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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Die Aauhütte.
in.
(Die Steinmetzzeichw, der Pollir, Ceremoniell, Technik, Studien und Pläne.)

Nachdem der Diener ausgelernt hat, erhält er vom Meister das Zeichen.
Halt -- hier wäre denn endlich die erste Andeutung eines freimaurerischen
Geheimbundes. Ja wenn es sich um ein geheimes Erkennungszeichen handelte!
aber es findet sich von alledem in den uns bekannten Statuten auch nicht die
geringste Spur. Es soll nicht bestritten werden, daß nicht aufgeschriebene
Ceremonien und Symbole dennoch bestanden haben könnten, indessen wäre
es doch wunderbar, wenn nicht hier und da eine Hinweisung auf Dinge zu fin¬
den wäre, die nicht im Buche niedergeschrieben sind. Ich bin der Meinung,
daß man der alten Bauhütte alles das, was sie zur Borlä uferin des moder¬
nen Freimaurerthums macht, angedichtet hat. Sie ist nichts weiter, als eine
Gesammtzunft von allgemein zünftigen Charakter mit deutlich ausgesprochenem
praktischem Zwecke. Nun giebt es ja symbolische An- und Umdeutungen in
der Lehrpoesie der Hütte, aber der Leser möge selbst entscheiden, ob hierbei
irgend etwas anderes gesagt wird, als was zum Handwerk gehört:


[Beginn Spaltensatz] Was in Steinkunst zu sehen ist,
Daß kein jrr noch Abweg ist,
Sonder schnurrende ein Linial
Durchzogen den Cirkel überall,
So findest Du Drey in viere stehn,
^ut also durch eins ins Centrum
gehn,
Auch wieder auß dem Centro in
Drey, [Spaltenumbruch] Durchdie vier imCirkel ganz frey.
Des Steinwerks Kunst und alle Ding
Zu forschen macht den Lehmen gring.
Ein Punkt der in das Cirkel geht
Der in Quadrat und Drey-angel steht,
Trefft ihr den Punkt, so habt ihr gar
Vnd kommt aus Noth Angst vnd Gefahr
Hiemit habt ihr die ganze Kunst
Versteht ihrs nit so ists vnibsonst. . .
[Ende Spaltensatz]

Das ist doch offenbar weder Kabbala noch Gnostik sondern ein etwas
dunkel ausgedrücktes Lehrstück praktischer Geometrie, wie es eben der Steinmetz
in seinen geometrischen Figuren nöthig hatte. Auch da, wo man über
Wahlen und Maße der Kirchenbauten symbolisirt, ist das Symbol nicht das
Primäre sondern das Secundäre. Man baut aus technischen, praktischen und
ästhetischen Gründen mit den oder den Zahlen und Maßen, und erfreut sich
daran hinterher bedeutungsvolle Gedanken hineinzudichten.

Das vorhin erwähnte Zeichen, welches der Lehrling erhält, ist nichts
Anderes als das allbekannte Steinmetz zeichen.

Auch über die Bedeutung dieses Zeichens sind überaus verschiedene Mei¬
nungen laut geworden; die Frage hat sich aber geklärt, und besonders seit
trefflichen Arbeit Homeyer's, "die Haus und Hofmarken" (Berlin 1870)


Die Aauhütte.
in.
(Die Steinmetzzeichw, der Pollir, Ceremoniell, Technik, Studien und Pläne.)

Nachdem der Diener ausgelernt hat, erhält er vom Meister das Zeichen.
Halt — hier wäre denn endlich die erste Andeutung eines freimaurerischen
Geheimbundes. Ja wenn es sich um ein geheimes Erkennungszeichen handelte!
aber es findet sich von alledem in den uns bekannten Statuten auch nicht die
geringste Spur. Es soll nicht bestritten werden, daß nicht aufgeschriebene
Ceremonien und Symbole dennoch bestanden haben könnten, indessen wäre
es doch wunderbar, wenn nicht hier und da eine Hinweisung auf Dinge zu fin¬
den wäre, die nicht im Buche niedergeschrieben sind. Ich bin der Meinung,
daß man der alten Bauhütte alles das, was sie zur Borlä uferin des moder¬
nen Freimaurerthums macht, angedichtet hat. Sie ist nichts weiter, als eine
Gesammtzunft von allgemein zünftigen Charakter mit deutlich ausgesprochenem
praktischem Zwecke. Nun giebt es ja symbolische An- und Umdeutungen in
der Lehrpoesie der Hütte, aber der Leser möge selbst entscheiden, ob hierbei
irgend etwas anderes gesagt wird, als was zum Handwerk gehört:


[Beginn Spaltensatz] Was in Steinkunst zu sehen ist,
Daß kein jrr noch Abweg ist,
Sonder schnurrende ein Linial
Durchzogen den Cirkel überall,
So findest Du Drey in viere stehn,
^ut also durch eins ins Centrum
gehn,
Auch wieder auß dem Centro in
Drey, [Spaltenumbruch] Durchdie vier imCirkel ganz frey.
Des Steinwerks Kunst und alle Ding
Zu forschen macht den Lehmen gring.
Ein Punkt der in das Cirkel geht
Der in Quadrat und Drey-angel steht,
Trefft ihr den Punkt, so habt ihr gar
Vnd kommt aus Noth Angst vnd Gefahr
Hiemit habt ihr die ganze Kunst
Versteht ihrs nit so ists vnibsonst. . .
[Ende Spaltensatz]

Das ist doch offenbar weder Kabbala noch Gnostik sondern ein etwas
dunkel ausgedrücktes Lehrstück praktischer Geometrie, wie es eben der Steinmetz
in seinen geometrischen Figuren nöthig hatte. Auch da, wo man über
Wahlen und Maße der Kirchenbauten symbolisirt, ist das Symbol nicht das
Primäre sondern das Secundäre. Man baut aus technischen, praktischen und
ästhetischen Gründen mit den oder den Zahlen und Maßen, und erfreut sich
daran hinterher bedeutungsvolle Gedanken hineinzudichten.

Das vorhin erwähnte Zeichen, welches der Lehrling erhält, ist nichts
Anderes als das allbekannte Steinmetz zeichen.

Auch über die Bedeutung dieses Zeichens sind überaus verschiedene Mei¬
nungen laut geworden; die Frage hat sich aber geklärt, und besonders seit
trefflichen Arbeit Homeyer's, „die Haus und Hofmarken" (Berlin 1870)


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[0185] Die Aauhütte. in. (Die Steinmetzzeichw, der Pollir, Ceremoniell, Technik, Studien und Pläne.) Nachdem der Diener ausgelernt hat, erhält er vom Meister das Zeichen. Halt — hier wäre denn endlich die erste Andeutung eines freimaurerischen Geheimbundes. Ja wenn es sich um ein geheimes Erkennungszeichen handelte! aber es findet sich von alledem in den uns bekannten Statuten auch nicht die geringste Spur. Es soll nicht bestritten werden, daß nicht aufgeschriebene Ceremonien und Symbole dennoch bestanden haben könnten, indessen wäre es doch wunderbar, wenn nicht hier und da eine Hinweisung auf Dinge zu fin¬ den wäre, die nicht im Buche niedergeschrieben sind. Ich bin der Meinung, daß man der alten Bauhütte alles das, was sie zur Borlä uferin des moder¬ nen Freimaurerthums macht, angedichtet hat. Sie ist nichts weiter, als eine Gesammtzunft von allgemein zünftigen Charakter mit deutlich ausgesprochenem praktischem Zwecke. Nun giebt es ja symbolische An- und Umdeutungen in der Lehrpoesie der Hütte, aber der Leser möge selbst entscheiden, ob hierbei irgend etwas anderes gesagt wird, als was zum Handwerk gehört: Was in Steinkunst zu sehen ist, Daß kein jrr noch Abweg ist, Sonder schnurrende ein Linial Durchzogen den Cirkel überall, So findest Du Drey in viere stehn, ^ut also durch eins ins Centrum gehn, Auch wieder auß dem Centro in Drey, Durchdie vier imCirkel ganz frey. Des Steinwerks Kunst und alle Ding Zu forschen macht den Lehmen gring. Ein Punkt der in das Cirkel geht Der in Quadrat und Drey-angel steht, Trefft ihr den Punkt, so habt ihr gar Vnd kommt aus Noth Angst vnd Gefahr Hiemit habt ihr die ganze Kunst Versteht ihrs nit so ists vnibsonst. . . Das ist doch offenbar weder Kabbala noch Gnostik sondern ein etwas dunkel ausgedrücktes Lehrstück praktischer Geometrie, wie es eben der Steinmetz in seinen geometrischen Figuren nöthig hatte. Auch da, wo man über Wahlen und Maße der Kirchenbauten symbolisirt, ist das Symbol nicht das Primäre sondern das Secundäre. Man baut aus technischen, praktischen und ästhetischen Gründen mit den oder den Zahlen und Maßen, und erfreut sich daran hinterher bedeutungsvolle Gedanken hineinzudichten. Das vorhin erwähnte Zeichen, welches der Lehrling erhält, ist nichts Anderes als das allbekannte Steinmetz zeichen. Auch über die Bedeutung dieses Zeichens sind überaus verschiedene Mei¬ nungen laut geworden; die Frage hat sich aber geklärt, und besonders seit trefflichen Arbeit Homeyer's, „die Haus und Hofmarken" (Berlin 1870)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/185>, abgerufen am 22.07.2024.