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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Wesentliche ihres Seins und Wollens zum Bewußtsein zu bringen. Der Fürst
setzte hinzu, daß die Einbehaltung der Staatsdotation dem Clerus eine viel
zu geringe Summe entzieht, als daß die Maßregel materiell auf den Kampf
einwirken könne. Moralisch aber sei es unerläßlich, den Grundsatz auszustellen,
daß der Staat seine Feinde nicht zu subventioniren hat.

Dieselbe Sitzung vom 18. März gab unmittelbar nach der Rede des
Reichskanzlers dem Abgeordneten Gneist wieder Gelegenheit zu einer seiner
Glanzreden. Diese Reden nehmen in der deutschen parlamentarischen Bered¬
samkeit vielleicht die erste Stelle ein, und sie sind Etwas, das in den Parla¬
menten anderer Nationen vermöge der Verschiedenheit der nationalen Bildung
nicht vorkommen kann. Wir haben schon öfter bemerkt, daß, wenn es sich um
die Auffindung der nächsten praktischen Mittel handelt, um die Wahl unter
verschiedenen vorliegenden Wegen, Gneist nicht der sichere Führer ist. Aber er
ist immer groß, wenn es sich darum handelt, die Fragen der Gegenwart aus
ihren historischen Hintergrund zu stellen. Diesmal führte er aus, daß das Ver¬
langen, die Kirche sich selbst zu überlassen, seit dem Eintritt der Kirchenspaltung
des 16. Jahrhunderts in Deutschland, wo diese Spaltung sich vollzogen, nichts
anderes als die Erneuerung der Religionskriege und die Zerreißung der
Nation bedeute. Was die Ultramontanen und Orthodoxen Staatsomnipotenz,
Cäsaropapismus u. s. w. nennen, das ist nichts anderes als die Rettung der
nationalen und geistigen Gemeinschaft jedes Volkes, vor allen aber des deut¬
schen Volkes durch den Staat gegen die Zerreißung mittelst der confessionellen
Ausschließlichkeit. Gneist hat Aehnliches schon gesagt, aber noch niemals in
so großartiger Ausführung wie diesmal. Möchte es nur endlich allgemein
beherzigt und verstanden werden, daß der Staat sich der Leitung der Kirche
nicht unterwerfen, ebensowenig aber auch die Kirche auf seinem Boden sich
selbst überlassen kann, weil der zweite Weg auf den ersten zurückführt.

Die dritte Lesung des Gesetzes wird nach den Osterferien stattfinden.

Am 20. März hat sich das Haus bis zum 6. April vertagt.


e --r.




Verantwortlicher Nedccktem: Ur. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hervig in Leipzig. -- Druck von Hiithcl 6 Hermann in Leipzig.

Mit Heft 14 beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
34. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post"
anftalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 7 Mark 50 Pfennige.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1873. Die Verlagshandlung.

Wesentliche ihres Seins und Wollens zum Bewußtsein zu bringen. Der Fürst
setzte hinzu, daß die Einbehaltung der Staatsdotation dem Clerus eine viel
zu geringe Summe entzieht, als daß die Maßregel materiell auf den Kampf
einwirken könne. Moralisch aber sei es unerläßlich, den Grundsatz auszustellen,
daß der Staat seine Feinde nicht zu subventioniren hat.

Dieselbe Sitzung vom 18. März gab unmittelbar nach der Rede des
Reichskanzlers dem Abgeordneten Gneist wieder Gelegenheit zu einer seiner
Glanzreden. Diese Reden nehmen in der deutschen parlamentarischen Bered¬
samkeit vielleicht die erste Stelle ein, und sie sind Etwas, das in den Parla¬
menten anderer Nationen vermöge der Verschiedenheit der nationalen Bildung
nicht vorkommen kann. Wir haben schon öfter bemerkt, daß, wenn es sich um
die Auffindung der nächsten praktischen Mittel handelt, um die Wahl unter
verschiedenen vorliegenden Wegen, Gneist nicht der sichere Führer ist. Aber er
ist immer groß, wenn es sich darum handelt, die Fragen der Gegenwart aus
ihren historischen Hintergrund zu stellen. Diesmal führte er aus, daß das Ver¬
langen, die Kirche sich selbst zu überlassen, seit dem Eintritt der Kirchenspaltung
des 16. Jahrhunderts in Deutschland, wo diese Spaltung sich vollzogen, nichts
anderes als die Erneuerung der Religionskriege und die Zerreißung der
Nation bedeute. Was die Ultramontanen und Orthodoxen Staatsomnipotenz,
Cäsaropapismus u. s. w. nennen, das ist nichts anderes als die Rettung der
nationalen und geistigen Gemeinschaft jedes Volkes, vor allen aber des deut¬
schen Volkes durch den Staat gegen die Zerreißung mittelst der confessionellen
Ausschließlichkeit. Gneist hat Aehnliches schon gesagt, aber noch niemals in
so großartiger Ausführung wie diesmal. Möchte es nur endlich allgemein
beherzigt und verstanden werden, daß der Staat sich der Leitung der Kirche
nicht unterwerfen, ebensowenig aber auch die Kirche auf seinem Boden sich
selbst überlassen kann, weil der zweite Weg auf den ersten zurückführt.

Die dritte Lesung des Gesetzes wird nach den Osterferien stattfinden.

Am 20. März hat sich das Haus bis zum 6. April vertagt.


e —r.




Verantwortlicher Nedccktem: Ur. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Hervig in Leipzig. — Druck von Hiithcl 6 Hermann in Leipzig.

Mit Heft 14 beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres
34. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post«
anftalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro
Quartal 7 Mark 50 Pfennige.
Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften,
Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung
derselben freundlichst gebeten.
Leipzig, im März 1873. Die Verlagshandlung.

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[0528] Wesentliche ihres Seins und Wollens zum Bewußtsein zu bringen. Der Fürst setzte hinzu, daß die Einbehaltung der Staatsdotation dem Clerus eine viel zu geringe Summe entzieht, als daß die Maßregel materiell auf den Kampf einwirken könne. Moralisch aber sei es unerläßlich, den Grundsatz auszustellen, daß der Staat seine Feinde nicht zu subventioniren hat. Dieselbe Sitzung vom 18. März gab unmittelbar nach der Rede des Reichskanzlers dem Abgeordneten Gneist wieder Gelegenheit zu einer seiner Glanzreden. Diese Reden nehmen in der deutschen parlamentarischen Bered¬ samkeit vielleicht die erste Stelle ein, und sie sind Etwas, das in den Parla¬ menten anderer Nationen vermöge der Verschiedenheit der nationalen Bildung nicht vorkommen kann. Wir haben schon öfter bemerkt, daß, wenn es sich um die Auffindung der nächsten praktischen Mittel handelt, um die Wahl unter verschiedenen vorliegenden Wegen, Gneist nicht der sichere Führer ist. Aber er ist immer groß, wenn es sich darum handelt, die Fragen der Gegenwart aus ihren historischen Hintergrund zu stellen. Diesmal führte er aus, daß das Ver¬ langen, die Kirche sich selbst zu überlassen, seit dem Eintritt der Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts in Deutschland, wo diese Spaltung sich vollzogen, nichts anderes als die Erneuerung der Religionskriege und die Zerreißung der Nation bedeute. Was die Ultramontanen und Orthodoxen Staatsomnipotenz, Cäsaropapismus u. s. w. nennen, das ist nichts anderes als die Rettung der nationalen und geistigen Gemeinschaft jedes Volkes, vor allen aber des deut¬ schen Volkes durch den Staat gegen die Zerreißung mittelst der confessionellen Ausschließlichkeit. Gneist hat Aehnliches schon gesagt, aber noch niemals in so großartiger Ausführung wie diesmal. Möchte es nur endlich allgemein beherzigt und verstanden werden, daß der Staat sich der Leitung der Kirche nicht unterwerfen, ebensowenig aber auch die Kirche auf seinem Boden sich selbst überlassen kann, weil der zweite Weg auf den ersten zurückführt. Die dritte Lesung des Gesetzes wird nach den Osterferien stattfinden. Am 20. März hat sich das Haus bis zum 6. April vertagt. e —r. Verantwortlicher Nedccktem: Ur. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Hervig in Leipzig. — Druck von Hiithcl 6 Hermann in Leipzig. Mit Heft 14 beginnt diese Zeitschrift das II. Quartal ihres 34. Jahrgangs, welches durch alle Buchhandlungen und Post« anftalten des In- und Auslandes zu beziehen ist. Preis pro Quartal 7 Mark 50 Pfennige. Privatpersonen, gesellige Vereine, Lesegesellschaften, Kaffeehäuser und Conditoreien werden um gefällige Berücksichtigung derselben freundlichst gebeten. Leipzig, im März 1873. Die Verlagshandlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/528>, abgerufen am 29.06.2024.