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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Der Theologen-Mangel.
Ursachen und Hülfen.
I. Von Professor ol-. Eduard Köllner

Unter dieser Ueberschrift berichtet die Evangelische (Hengstenberg-Tauscher-
sche) Kirchenzeitung 1874 Ur. 78 aus Berlin: "Der Theologen-Mangel
scheint im Wachsen zu bleiben. Im letzten Schuljahre hat in Berlin das
Joachimsthalsche Gymnasium 18, das Friedrich-Wilhelms - Gymnasium ne,
das Wilhelms-Gymnasium 25, das Französische Gymnasium 6 Abiturienten
mit dem Zeugniß der Reife entlassen. Von diesen 65 Abiturienten wollen
zwei Theologie und Philologie studiren; nur einer will sich der Theo¬
logie ausschließlich widmen."

Und so berichtet das Wiener Evangelische Kirchenblatt Ur. 1. vom
15. Januar 1875 aus Oberkärnten: "Der Theologen-Mangel ist groß, wir
haben Ursache, den Herrn zu bitten, daß er Arbeiter sende. Daß unsere Ver¬
hältnisse übrigens nicht besonders dazu angethan sind, strebsame junge Theo¬
logen in unser Alpenland zu locken, ist wohl weit und breit bekannt: wir
leben mit unserer "Besoldung" noch immer im josephinischen Zeitalter, und
ein wohlbestellter evangelischer Pastor Kärntens muß meist
leben, als ob er mit Weib und Kind das Gelübde der Armuth
abgelegt hätte :c."

Also -- von Oesterreich hier nicht weiter zu reden -- auch in Preußen, und
sogar in der Metropole der Intelligenz und des Pietismus zugleich tritt eine
so außerordentliche Abnahme des Studiums der Theologie ein. Eine beach-
tenswerthe Erscheinung für ein hochwichtiges, ja das wichtigste Interesse des
menschlichen Zusammenlebens, das mit Recht neben den anderen Fragen der
Gegenwart das Nachdenken aller denkenden gebildeten Kreise auf sich zieht,
so d,aß jeder aufgefordert ist, nach Kräften das Seine beizutragen zur Wahrung
des religiös-kirchlichen Interesses, wie zur Würdigung und Lösung der Frage,
woher die Abneigung gegen das Studium der Theologie und den Kirchen¬
dienst kommt, welche in Wahrheit das religiös-kirchliche Interesse schwer zu
gefährden scheint. Es handelt sich aber in erster Reihe darum, den Gründen


Grenzlwtcn I. 1875. 31
Der Theologen-Mangel.
Ursachen und Hülfen.
I. Von Professor ol-. Eduard Köllner

Unter dieser Ueberschrift berichtet die Evangelische (Hengstenberg-Tauscher-
sche) Kirchenzeitung 1874 Ur. 78 aus Berlin: „Der Theologen-Mangel
scheint im Wachsen zu bleiben. Im letzten Schuljahre hat in Berlin das
Joachimsthalsche Gymnasium 18, das Friedrich-Wilhelms - Gymnasium ne,
das Wilhelms-Gymnasium 25, das Französische Gymnasium 6 Abiturienten
mit dem Zeugniß der Reife entlassen. Von diesen 65 Abiturienten wollen
zwei Theologie und Philologie studiren; nur einer will sich der Theo¬
logie ausschließlich widmen."

Und so berichtet das Wiener Evangelische Kirchenblatt Ur. 1. vom
15. Januar 1875 aus Oberkärnten: „Der Theologen-Mangel ist groß, wir
haben Ursache, den Herrn zu bitten, daß er Arbeiter sende. Daß unsere Ver¬
hältnisse übrigens nicht besonders dazu angethan sind, strebsame junge Theo¬
logen in unser Alpenland zu locken, ist wohl weit und breit bekannt: wir
leben mit unserer „Besoldung" noch immer im josephinischen Zeitalter, und
ein wohlbestellter evangelischer Pastor Kärntens muß meist
leben, als ob er mit Weib und Kind das Gelübde der Armuth
abgelegt hätte :c."

Also — von Oesterreich hier nicht weiter zu reden — auch in Preußen, und
sogar in der Metropole der Intelligenz und des Pietismus zugleich tritt eine
so außerordentliche Abnahme des Studiums der Theologie ein. Eine beach-
tenswerthe Erscheinung für ein hochwichtiges, ja das wichtigste Interesse des
menschlichen Zusammenlebens, das mit Recht neben den anderen Fragen der
Gegenwart das Nachdenken aller denkenden gebildeten Kreise auf sich zieht,
so d,aß jeder aufgefordert ist, nach Kräften das Seine beizutragen zur Wahrung
des religiös-kirchlichen Interesses, wie zur Würdigung und Lösung der Frage,
woher die Abneigung gegen das Studium der Theologie und den Kirchen¬
dienst kommt, welche in Wahrheit das religiös-kirchliche Interesse schwer zu
gefährden scheint. Es handelt sich aber in erster Reihe darum, den Gründen


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[0249] Der Theologen-Mangel. Ursachen und Hülfen. I. Von Professor ol-. Eduard Köllner Unter dieser Ueberschrift berichtet die Evangelische (Hengstenberg-Tauscher- sche) Kirchenzeitung 1874 Ur. 78 aus Berlin: „Der Theologen-Mangel scheint im Wachsen zu bleiben. Im letzten Schuljahre hat in Berlin das Joachimsthalsche Gymnasium 18, das Friedrich-Wilhelms - Gymnasium ne, das Wilhelms-Gymnasium 25, das Französische Gymnasium 6 Abiturienten mit dem Zeugniß der Reife entlassen. Von diesen 65 Abiturienten wollen zwei Theologie und Philologie studiren; nur einer will sich der Theo¬ logie ausschließlich widmen." Und so berichtet das Wiener Evangelische Kirchenblatt Ur. 1. vom 15. Januar 1875 aus Oberkärnten: „Der Theologen-Mangel ist groß, wir haben Ursache, den Herrn zu bitten, daß er Arbeiter sende. Daß unsere Ver¬ hältnisse übrigens nicht besonders dazu angethan sind, strebsame junge Theo¬ logen in unser Alpenland zu locken, ist wohl weit und breit bekannt: wir leben mit unserer „Besoldung" noch immer im josephinischen Zeitalter, und ein wohlbestellter evangelischer Pastor Kärntens muß meist leben, als ob er mit Weib und Kind das Gelübde der Armuth abgelegt hätte :c." Also — von Oesterreich hier nicht weiter zu reden — auch in Preußen, und sogar in der Metropole der Intelligenz und des Pietismus zugleich tritt eine so außerordentliche Abnahme des Studiums der Theologie ein. Eine beach- tenswerthe Erscheinung für ein hochwichtiges, ja das wichtigste Interesse des menschlichen Zusammenlebens, das mit Recht neben den anderen Fragen der Gegenwart das Nachdenken aller denkenden gebildeten Kreise auf sich zieht, so d,aß jeder aufgefordert ist, nach Kräften das Seine beizutragen zur Wahrung des religiös-kirchlichen Interesses, wie zur Würdigung und Lösung der Frage, woher die Abneigung gegen das Studium der Theologie und den Kirchen¬ dienst kommt, welche in Wahrheit das religiös-kirchliche Interesse schwer zu gefährden scheint. Es handelt sich aber in erster Reihe darum, den Gründen Grenzlwtcn I. 1875. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/249>, abgerufen am 29.06.2024.