auf mehr
oder weniger überzeugende Gründe hin bejahen hören.

Abgesehen von der altägyptischen Priesterweisheit, die nach neueren Unter¬
suchungen von der Natur und den Gesetzen des gestirnten Himmels mehr
gekannt zu haben scheint, als man früher annahm, begegnen wir in den
mystischen Dichtungen, die dem Orpheus zugeschrieben wurden, bereits der Mei-


der Sendung Pick's zu überzeugen, und als beides mißlang, brach der Prophet
nach den Gebirgen südöstlich vom Todten Meer auf, wie Einige wissen wollten,
um mit dort sich aufhaltenden Engeln Rücksprache über sein weiteres Ver¬
halten zu nehmen, nach andern Berichten aber, um den Beduinen als dem
„Volke Moab" seine Lehre vorzutragen. Dort ist er verschwunden und ver¬
schollen. Wahrscheinlich schlugen ihn die Räuber des Jordanthales todt.
Vielleicht ist er, von diesen Unholden ausgeplündert, in irgend einem Wüsten-
wadi verschmachtet. Seine Anhänger hofften, als ich in Jerusalem verweilte,
noch immer auf sein Wiederkommen.

An andern hierher gehörigen mehr oder minder wunderlichen Verirr-
ungen des gesunden Menschenverstandes, mehr oder minder prächtigen Seiten¬
stücken zu unserm Sabbathaj Zevi ist kein Mangel. Aber wir wollen, denk'
ich, das tausendjährige Reich und seine Bürger nunmehr bei Seite lassen, um
uns an etwas Greifbarerem und nützlicheren zu erfreuen, an dem ebenfalls
von vielen Guten lange ersehnten, endlich erstandenen deutschen Reiche, und
es nach Kräften stärken, ausbauen, und festwurzeln zu helfen, auf daß es
gleichermaßen tausend Jahre währe.




Wanetenmenschen.
1. Geschichtliches.

Die Frage, ob außer der Erde auch andere Himmelskörper und zunächst
die unseres Sonnensystems von menschenähnlichen Wesen bewohnt sind
oder sein können, scheint im Vergleich mit andern Fragen der Naturwissen¬
schaft eine untergeordnete, um nicht zu sagen, eine müssige zu sein. Dennoch
ist sie nicht selten, und zwar selbst von sehr achtbaren Gelehrten und Philo¬
sophen, aufgeworfen worden, und lange vor der Zeit, wo man sich über das
irdische Jammerthal und den unentfliehbaren Tod, dessen letztes Uebel, mit
einem „Leben auf besseren Sternen" zu trösten begann, hat man sie auf mehr
oder weniger überzeugende Gründe hin bejahen hören.

Abgesehen von der altägyptischen Priesterweisheit, die nach neueren Unter¬
suchungen von der Natur und den Gesetzen des gestirnten Himmels mehr
gekannt zu haben scheint, als man früher annahm, begegnen wir in den
mystischen Dichtungen, die dem Orpheus zugeschrieben wurden, bereits der Mei-


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[0302] der Sendung Pick's zu überzeugen, und als beides mißlang, brach der Prophet nach den Gebirgen südöstlich vom Todten Meer auf, wie Einige wissen wollten, um mit dort sich aufhaltenden Engeln Rücksprache über sein weiteres Ver¬ halten zu nehmen, nach andern Berichten aber, um den Beduinen als dem „Volke Moab" seine Lehre vorzutragen. Dort ist er verschwunden und ver¬ schollen. Wahrscheinlich schlugen ihn die Räuber des Jordanthales todt. Vielleicht ist er, von diesen Unholden ausgeplündert, in irgend einem Wüsten- wadi verschmachtet. Seine Anhänger hofften, als ich in Jerusalem verweilte, noch immer auf sein Wiederkommen. An andern hierher gehörigen mehr oder minder wunderlichen Verirr- ungen des gesunden Menschenverstandes, mehr oder minder prächtigen Seiten¬ stücken zu unserm Sabbathaj Zevi ist kein Mangel. Aber wir wollen, denk' ich, das tausendjährige Reich und seine Bürger nunmehr bei Seite lassen, um uns an etwas Greifbarerem und nützlicheren zu erfreuen, an dem ebenfalls von vielen Guten lange ersehnten, endlich erstandenen deutschen Reiche, und es nach Kräften stärken, ausbauen, und festwurzeln zu helfen, auf daß es gleichermaßen tausend Jahre währe. Wanetenmenschen. 1. Geschichtliches. Die Frage, ob außer der Erde auch andere Himmelskörper und zunächst die unseres Sonnensystems von menschenähnlichen Wesen bewohnt sind oder sein können, scheint im Vergleich mit andern Fragen der Naturwissen¬ schaft eine untergeordnete, um nicht zu sagen, eine müssige zu sein. Dennoch ist sie nicht selten, und zwar selbst von sehr achtbaren Gelehrten und Philo¬ sophen, aufgeworfen worden, und lange vor der Zeit, wo man sich über das irdische Jammerthal und den unentfliehbaren Tod, dessen letztes Uebel, mit einem „Leben auf besseren Sternen" zu trösten begann, hat man sie auf mehr oder weniger überzeugende Gründe hin bejahen hören. Abgesehen von der altägyptischen Priesterweisheit, die nach neueren Unter¬ suchungen von der Natur und den Gesetzen des gestirnten Himmels mehr gekannt zu haben scheint, als man früher annahm, begegnen wir in den mystischen Dichtungen, die dem Orpheus zugeschrieben wurden, bereits der Mei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/302>, abgerufen am 22.07.2024.