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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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auf dem glänzenden Schild ruhmreicher Thaten! Aber dieses Begeifern,
Lästern. Verhetzen der Größe einer Nation, deren Geschicke man zu berathen
in Anspruch nimmt, das ist eine Waffe, die nur für eine schlechte Sache ge¬
führt werden kann. Der Weg der Ultramontanen führt zum Vaterlands¬
verrath in der schwärzesten Gestalt, und wenn sie zu diesem Ziel gelangt sind,
von welchem sie den Sieg ihrer Sache erhoffen mögen, dann wird es mit
derselben für immer in Deutschland vorbei sein.

Die Beleuchtung, in welcher der Ultramontanismus am 4. Dezember
erschien, war kein vergängliches Licht. Die Mittheilungen des Kanzlers am
5. Dezember haben es sogleich aufs neue fixirt. Dennoch steht es außer
Zweifel, was so lange gemuthmaßt, aber nie bestätigt worden, daß bei der
französischen Kriegserklärung von 1870 ultramontane Einflüsse den Ausschlag
gegeben, daß man das Concil abkürzte, um es wieder zusammentreten zu lassen
unter der Aegide des unwiderstehlichen Schiedsrichteramtes in Europa, welches
die Besiegung Deutschlands dem französischen Kaiser verliehen. Nach dem
Vorgang der "Germania" wollte Herr August Reichensperger die ultramontane
Tendenz der napoleonischen Politik in Zweifel ziehen. Es ist wahr, auch
dieser Kaiser konnte dem Papstthum sich nicht bloß unterwerfen, aber er
wollte es zum Stützpunkt seiner gesicherten Herrschaft machen, und mußte
ihm daher das Meiste, wenn schon nicht Alles, gewähren, was es von ihm
fordern wollte.

Die direkte Aeußerung aus dem Munde eines hochbetrauten Dieners der
Curie, daß dieselbe nöthigenfalls durch die Revolution zum Ziel kommen
werde, hat bet ihrer beglaubigten Mittheilung ein gewaltiges Aufsehen erregt.
Auch sie fixirt das Licht, in welches der deutsche Ultramontanismus, der ja
nichts sein will als Roms Werkzeug, sich am 4, Dezember gestellt hat.


0--r.


Weiljnachtsöücherschau.

Unter den Weihnachtsbüchern für "Große" nennen wir heute an erster
Stelle die Erzählungen von L. Butte, frei nach dem Dänischen von
Walter Reinmar. (Leipzig. Fr. Will). Grunow, 1873.) -- Es wird
uns versichert, daß der Verfasser des Originals wie der Uebersetzung, Beide,
dem starken Geschlecht angehören, sonst würden wir geneigt sein, sie zu dem
Geschlecht der besten Blaustrümpfe zu zählen, die es je gegeben hat. Denn
der Verfasser besitzt ein Talent für feine weiche Beobachtung der menschlichen
und sog. todten Natur, wie wir es in Deutschland nur bei den hervor¬
ragendsten Schriftstellerinnen gewahren. Der Uebersetzer seinerseits ist nach


auf dem glänzenden Schild ruhmreicher Thaten! Aber dieses Begeifern,
Lästern. Verhetzen der Größe einer Nation, deren Geschicke man zu berathen
in Anspruch nimmt, das ist eine Waffe, die nur für eine schlechte Sache ge¬
führt werden kann. Der Weg der Ultramontanen führt zum Vaterlands¬
verrath in der schwärzesten Gestalt, und wenn sie zu diesem Ziel gelangt sind,
von welchem sie den Sieg ihrer Sache erhoffen mögen, dann wird es mit
derselben für immer in Deutschland vorbei sein.

Die Beleuchtung, in welcher der Ultramontanismus am 4. Dezember
erschien, war kein vergängliches Licht. Die Mittheilungen des Kanzlers am
5. Dezember haben es sogleich aufs neue fixirt. Dennoch steht es außer
Zweifel, was so lange gemuthmaßt, aber nie bestätigt worden, daß bei der
französischen Kriegserklärung von 1870 ultramontane Einflüsse den Ausschlag
gegeben, daß man das Concil abkürzte, um es wieder zusammentreten zu lassen
unter der Aegide des unwiderstehlichen Schiedsrichteramtes in Europa, welches
die Besiegung Deutschlands dem französischen Kaiser verliehen. Nach dem
Vorgang der „Germania" wollte Herr August Reichensperger die ultramontane
Tendenz der napoleonischen Politik in Zweifel ziehen. Es ist wahr, auch
dieser Kaiser konnte dem Papstthum sich nicht bloß unterwerfen, aber er
wollte es zum Stützpunkt seiner gesicherten Herrschaft machen, und mußte
ihm daher das Meiste, wenn schon nicht Alles, gewähren, was es von ihm
fordern wollte.

Die direkte Aeußerung aus dem Munde eines hochbetrauten Dieners der
Curie, daß dieselbe nöthigenfalls durch die Revolution zum Ziel kommen
werde, hat bet ihrer beglaubigten Mittheilung ein gewaltiges Aufsehen erregt.
Auch sie fixirt das Licht, in welches der deutsche Ultramontanismus, der ja
nichts sein will als Roms Werkzeug, sich am 4, Dezember gestellt hat.


0—r.


Weiljnachtsöücherschau.

Unter den Weihnachtsbüchern für „Große" nennen wir heute an erster
Stelle die Erzählungen von L. Butte, frei nach dem Dänischen von
Walter Reinmar. (Leipzig. Fr. Will). Grunow, 1873.) — Es wird
uns versichert, daß der Verfasser des Originals wie der Uebersetzung, Beide,
dem starken Geschlecht angehören, sonst würden wir geneigt sein, sie zu dem
Geschlecht der besten Blaustrümpfe zu zählen, die es je gegeben hat. Denn
der Verfasser besitzt ein Talent für feine weiche Beobachtung der menschlichen
und sog. todten Natur, wie wir es in Deutschland nur bei den hervor¬
ragendsten Schriftstellerinnen gewahren. Der Uebersetzer seinerseits ist nach


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[0442] auf dem glänzenden Schild ruhmreicher Thaten! Aber dieses Begeifern, Lästern. Verhetzen der Größe einer Nation, deren Geschicke man zu berathen in Anspruch nimmt, das ist eine Waffe, die nur für eine schlechte Sache ge¬ führt werden kann. Der Weg der Ultramontanen führt zum Vaterlands¬ verrath in der schwärzesten Gestalt, und wenn sie zu diesem Ziel gelangt sind, von welchem sie den Sieg ihrer Sache erhoffen mögen, dann wird es mit derselben für immer in Deutschland vorbei sein. Die Beleuchtung, in welcher der Ultramontanismus am 4. Dezember erschien, war kein vergängliches Licht. Die Mittheilungen des Kanzlers am 5. Dezember haben es sogleich aufs neue fixirt. Dennoch steht es außer Zweifel, was so lange gemuthmaßt, aber nie bestätigt worden, daß bei der französischen Kriegserklärung von 1870 ultramontane Einflüsse den Ausschlag gegeben, daß man das Concil abkürzte, um es wieder zusammentreten zu lassen unter der Aegide des unwiderstehlichen Schiedsrichteramtes in Europa, welches die Besiegung Deutschlands dem französischen Kaiser verliehen. Nach dem Vorgang der „Germania" wollte Herr August Reichensperger die ultramontane Tendenz der napoleonischen Politik in Zweifel ziehen. Es ist wahr, auch dieser Kaiser konnte dem Papstthum sich nicht bloß unterwerfen, aber er wollte es zum Stützpunkt seiner gesicherten Herrschaft machen, und mußte ihm daher das Meiste, wenn schon nicht Alles, gewähren, was es von ihm fordern wollte. Die direkte Aeußerung aus dem Munde eines hochbetrauten Dieners der Curie, daß dieselbe nöthigenfalls durch die Revolution zum Ziel kommen werde, hat bet ihrer beglaubigten Mittheilung ein gewaltiges Aufsehen erregt. Auch sie fixirt das Licht, in welches der deutsche Ultramontanismus, der ja nichts sein will als Roms Werkzeug, sich am 4, Dezember gestellt hat. 0—r. Weiljnachtsöücherschau. Unter den Weihnachtsbüchern für „Große" nennen wir heute an erster Stelle die Erzählungen von L. Butte, frei nach dem Dänischen von Walter Reinmar. (Leipzig. Fr. Will). Grunow, 1873.) — Es wird uns versichert, daß der Verfasser des Originals wie der Uebersetzung, Beide, dem starken Geschlecht angehören, sonst würden wir geneigt sein, sie zu dem Geschlecht der besten Blaustrümpfe zu zählen, die es je gegeben hat. Denn der Verfasser besitzt ein Talent für feine weiche Beobachtung der menschlichen und sog. todten Natur, wie wir es in Deutschland nur bei den hervor¬ ragendsten Schriftstellerinnen gewahren. Der Uebersetzer seinerseits ist nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/442>, abgerufen am 27.07.2024.