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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Edelsteinen besetzten Ketten der theuerwerthen (cul'iWinmL) stelln, der edlen
Tochter Sodos von Germar wegen der schlechten Gesinnung der gegenwär¬
tigen Menschen vergraben.

Ach es war eine böse Zeit, berüchtigt durch schmähliche Thaten, voll ver<
dorbener Sitten, und schändlicher Frevel.

Die Gnade Gottes sei mit dir!


F.

Amen.

Die beiden Klosterschüler entzifferten und lasen mit steigendem Interesse
die Urkunde und namentlich der Schluß derselben war geeignet, die jugend¬
lichen Gemüther in lebhafte Aufregung zu versetzen. Man folgte getreulich
den Winken, welche der treffliche Fahrenbruch in seinem lateinischen Wegweiser
zu den vergrabenen Schätzen giebt. Sorgfältige Nachgrabungen wurden an¬
gestellt an allen in der Handschrift bezeichneten Stellen,' allein sie blieben er¬
folglos. Eine einzige goldene Nadel war die ganze Ausbeute.

Dieser Mißerfolg rief in der Frau von Hausen, der Mutter des jungen
Herrn von Hausen, eine Erinnerung aus ihren Kinderjahren wach, welche
über den muthmaßlichen Verbleib der Schätze und Kleinodien einen ziemlich
sichern Anhalt geben kann. Es ging nämlich damals noch das mit großer
Bestimmtheit auftretende Gerücht im Orte, daß Mönche aus dem Augustiner¬
kloster zu Erfurt nach Gorsleben gekommen seien und sich eine Zeit lang bei
einer armen Bauernfamilie des Ortes aufgehalten hätten. Der Name der
Familie, deren Nachkommen noch jetzt dort wohnen, wurde mit großer Be¬
stimmtheit genannt.

Während der Anwesenheit der Mönche hätte man bei Nachtzeit oft Licht
in der Kirche bemerkt und es sei von den Mönchen der Glaube im Volk ge¬
nährt worden, es trieben Geister ihr Wesen in dem alten Gotteshause. Völlig
beglaubigt ist, daß die arme Familie,' welche die Mönche beherbergt hatte,
bald nach dem Weggange derselben zum großem Wohlstande gelangte. Es
liegt also die Vermuthung nahe, daß die Handschrift schon früher gefunden
und nach der Benutzung an dem Fundorte wieder niedergelegt worden ist.




Dom preußischen Landtag.

Das Hauptwerk dieser Woche ist in beiden Häusern des Landtags die
definitive Erledigung der Provinzialordnung gewesen. Wie der Leser sich
erinnert, hatte das Herrenhaus für die provinzielle Staatsverwaltung den
aus der Provinzialversammlung durch Wahl hervorgehenden Provinzialaus-


Edelsteinen besetzten Ketten der theuerwerthen (cul'iWinmL) stelln, der edlen
Tochter Sodos von Germar wegen der schlechten Gesinnung der gegenwär¬
tigen Menschen vergraben.

Ach es war eine böse Zeit, berüchtigt durch schmähliche Thaten, voll ver<
dorbener Sitten, und schändlicher Frevel.

Die Gnade Gottes sei mit dir!


F.

Amen.

Die beiden Klosterschüler entzifferten und lasen mit steigendem Interesse
die Urkunde und namentlich der Schluß derselben war geeignet, die jugend¬
lichen Gemüther in lebhafte Aufregung zu versetzen. Man folgte getreulich
den Winken, welche der treffliche Fahrenbruch in seinem lateinischen Wegweiser
zu den vergrabenen Schätzen giebt. Sorgfältige Nachgrabungen wurden an¬
gestellt an allen in der Handschrift bezeichneten Stellen,' allein sie blieben er¬
folglos. Eine einzige goldene Nadel war die ganze Ausbeute.

Dieser Mißerfolg rief in der Frau von Hausen, der Mutter des jungen
Herrn von Hausen, eine Erinnerung aus ihren Kinderjahren wach, welche
über den muthmaßlichen Verbleib der Schätze und Kleinodien einen ziemlich
sichern Anhalt geben kann. Es ging nämlich damals noch das mit großer
Bestimmtheit auftretende Gerücht im Orte, daß Mönche aus dem Augustiner¬
kloster zu Erfurt nach Gorsleben gekommen seien und sich eine Zeit lang bei
einer armen Bauernfamilie des Ortes aufgehalten hätten. Der Name der
Familie, deren Nachkommen noch jetzt dort wohnen, wurde mit großer Be¬
stimmtheit genannt.

Während der Anwesenheit der Mönche hätte man bei Nachtzeit oft Licht
in der Kirche bemerkt und es sei von den Mönchen der Glaube im Volk ge¬
nährt worden, es trieben Geister ihr Wesen in dem alten Gotteshause. Völlig
beglaubigt ist, daß die arme Familie,' welche die Mönche beherbergt hatte,
bald nach dem Weggange derselben zum großem Wohlstande gelangte. Es
liegt also die Vermuthung nahe, daß die Handschrift schon früher gefunden
und nach der Benutzung an dem Fundorte wieder niedergelegt worden ist.




Dom preußischen Landtag.

Das Hauptwerk dieser Woche ist in beiden Häusern des Landtags die
definitive Erledigung der Provinzialordnung gewesen. Wie der Leser sich
erinnert, hatte das Herrenhaus für die provinzielle Staatsverwaltung den
aus der Provinzialversammlung durch Wahl hervorgehenden Provinzialaus-


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[0481] Edelsteinen besetzten Ketten der theuerwerthen (cul'iWinmL) stelln, der edlen Tochter Sodos von Germar wegen der schlechten Gesinnung der gegenwär¬ tigen Menschen vergraben. Ach es war eine böse Zeit, berüchtigt durch schmähliche Thaten, voll ver< dorbener Sitten, und schändlicher Frevel. Die Gnade Gottes sei mit dir! F. Amen. Die beiden Klosterschüler entzifferten und lasen mit steigendem Interesse die Urkunde und namentlich der Schluß derselben war geeignet, die jugend¬ lichen Gemüther in lebhafte Aufregung zu versetzen. Man folgte getreulich den Winken, welche der treffliche Fahrenbruch in seinem lateinischen Wegweiser zu den vergrabenen Schätzen giebt. Sorgfältige Nachgrabungen wurden an¬ gestellt an allen in der Handschrift bezeichneten Stellen,' allein sie blieben er¬ folglos. Eine einzige goldene Nadel war die ganze Ausbeute. Dieser Mißerfolg rief in der Frau von Hausen, der Mutter des jungen Herrn von Hausen, eine Erinnerung aus ihren Kinderjahren wach, welche über den muthmaßlichen Verbleib der Schätze und Kleinodien einen ziemlich sichern Anhalt geben kann. Es ging nämlich damals noch das mit großer Bestimmtheit auftretende Gerücht im Orte, daß Mönche aus dem Augustiner¬ kloster zu Erfurt nach Gorsleben gekommen seien und sich eine Zeit lang bei einer armen Bauernfamilie des Ortes aufgehalten hätten. Der Name der Familie, deren Nachkommen noch jetzt dort wohnen, wurde mit großer Be¬ stimmtheit genannt. Während der Anwesenheit der Mönche hätte man bei Nachtzeit oft Licht in der Kirche bemerkt und es sei von den Mönchen der Glaube im Volk ge¬ nährt worden, es trieben Geister ihr Wesen in dem alten Gotteshause. Völlig beglaubigt ist, daß die arme Familie,' welche die Mönche beherbergt hatte, bald nach dem Weggange derselben zum großem Wohlstande gelangte. Es liegt also die Vermuthung nahe, daß die Handschrift schon früher gefunden und nach der Benutzung an dem Fundorte wieder niedergelegt worden ist. Dom preußischen Landtag. Das Hauptwerk dieser Woche ist in beiden Häusern des Landtags die definitive Erledigung der Provinzialordnung gewesen. Wie der Leser sich erinnert, hatte das Herrenhaus für die provinzielle Staatsverwaltung den aus der Provinzialversammlung durch Wahl hervorgehenden Provinzialaus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/481>, abgerufen am 05.02.2025.