Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ten, vornehmlich aus den Wein- und Obstgegenden, laufen tagtäglich die
günstigsten und hoffnungsfreudigsten Berichte über den Stand der Staaten
und die voraussichtlich reiche Ernte ein. Vornehmlich der Stand der Trauben
läßt nichts zu wünschen übrig und verspricht ein so herrliches Weinjahr, wie
wir es vielleicht seit einem halben Menschenalter nicht mehr erlebt haben.
Und das speziell ist für das Elsaß die Hauptsache. Gedeiht der Wein, dann
zieht damit auch die Zufriedenheit und die Behäbigkeit in die Hütten der
Bauern und in die Häuser der Städter.

Auch über den Stand der elsässischen Industrie, vornehmlich in der
Tuchbranche, lauten in jüngster Zeit die Berichte weit günstiger, als vor etwa
einem halben Jahre. Es scheint, daß in dieser Beziehung der Aufschwung,
den die gesammte Industrie schon vor einigen Monaten in Frankreich ge¬
nommen hat, auch auf das Grenzland einen vortheilhaften Einfluß ausübt.
Ueber die Hoffnungen der Zukunft spricht sich ein in der industriereichsten
Gegend des Elsasses erscheinendes Blatt am Schluß eines dahinbezüglichen
Artikels folgendermaßen aus: "Also steht eine glänzende Zukunft der elsässi-
schen Industrie, besonders derjenigen der gedruckten Stoffe bevor."


/n.


Vom preußischen Landtag.

Unsere Landtagsberichte haben in dieser Session die Thätigkeit des Herren¬
hauses bisher nur wenig verfolgt. Die wichtigeren Vorlagen der Session
kamen dort noch nicht zur Verhandlung. Jetzt aber folgen sich die Be¬
rathungen des Herrenhauses über die aus dem Abgeordnetenhaus kommenden
Vorlagen rasch. Am 20. Mai stand die Aufhebung der Artikel Is, 16 und
18 der Verfassungsurkunde zur ersten Berathung. Der conservative aber
nationale Herr, Graf Udo zu Stolberg - Wernigerode erklärte sich für die
Aufhebung, indem er trotz seiner positiv kirchlichen Gesinnung, die er betonte,
die Zwecklosigkeit der genannten Artikel für die evangelische Kirche und ihre
Schädlichkeit für den Staat gegenüber der römischen Kirche treffend hervorhob.
Die conservativen aber Partikularistischen Herren, Graf Lippe, v. Kleist-Retzow,
Graf Landsberg-Velen, sprachen gegen die Aufhebung, blieben jedoch bei
der Abstimmung in einer recht kleinen Minorität. Bemerkenswerth aus den
Aeußerungen der Oppositionsredner ist kaum etwas, es sei denn die Aeußerung
des bejahrten, ritterlichen, jedoch überaus verworrenen Herrn v. Kleist-Retzowl
der Kampf gegen Rom kann niemals unter einem Herzog geführt werden, der


ten, vornehmlich aus den Wein- und Obstgegenden, laufen tagtäglich die
günstigsten und hoffnungsfreudigsten Berichte über den Stand der Staaten
und die voraussichtlich reiche Ernte ein. Vornehmlich der Stand der Trauben
läßt nichts zu wünschen übrig und verspricht ein so herrliches Weinjahr, wie
wir es vielleicht seit einem halben Menschenalter nicht mehr erlebt haben.
Und das speziell ist für das Elsaß die Hauptsache. Gedeiht der Wein, dann
zieht damit auch die Zufriedenheit und die Behäbigkeit in die Hütten der
Bauern und in die Häuser der Städter.

Auch über den Stand der elsässischen Industrie, vornehmlich in der
Tuchbranche, lauten in jüngster Zeit die Berichte weit günstiger, als vor etwa
einem halben Jahre. Es scheint, daß in dieser Beziehung der Aufschwung,
den die gesammte Industrie schon vor einigen Monaten in Frankreich ge¬
nommen hat, auch auf das Grenzland einen vortheilhaften Einfluß ausübt.
Ueber die Hoffnungen der Zukunft spricht sich ein in der industriereichsten
Gegend des Elsasses erscheinendes Blatt am Schluß eines dahinbezüglichen
Artikels folgendermaßen aus: „Also steht eine glänzende Zukunft der elsässi-
schen Industrie, besonders derjenigen der gedruckten Stoffe bevor."


/n.


Vom preußischen Landtag.

Unsere Landtagsberichte haben in dieser Session die Thätigkeit des Herren¬
hauses bisher nur wenig verfolgt. Die wichtigeren Vorlagen der Session
kamen dort noch nicht zur Verhandlung. Jetzt aber folgen sich die Be¬
rathungen des Herrenhauses über die aus dem Abgeordnetenhaus kommenden
Vorlagen rasch. Am 20. Mai stand die Aufhebung der Artikel Is, 16 und
18 der Verfassungsurkunde zur ersten Berathung. Der conservative aber
nationale Herr, Graf Udo zu Stolberg - Wernigerode erklärte sich für die
Aufhebung, indem er trotz seiner positiv kirchlichen Gesinnung, die er betonte,
die Zwecklosigkeit der genannten Artikel für die evangelische Kirche und ihre
Schädlichkeit für den Staat gegenüber der römischen Kirche treffend hervorhob.
Die conservativen aber Partikularistischen Herren, Graf Lippe, v. Kleist-Retzow,
Graf Landsberg-Velen, sprachen gegen die Aufhebung, blieben jedoch bei
der Abstimmung in einer recht kleinen Minorität. Bemerkenswerth aus den
Aeußerungen der Oppositionsredner ist kaum etwas, es sei denn die Aeußerung
des bejahrten, ritterlichen, jedoch überaus verworrenen Herrn v. Kleist-Retzowl
der Kampf gegen Rom kann niemals unter einem Herzog geführt werden, der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0394" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133682"/>
          <p xml:id="ID_1255" prev="#ID_1254"> ten, vornehmlich aus den Wein- und Obstgegenden, laufen tagtäglich die<lb/>
günstigsten und hoffnungsfreudigsten Berichte über den Stand der Staaten<lb/>
und die voraussichtlich reiche Ernte ein. Vornehmlich der Stand der Trauben<lb/>
läßt nichts zu wünschen übrig und verspricht ein so herrliches Weinjahr, wie<lb/>
wir es vielleicht seit einem halben Menschenalter nicht mehr erlebt haben.<lb/>
Und das speziell ist für das Elsaß die Hauptsache. Gedeiht der Wein, dann<lb/>
zieht damit auch die Zufriedenheit und die Behäbigkeit in die Hütten der<lb/>
Bauern und in die Häuser der Städter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1256"> Auch über den Stand der elsässischen Industrie, vornehmlich in der<lb/>
Tuchbranche, lauten in jüngster Zeit die Berichte weit günstiger, als vor etwa<lb/>
einem halben Jahre. Es scheint, daß in dieser Beziehung der Aufschwung,<lb/>
den die gesammte Industrie schon vor einigen Monaten in Frankreich ge¬<lb/>
nommen hat, auch auf das Grenzland einen vortheilhaften Einfluß ausübt.<lb/>
Ueber die Hoffnungen der Zukunft spricht sich ein in der industriereichsten<lb/>
Gegend des Elsasses erscheinendes Blatt am Schluß eines dahinbezüglichen<lb/>
Artikels folgendermaßen aus: &#x201E;Also steht eine glänzende Zukunft der elsässi-<lb/>
schen Industrie, besonders derjenigen der gedruckten Stoffe bevor."</p><lb/>
          <note type="byline"> /n.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Vom preußischen Landtag.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1257" next="#ID_1258"> Unsere Landtagsberichte haben in dieser Session die Thätigkeit des Herren¬<lb/>
hauses bisher nur wenig verfolgt. Die wichtigeren Vorlagen der Session<lb/>
kamen dort noch nicht zur Verhandlung. Jetzt aber folgen sich die Be¬<lb/>
rathungen des Herrenhauses über die aus dem Abgeordnetenhaus kommenden<lb/>
Vorlagen rasch. Am 20. Mai stand die Aufhebung der Artikel Is, 16 und<lb/>
18 der Verfassungsurkunde zur ersten Berathung. Der conservative aber<lb/>
nationale Herr, Graf Udo zu Stolberg - Wernigerode erklärte sich für die<lb/>
Aufhebung, indem er trotz seiner positiv kirchlichen Gesinnung, die er betonte,<lb/>
die Zwecklosigkeit der genannten Artikel für die evangelische Kirche und ihre<lb/>
Schädlichkeit für den Staat gegenüber der römischen Kirche treffend hervorhob.<lb/>
Die conservativen aber Partikularistischen Herren, Graf Lippe, v. Kleist-Retzow,<lb/>
Graf Landsberg-Velen, sprachen gegen die Aufhebung, blieben jedoch bei<lb/>
der Abstimmung in einer recht kleinen Minorität. Bemerkenswerth aus den<lb/>
Aeußerungen der Oppositionsredner ist kaum etwas, es sei denn die Aeußerung<lb/>
des bejahrten, ritterlichen, jedoch überaus verworrenen Herrn v. Kleist-Retzowl<lb/>
der Kampf gegen Rom kann niemals unter einem Herzog geführt werden, der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0394] ten, vornehmlich aus den Wein- und Obstgegenden, laufen tagtäglich die günstigsten und hoffnungsfreudigsten Berichte über den Stand der Staaten und die voraussichtlich reiche Ernte ein. Vornehmlich der Stand der Trauben läßt nichts zu wünschen übrig und verspricht ein so herrliches Weinjahr, wie wir es vielleicht seit einem halben Menschenalter nicht mehr erlebt haben. Und das speziell ist für das Elsaß die Hauptsache. Gedeiht der Wein, dann zieht damit auch die Zufriedenheit und die Behäbigkeit in die Hütten der Bauern und in die Häuser der Städter. Auch über den Stand der elsässischen Industrie, vornehmlich in der Tuchbranche, lauten in jüngster Zeit die Berichte weit günstiger, als vor etwa einem halben Jahre. Es scheint, daß in dieser Beziehung der Aufschwung, den die gesammte Industrie schon vor einigen Monaten in Frankreich ge¬ nommen hat, auch auf das Grenzland einen vortheilhaften Einfluß ausübt. Ueber die Hoffnungen der Zukunft spricht sich ein in der industriereichsten Gegend des Elsasses erscheinendes Blatt am Schluß eines dahinbezüglichen Artikels folgendermaßen aus: „Also steht eine glänzende Zukunft der elsässi- schen Industrie, besonders derjenigen der gedruckten Stoffe bevor." /n. Vom preußischen Landtag. Unsere Landtagsberichte haben in dieser Session die Thätigkeit des Herren¬ hauses bisher nur wenig verfolgt. Die wichtigeren Vorlagen der Session kamen dort noch nicht zur Verhandlung. Jetzt aber folgen sich die Be¬ rathungen des Herrenhauses über die aus dem Abgeordnetenhaus kommenden Vorlagen rasch. Am 20. Mai stand die Aufhebung der Artikel Is, 16 und 18 der Verfassungsurkunde zur ersten Berathung. Der conservative aber nationale Herr, Graf Udo zu Stolberg - Wernigerode erklärte sich für die Aufhebung, indem er trotz seiner positiv kirchlichen Gesinnung, die er betonte, die Zwecklosigkeit der genannten Artikel für die evangelische Kirche und ihre Schädlichkeit für den Staat gegenüber der römischen Kirche treffend hervorhob. Die conservativen aber Partikularistischen Herren, Graf Lippe, v. Kleist-Retzow, Graf Landsberg-Velen, sprachen gegen die Aufhebung, blieben jedoch bei der Abstimmung in einer recht kleinen Minorität. Bemerkenswerth aus den Aeußerungen der Oppositionsredner ist kaum etwas, es sei denn die Aeußerung des bejahrten, ritterlichen, jedoch überaus verworrenen Herrn v. Kleist-Retzowl der Kampf gegen Rom kann niemals unter einem Herzog geführt werden, der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/394
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/394>, abgerufen am 05.02.2025.