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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Geistes und Gemüthslebens -- das ist die Mitgift, welche Amerika von den
eingewanderten Deutschen zu erwarten berechtigt ist. und deren Einwirkung
der nüchterne, einseitig praktische Genius Amerikas zu seiner Ergänzung
bedarf. --

Unsre Leser werden aus dem Bericht über diesen Vortrag erkannt haben,
wie klar und besonnen der Versasser über amerikanische Verhältnisse zu ur¬
theilen weiß. Er zeigt überhaupt einen scharfen und unbefangenen Blick in
der Beobachtung und Charakteristik. Wir scheiden daher mit aufrichtigem
Dank von der Lektüre vorliegender Schrift.


H. Jacoby-


Hfenljeim-Amur.

Der Augenblick naht heran, wo die Verhandlung des Arnim'schen Pro¬
cesses in zweiter Instanz ihren Anfang nehmen soll und das berühmte Kam¬
mergericht eine ernste Aufgabe zu lösen hat.

So verschieden an sich die beiden eausss e6Ikbrv8 gewesen, welche in
Deutschland und Oesterreich die öffentliche Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem
Grade gefesselt: der Fall Arnim und der Fall Ofen heim bieten doch
manche Analogien. Den beiden Ländern machten sie sich in gleich schmerz¬
licher und nachtheiliger Weise fühlbar. Beide Processe geben noch für lange
Zeit zu denken: wegen der Lebensverhältnisse, die davon berührt worden,
wegen der interessanten Persönlichkeiten, die auf der Anklagebank gesessen,
wegen der in Betracht kommenden Rechtsgrundsätze uno deren Anwendung.

In bevorzugten Regionen der Gesellschaft befand sich der Schauplatz der
beiden Processe: innerhalb der preußischen Aristokratie und Diplomatie der
eine, der andre im Mittelpunkte der österreichischen Plutokratie und Gro߬
industrie.

Im Arnim'schen Fall ein Mann von unstreitig glänzenden Gaben, der
rasch Carriere gemacht, gleichsam spielend zu bedeutender Stellung gelangt,
wohl dazu angethan, sich einen Namen in der Geschichte seines Landes, in
den Annalen des neuen Reiches zu machen, -- der aber nie die Herrschaft
über sich selbst besessen, zügellos in Neigungen, Einfällen, Projecten, Leiden¬
schaften, von unde egoistischen Ehrgeiz erfüllt, der in Aufwallung und Verstim¬
mung und bewegt von noch andern Motiven mit den Traditionen seines
höchst verantwortlichen Amtes bricht.-----

Im Osenheim'schen Fall ein Mann von gleichfalls brillanten Fähigkeiten,


Geistes und Gemüthslebens — das ist die Mitgift, welche Amerika von den
eingewanderten Deutschen zu erwarten berechtigt ist. und deren Einwirkung
der nüchterne, einseitig praktische Genius Amerikas zu seiner Ergänzung
bedarf. —

Unsre Leser werden aus dem Bericht über diesen Vortrag erkannt haben,
wie klar und besonnen der Versasser über amerikanische Verhältnisse zu ur¬
theilen weiß. Er zeigt überhaupt einen scharfen und unbefangenen Blick in
der Beobachtung und Charakteristik. Wir scheiden daher mit aufrichtigem
Dank von der Lektüre vorliegender Schrift.


H. Jacoby-


Hfenljeim-Amur.

Der Augenblick naht heran, wo die Verhandlung des Arnim'schen Pro¬
cesses in zweiter Instanz ihren Anfang nehmen soll und das berühmte Kam¬
mergericht eine ernste Aufgabe zu lösen hat.

So verschieden an sich die beiden eausss e6Ikbrv8 gewesen, welche in
Deutschland und Oesterreich die öffentliche Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem
Grade gefesselt: der Fall Arnim und der Fall Ofen heim bieten doch
manche Analogien. Den beiden Ländern machten sie sich in gleich schmerz¬
licher und nachtheiliger Weise fühlbar. Beide Processe geben noch für lange
Zeit zu denken: wegen der Lebensverhältnisse, die davon berührt worden,
wegen der interessanten Persönlichkeiten, die auf der Anklagebank gesessen,
wegen der in Betracht kommenden Rechtsgrundsätze uno deren Anwendung.

In bevorzugten Regionen der Gesellschaft befand sich der Schauplatz der
beiden Processe: innerhalb der preußischen Aristokratie und Diplomatie der
eine, der andre im Mittelpunkte der österreichischen Plutokratie und Gro߬
industrie.

Im Arnim'schen Fall ein Mann von unstreitig glänzenden Gaben, der
rasch Carriere gemacht, gleichsam spielend zu bedeutender Stellung gelangt,
wohl dazu angethan, sich einen Namen in der Geschichte seines Landes, in
den Annalen des neuen Reiches zu machen, — der aber nie die Herrschaft
über sich selbst besessen, zügellos in Neigungen, Einfällen, Projecten, Leiden¬
schaften, von unde egoistischen Ehrgeiz erfüllt, der in Aufwallung und Verstim¬
mung und bewegt von noch andern Motiven mit den Traditionen seines
höchst verantwortlichen Amtes bricht.-----

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[0276] Geistes und Gemüthslebens — das ist die Mitgift, welche Amerika von den eingewanderten Deutschen zu erwarten berechtigt ist. und deren Einwirkung der nüchterne, einseitig praktische Genius Amerikas zu seiner Ergänzung bedarf. — Unsre Leser werden aus dem Bericht über diesen Vortrag erkannt haben, wie klar und besonnen der Versasser über amerikanische Verhältnisse zu ur¬ theilen weiß. Er zeigt überhaupt einen scharfen und unbefangenen Blick in der Beobachtung und Charakteristik. Wir scheiden daher mit aufrichtigem Dank von der Lektüre vorliegender Schrift. H. Jacoby- Hfenljeim-Amur. Der Augenblick naht heran, wo die Verhandlung des Arnim'schen Pro¬ cesses in zweiter Instanz ihren Anfang nehmen soll und das berühmte Kam¬ mergericht eine ernste Aufgabe zu lösen hat. So verschieden an sich die beiden eausss e6Ikbrv8 gewesen, welche in Deutschland und Oesterreich die öffentliche Aufmerksamkeit in ungewöhnlichem Grade gefesselt: der Fall Arnim und der Fall Ofen heim bieten doch manche Analogien. Den beiden Ländern machten sie sich in gleich schmerz¬ licher und nachtheiliger Weise fühlbar. Beide Processe geben noch für lange Zeit zu denken: wegen der Lebensverhältnisse, die davon berührt worden, wegen der interessanten Persönlichkeiten, die auf der Anklagebank gesessen, wegen der in Betracht kommenden Rechtsgrundsätze uno deren Anwendung. In bevorzugten Regionen der Gesellschaft befand sich der Schauplatz der beiden Processe: innerhalb der preußischen Aristokratie und Diplomatie der eine, der andre im Mittelpunkte der österreichischen Plutokratie und Gro߬ industrie. Im Arnim'schen Fall ein Mann von unstreitig glänzenden Gaben, der rasch Carriere gemacht, gleichsam spielend zu bedeutender Stellung gelangt, wohl dazu angethan, sich einen Namen in der Geschichte seines Landes, in den Annalen des neuen Reiches zu machen, — der aber nie die Herrschaft über sich selbst besessen, zügellos in Neigungen, Einfällen, Projecten, Leiden¬ schaften, von unde egoistischen Ehrgeiz erfüllt, der in Aufwallung und Verstim¬ mung und bewegt von noch andern Motiven mit den Traditionen seines höchst verantwortlichen Amtes bricht.----- Im Osenheim'schen Fall ein Mann von gleichfalls brillanten Fähigkeiten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/276>, abgerufen am 05.02.2025.