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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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besoienst, er hält ihm das Schwert, in das der Feldherr stürzt. Als die
Triumvirn herantreten, lebt Brutus seine letzten Augenblicke und spricht:
Wer für die Freiheit seines Vaterlands
Unglücklich kämpft, trägt einen schönern Kranz,
Als sieggekrönt ein glücklicher Tyrann. --

Und Antonius überwindet die Rohheit seiner Natur, indem er vor dem ent¬
seelten Brutus die Worte spricht:
[Beginn Spaltensatz] Es hielt von Bosheit und von schnöder Selbst-
sucht
Der Gute da stets seine Seele rein,
[Spaltenumbruch]
Rein wie der Perser seine Flüsse hält,
Worin er nicht einmal die Hände wäscht:
Sie rauschen himmlisch klar >von Berg zu Thal.
[Ende Spaltensatz]
Der Streit der Sieger über die Art des Begräbnisses und die Renom-
mage des Antonius, daß ihm allein der Sieg zu danken sei, entlassen den
Leser beim Fallen des Vorhangs mit der Ahnung, daß auch der Friede und
die Einheit der "glücklichen Tyrannen" nicht von Dauer sein werde.
Das ist kurz der Inhalt des "Brutus" von Heinrich Kruse. Man sieht,
daß die Charaktere mit derselben Eigenartigkeit gezeichnet sind, wie die Com-
position geschaffen wurde. Die Sprache ist überall von größter Reinheit und
Schönheit; sie gleicht, .wie schon Lindau mit Recht hervorhob, der Sprache
Goethe's. Auch scheint uns das Drama keineswegs zu den Buchdramen
zu gehören. Der Versuch, die Tragödie zur Aufführung zu bringen, würde
gewiß nicht ungünstig ausfallen und weite Kreise auf diese neueste Schöpfung
des fruchtbaren patriotischen Dichters lenken, die jeder Leser und Hörer ge¬
hobenen Herzens genießen wird.



Die große Lohnumwäl'zung in England.
Von Max.Wirth.

Wir haben kürzlich das Fehlschlagen der Bemühungen der ländlichen
Arbeiter in England geschildert, durch welche dieselben eine Verbesserung ihrer
Lage mittels gemeinsamen Zusammenhaltens zu erringen hofften. Wir haben
gezeigt, daß sie ihre Niederlage hauptsächlich dem Umstände beizumessen hatten,
daß sie ihren Plan zu unrechter Zeit auszuführen versucht haben und deshalb
noch immer der Vortheile entbehren müssen, welche sich ihre Genossen in der
Industrie bereits während des letzten halben Jahrhunderts in verschiedenen
Perioden durch gemeinsames Handeln zu erringen verstanden haben.
Besonders die Jahre 1871 bis 1873 waren es, während welcher die Arbeiter
besonders in den Zweigen der Großindustrie Englands mit Hilfe der allge¬
meinen Ausbreitung und der eentralistrten Leitung der Gewerkvereine (tradoK-
unionn) sowie der energischen Veranstaltung massenhafter Aufstände (strikt)


Grenzboten II. 187S. 33

besoienst, er hält ihm das Schwert, in das der Feldherr stürzt. Als die
Triumvirn herantreten, lebt Brutus seine letzten Augenblicke und spricht:
Wer für die Freiheit seines Vaterlands
Unglücklich kämpft, trägt einen schönern Kranz,
Als sieggekrönt ein glücklicher Tyrann. —

Und Antonius überwindet die Rohheit seiner Natur, indem er vor dem ent¬
seelten Brutus die Worte spricht:
[Beginn Spaltensatz] Es hielt von Bosheit und von schnöder Selbst-
sucht
Der Gute da stets seine Seele rein,
[Spaltenumbruch]
Rein wie der Perser seine Flüsse hält,
Worin er nicht einmal die Hände wäscht:
Sie rauschen himmlisch klar >von Berg zu Thal.
[Ende Spaltensatz]
Der Streit der Sieger über die Art des Begräbnisses und die Renom-
mage des Antonius, daß ihm allein der Sieg zu danken sei, entlassen den
Leser beim Fallen des Vorhangs mit der Ahnung, daß auch der Friede und
die Einheit der „glücklichen Tyrannen" nicht von Dauer sein werde.
Das ist kurz der Inhalt des „Brutus" von Heinrich Kruse. Man sieht,
daß die Charaktere mit derselben Eigenartigkeit gezeichnet sind, wie die Com-
position geschaffen wurde. Die Sprache ist überall von größter Reinheit und
Schönheit; sie gleicht, .wie schon Lindau mit Recht hervorhob, der Sprache
Goethe's. Auch scheint uns das Drama keineswegs zu den Buchdramen
zu gehören. Der Versuch, die Tragödie zur Aufführung zu bringen, würde
gewiß nicht ungünstig ausfallen und weite Kreise auf diese neueste Schöpfung
des fruchtbaren patriotischen Dichters lenken, die jeder Leser und Hörer ge¬
hobenen Herzens genießen wird.



Die große Lohnumwäl'zung in England.
Von Max.Wirth.

Wir haben kürzlich das Fehlschlagen der Bemühungen der ländlichen
Arbeiter in England geschildert, durch welche dieselben eine Verbesserung ihrer
Lage mittels gemeinsamen Zusammenhaltens zu erringen hofften. Wir haben
gezeigt, daß sie ihre Niederlage hauptsächlich dem Umstände beizumessen hatten,
daß sie ihren Plan zu unrechter Zeit auszuführen versucht haben und deshalb
noch immer der Vortheile entbehren müssen, welche sich ihre Genossen in der
Industrie bereits während des letzten halben Jahrhunderts in verschiedenen
Perioden durch gemeinsames Handeln zu erringen verstanden haben.
Besonders die Jahre 1871 bis 1873 waren es, während welcher die Arbeiter
besonders in den Zweigen der Großindustrie Englands mit Hilfe der allge¬
meinen Ausbreitung und der eentralistrten Leitung der Gewerkvereine (tradoK-
unionn) sowie der energischen Veranstaltung massenhafter Aufstände (strikt)


Grenzboten II. 187S. 33
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/261>, abgerufen am 05.02.2025.