Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.Der Theologen-Mangel. Ursachen und Hülfen. II. Von Professor Dr. Eduard Köllner Blickt man in unsere Zeit, so erkennt man. daß eine förmliche Krisis Grenzlwtc" I. 1875. ?K
Der Theologen-Mangel. Ursachen und Hülfen. II. Von Professor Dr. Eduard Köllner Blickt man in unsere Zeit, so erkennt man. daß eine förmliche Krisis Grenzlwtc» I. 1875. ?K
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Der Theologen-Mangel.
Ursachen und Hülfen.
II. Von Professor Dr. Eduard Köllner
Blickt man in unsere Zeit, so erkennt man. daß eine förmliche Krisis
nicht allein des kirchlichen Lebens, sondern der christlichen Weltanschauung,
oder auch der Auffassung des Christenthums selbst (wir sagen wohlbedacht
„der Auffassung des Christenthums". — denn das wahre Christenthum selbst
ist natürlich immer dasselbe und wird sich auch gegen die neuen Himmelstür¬
mer behaupten) sich vollzieht, in welcher die Grundbegriffe, auf denen bis¬
her alles religiöse Leben, wenigstens theoretisch, ruhte, schon lange von der
sog. Aufklärung unterwühlt, von den sog. Denkern gründlich verkehrt worden
sind, so daß unter den sog. Gebildeten nicht nur über die Grundlagen des
Christenthums, sondern über die Grundlagen jeder Religion die größte Ver¬
schiedenheit der Ansicht bis zum Zwiespalt herrscht! Man betrachte ferner,
wie auch unter denen, die noch auf den christlichen Grundlagen, auf christlichem
Boden stehen, unter den Geistlichen und Theologen selbst, und zwar in allen
Kirchen, der größte Zwiespalt herrscht, und die verschiedensten Interessen sich
bekämpfen ! Aber was noch wichtiger ist, man vergegenwärtige sich, wie durch
die neueren Entwicklungen und Ordnungen im Staate der Bewegung des
Individuums Freiheit gegeben ist bis zur Willkür, und wie gerade dadurch
möglicherweise die große Masse, oder das Volk, ganz unzurechnungsfähig den
kecken Wortführern zur Beute fällt, und zwar ebenso denen, die blinden Glau¬
ben fordern, oder unter dem Deckmantel des Christenthums nur ihre selbst¬
süchtigen Zwecke verfolgen theils politisch, theils hierarchisch, als denen, welche
mit dem Flittergold eines falschen Liberalismus, während sie die Grundlagen
alles Rechts und aller Ordnungen des Lebens, die christlichen religiös-sitt¬
lichen Ideen leugnen, mit hohlen Phrasen von Fortschritt und Humanität
die unzurechnungsfähige, urtheilsunfähige Menge ködern! - Gar nicht zu reden
von denen, die. während sie das neue demokratisch - socialistische Evangelium
predigen, noch dazu sich auf das Christenthum berufen! — In einer solchen
Zeit, wo die Verwirrung auch in den evangelischen Gemeinden schon hoch
Grenzlwtc» I. 1875. ?K
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