Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.theilweisen Eingreifen die Verantwortung der Disharmonie und ungenügender Briefe aus der Aaiserftadt. Die Wintersaison, wenn auch die Eisblume am Fenster zu zerrinnenden theilweisen Eingreifen die Verantwortung der Disharmonie und ungenügender Briefe aus der Aaiserftadt. Die Wintersaison, wenn auch die Eisblume am Fenster zu zerrinnenden <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133162"/> <p xml:id="ID_1428" prev="#ID_1427"> theilweisen Eingreifen die Verantwortung der Disharmonie und ungenügender<lb/> Erfolge zu tragen, und zwar ausschließlich zu tragen, wie es unvermeidlich<lb/> ist, so lange der Name des Fürsten an der Spitze des Reichs und Preußens<lb/> steht. Die Frage mußte gestellt werden; über den Ausgang aber ist bis heute<lb/><note type="byline"> <ü—r.</note> jede Vermuthung unzulässig. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Briefe aus der Aaiserftadt.</head><lb/> <p xml:id="ID_1429" next="#ID_1430"> Die Wintersaison, wenn auch die Eisblume am Fenster zu zerrinnenden<lb/> Pflanzen werden zu wollen scheinen, neigt sich ihrem Ende zu. In auswär¬<lb/> tigen Blättern liest man wahrhaft schaurige Dinge von dem dermaligen<lb/> traurigen Zustande des Berliner gesellschaftlichen Lebens: die „Volkslokale"<lb/> sind verödet, die Restaurants, in denen der Mittelstand sich zu erholen pflegt,<lb/> fristen ein kümmerliches Dasein, und auch die Etablissements, die der höheren<lb/> Gesellschaft zum Sammelpunkt dienen, leiden an der Schwindsucht — kurz,<lb/> es liegt eine Art Leichentuch über ganz Berlin ausgebreitet. So schlimm ist<lb/> es nun freilich nicht. Wer sich das Vergnügen machen will, an einem Sonn¬<lb/> tagabend die Wirthschaftsräume der „Neichshallen" oder eine der renommirten<lb/> Weißbierkneipen zu besuchen, wird sich überzeugen, daß das Gewühl nicht<lb/> geringer und die Luft nicht besser ist, als ehedem; und wer nach dem Theater<lb/> in irgend einem der anerkannt guten Restaurants höheren Ranges zu soupiren<lb/> gewohnt ist, muß, wenn er einen erträglichen Platz haben will, seine Schritte<lb/> heutzutage ebenso beschleunigen, wie vor zwei, drei Jahren — der Unterschied<lb/> ist nur, daß die ganze Physiognomie der Gesellschaft an Widerlichkeit beträcht¬<lb/> lich verloren hat. Im Allgemeinen ist der Ausdruck der Geschäftsstockung<lb/> freilich nicht hinwegzubringen; doch entzieht sich die letztere so sehr einer wirk¬<lb/> lich exacten Beobachtung, daß die betreffenden Urtheile auf Zuverlässigkeit und<lb/> generelle Gültigkeit keinen Anspruch machen können. Symptome, wie das<lb/> Verschwinden der Gummiräder, das Nichtzustandekommen des zweiten Sub-<lb/> scriptionsballes wegen Mangels an Betheiligung, die schlechten Geschäfte ge¬<lb/> wisser Gründerunternehmungen, und — um auch dies nicht zu vergessen —<lb/> die merkliche Reduction der äemi-mouäg, berechtigen schwerlich zu der Be¬<lb/> fürchtung, daß wir einem verhängnißvollen Abgrunde entgegentreiben. Mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0402]
theilweisen Eingreifen die Verantwortung der Disharmonie und ungenügender
Erfolge zu tragen, und zwar ausschließlich zu tragen, wie es unvermeidlich
ist, so lange der Name des Fürsten an der Spitze des Reichs und Preußens
steht. Die Frage mußte gestellt werden; über den Ausgang aber ist bis heute
<ü—r. jede Vermuthung unzulässig.
Briefe aus der Aaiserftadt.
Die Wintersaison, wenn auch die Eisblume am Fenster zu zerrinnenden
Pflanzen werden zu wollen scheinen, neigt sich ihrem Ende zu. In auswär¬
tigen Blättern liest man wahrhaft schaurige Dinge von dem dermaligen
traurigen Zustande des Berliner gesellschaftlichen Lebens: die „Volkslokale"
sind verödet, die Restaurants, in denen der Mittelstand sich zu erholen pflegt,
fristen ein kümmerliches Dasein, und auch die Etablissements, die der höheren
Gesellschaft zum Sammelpunkt dienen, leiden an der Schwindsucht — kurz,
es liegt eine Art Leichentuch über ganz Berlin ausgebreitet. So schlimm ist
es nun freilich nicht. Wer sich das Vergnügen machen will, an einem Sonn¬
tagabend die Wirthschaftsräume der „Neichshallen" oder eine der renommirten
Weißbierkneipen zu besuchen, wird sich überzeugen, daß das Gewühl nicht
geringer und die Luft nicht besser ist, als ehedem; und wer nach dem Theater
in irgend einem der anerkannt guten Restaurants höheren Ranges zu soupiren
gewohnt ist, muß, wenn er einen erträglichen Platz haben will, seine Schritte
heutzutage ebenso beschleunigen, wie vor zwei, drei Jahren — der Unterschied
ist nur, daß die ganze Physiognomie der Gesellschaft an Widerlichkeit beträcht¬
lich verloren hat. Im Allgemeinen ist der Ausdruck der Geschäftsstockung
freilich nicht hinwegzubringen; doch entzieht sich die letztere so sehr einer wirk¬
lich exacten Beobachtung, daß die betreffenden Urtheile auf Zuverlässigkeit und
generelle Gültigkeit keinen Anspruch machen können. Symptome, wie das
Verschwinden der Gummiräder, das Nichtzustandekommen des zweiten Sub-
scriptionsballes wegen Mangels an Betheiligung, die schlechten Geschäfte ge¬
wisser Gründerunternehmungen, und — um auch dies nicht zu vergessen —
die merkliche Reduction der äemi-mouäg, berechtigen schwerlich zu der Be¬
fürchtung, daß wir einem verhängnißvollen Abgrunde entgegentreiben. Mit
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