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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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den grade im Schwang stehenden Dogmen der Naturforscher soll sie nicht
blindlings folgen, sondern es ist ihre Pflicht sie zu prüfen und zu berichtigen.
Der Materialismus ist ein solches Dogma. Weil er zur Erklärung der
Wirklichkeit nicht ausreicht, lassen wir der Materie und ihrem Mechanismus
sein Recht, und verlangen das gleiche für die idealen Prinzipien, für die
Seele und die sittliche Weltordnung.


M. Carriere.


Zur Aeform unserer öffentlichen IMotljeKen.
ii.

Wir haben in einem ersten Artikel (Grenzboten Ur. 10)*) die Einrich¬
tungen unserer öffentlichen Bibliotheken ins Auge gefaßt und zu zeigen gesucht,
daß und wie dieselben reformbedürftig und einer übereinstimmenden Neuge¬
staltung entgegenzuführen seien. Die wesentlichste Vorbedingung der geforderten
Neugestaltung ist nun aber das Bibliothekpersonal. Es möge daher ver¬
gönnt sein, auch von dieser Seite her der Sache näher zu treten.

Es ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß es den deutschen Biblio¬
theken im Durchschnitt an einem ausreichenden Stamme tüchtig geschulter
Bibliothekare gebricht, und daß vorzugsweise auf diesen Umstand die meisten
Mißgriffe zurückzuführen sind, welche man in der Einrichtung der Bibliotheken
gemacht hat. Nur selten geschieht es, daß sich Jemand aus Neigung und
innerem Beruf der bibliothekarischen Laufbahn widmet. Man ist gewohnt,
das Bibliothekamt als einen Durchgangspunkt für angehende Docenten oder
als Nothhafen für solche zu betrachten, die nach absolvirtem Universitäts¬
studium in ihrem Berufe Schiffbruch gelitten haben. Besondere Befähigung
wird für den Zutritt zum Bibliothekamt nicht erfordert. Auch fehlt es
meistens an Gelegenheit zu gehöriger praktischer Durchbildung des Bibliothek¬
personals, da die wenigsten Bibliotheken nach der Art ihrer Einrichtung den
in dieser Rücksicht zu stellenden Anforderungen genügen.

Unter solchen Umständen hat man mit Recht die Frage aufgeworfen,
durch welche Mittel die nothwendige technische Vorbildung der Bibliothek¬
beamten zu erzielen, und welche Garantien zu beschaffen seien, daß nur ge-



") In diesem Artikel find ein paar störende Druckfehler zu berichtigen. S. 17l! muß es
statt "Real- oder Fach-Kataloge" heißen: "Real- oder S a es - Kataloge" und S. -'!77 "Ka¬
talogen" statt "Kategorien".

den grade im Schwang stehenden Dogmen der Naturforscher soll sie nicht
blindlings folgen, sondern es ist ihre Pflicht sie zu prüfen und zu berichtigen.
Der Materialismus ist ein solches Dogma. Weil er zur Erklärung der
Wirklichkeit nicht ausreicht, lassen wir der Materie und ihrem Mechanismus
sein Recht, und verlangen das gleiche für die idealen Prinzipien, für die
Seele und die sittliche Weltordnung.


M. Carriere.


Zur Aeform unserer öffentlichen IMotljeKen.
ii.

Wir haben in einem ersten Artikel (Grenzboten Ur. 10)*) die Einrich¬
tungen unserer öffentlichen Bibliotheken ins Auge gefaßt und zu zeigen gesucht,
daß und wie dieselben reformbedürftig und einer übereinstimmenden Neuge¬
staltung entgegenzuführen seien. Die wesentlichste Vorbedingung der geforderten
Neugestaltung ist nun aber das Bibliothekpersonal. Es möge daher ver¬
gönnt sein, auch von dieser Seite her der Sache näher zu treten.

Es ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß es den deutschen Biblio¬
theken im Durchschnitt an einem ausreichenden Stamme tüchtig geschulter
Bibliothekare gebricht, und daß vorzugsweise auf diesen Umstand die meisten
Mißgriffe zurückzuführen sind, welche man in der Einrichtung der Bibliotheken
gemacht hat. Nur selten geschieht es, daß sich Jemand aus Neigung und
innerem Beruf der bibliothekarischen Laufbahn widmet. Man ist gewohnt,
das Bibliothekamt als einen Durchgangspunkt für angehende Docenten oder
als Nothhafen für solche zu betrachten, die nach absolvirtem Universitäts¬
studium in ihrem Berufe Schiffbruch gelitten haben. Besondere Befähigung
wird für den Zutritt zum Bibliothekamt nicht erfordert. Auch fehlt es
meistens an Gelegenheit zu gehöriger praktischer Durchbildung des Bibliothek¬
personals, da die wenigsten Bibliotheken nach der Art ihrer Einrichtung den
in dieser Rücksicht zu stellenden Anforderungen genügen.

Unter solchen Umständen hat man mit Recht die Frage aufgeworfen,
durch welche Mittel die nothwendige technische Vorbildung der Bibliothek¬
beamten zu erzielen, und welche Garantien zu beschaffen seien, daß nur ge-



") In diesem Artikel find ein paar störende Druckfehler zu berichtigen. S. 17l! muß es
statt „Real- oder Fach-Kataloge" heißen: „Real- oder S a es - Kataloge" und S. -'!77 „Ka¬
talogen" statt „Kategorien".
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[0464] den grade im Schwang stehenden Dogmen der Naturforscher soll sie nicht blindlings folgen, sondern es ist ihre Pflicht sie zu prüfen und zu berichtigen. Der Materialismus ist ein solches Dogma. Weil er zur Erklärung der Wirklichkeit nicht ausreicht, lassen wir der Materie und ihrem Mechanismus sein Recht, und verlangen das gleiche für die idealen Prinzipien, für die Seele und die sittliche Weltordnung. M. Carriere. Zur Aeform unserer öffentlichen IMotljeKen. ii. Wir haben in einem ersten Artikel (Grenzboten Ur. 10)*) die Einrich¬ tungen unserer öffentlichen Bibliotheken ins Auge gefaßt und zu zeigen gesucht, daß und wie dieselben reformbedürftig und einer übereinstimmenden Neuge¬ staltung entgegenzuführen seien. Die wesentlichste Vorbedingung der geforderten Neugestaltung ist nun aber das Bibliothekpersonal. Es möge daher ver¬ gönnt sein, auch von dieser Seite her der Sache näher zu treten. Es ist eine nicht wegzuleugnende Thatsache, daß es den deutschen Biblio¬ theken im Durchschnitt an einem ausreichenden Stamme tüchtig geschulter Bibliothekare gebricht, und daß vorzugsweise auf diesen Umstand die meisten Mißgriffe zurückzuführen sind, welche man in der Einrichtung der Bibliotheken gemacht hat. Nur selten geschieht es, daß sich Jemand aus Neigung und innerem Beruf der bibliothekarischen Laufbahn widmet. Man ist gewohnt, das Bibliothekamt als einen Durchgangspunkt für angehende Docenten oder als Nothhafen für solche zu betrachten, die nach absolvirtem Universitäts¬ studium in ihrem Berufe Schiffbruch gelitten haben. Besondere Befähigung wird für den Zutritt zum Bibliothekamt nicht erfordert. Auch fehlt es meistens an Gelegenheit zu gehöriger praktischer Durchbildung des Bibliothek¬ personals, da die wenigsten Bibliotheken nach der Art ihrer Einrichtung den in dieser Rücksicht zu stellenden Anforderungen genügen. Unter solchen Umständen hat man mit Recht die Frage aufgeworfen, durch welche Mittel die nothwendige technische Vorbildung der Bibliothek¬ beamten zu erzielen, und welche Garantien zu beschaffen seien, daß nur ge- ") In diesem Artikel find ein paar störende Druckfehler zu berichtigen. S. 17l! muß es statt „Real- oder Fach-Kataloge" heißen: „Real- oder S a es - Kataloge" und S. -'!77 „Ka¬ talogen" statt „Kategorien".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/464>, abgerufen am 29.06.2024.