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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Zur Geschichte des Septenmts.
in.
Erfolglose Arbeiten der Dreißiger-Commission. Schluß der
Wintersession.

Nachdem durch die Annahme des Mairesgesetzes der dringendsten An¬
forderung des Herzogs von Broglie Genüge geleistet war, wandte sich die
Aufmerksamkeit der Regierung wie der Parteien wieder den Arbeiten des
Dreißigerausschusses zu, dem eine Aufgabe gestellt war, die derselbe beim
besten Willen nicht zu lösen vermochte. Er sollte den Entwurf einer Ver¬
fassung liefern, und wußte doch nicht, auf welche Grundlage er diese Ver¬
fassung stellen sollte. Der gegenwärtige Zustand war vollkommen unregel-
mäßig, halb Anarchie, halb Gewaltherrschaft. Die Souveränität war von
Rechts wegen und dem Namen nach in den Händen einer Versammlung
concentrirt. die sich längst nicht mehr als Vertreterin der öffentlichen Meinung
ansehen konnten. Und da die Nationalversammlung ihre Souveränität doch
nur im Auftrage des Volks, des alleinigen höchsten Souveräns, seit dem
Sturze des kaiserlichen Regimes, ausübte, so mußte die Stellung der Ver¬
sammlung von dem Augenblick an gefährdet sein, wo sich ein Gegensatz
Mischen ihren und den im Volke herrschenden Anschauungen unzweideutig
herausstellte. Daß dieser Gegensatz vorhanden sei, war die beständig wieder¬
holte Behauptung der Republikaner und auch der Bonapartisten und alle
Ersatzwahlen, auf die wir noch an einer anderen Stelle zurückkommen werden,
bewiesen ja in der That, daß das Königthum, dessen Wiederherstellung doch
noch immer das höchste Ziel der parlamentarischen Mehrheit war, im Volke
allen Boden verloren hatte. Die entschiedenen Republikaner hatten denn
daher auch von Anfang dieser Versammlung jede eonstituirende Befugniß ab¬
gesprochen, ihre ungesäumte Auflösung und die Wahl einer constituirenden
Versammlung gefordert. Die gemäßigten, sogenannten conservativen Republi¬
kaner waren im Princip im Grunde mit jenen ganz einverstanden, scheuten
sich aber doch, die Consequenzen des Princips zu ziehen, weil sie fürchteten,
daß aus Neuwahlen eine radicale Versammlung hervorgehe und der Ver-


Grmzvotm IV. 1874. öl
Zur Geschichte des Septenmts.
in.
Erfolglose Arbeiten der Dreißiger-Commission. Schluß der
Wintersession.

Nachdem durch die Annahme des Mairesgesetzes der dringendsten An¬
forderung des Herzogs von Broglie Genüge geleistet war, wandte sich die
Aufmerksamkeit der Regierung wie der Parteien wieder den Arbeiten des
Dreißigerausschusses zu, dem eine Aufgabe gestellt war, die derselbe beim
besten Willen nicht zu lösen vermochte. Er sollte den Entwurf einer Ver¬
fassung liefern, und wußte doch nicht, auf welche Grundlage er diese Ver¬
fassung stellen sollte. Der gegenwärtige Zustand war vollkommen unregel-
mäßig, halb Anarchie, halb Gewaltherrschaft. Die Souveränität war von
Rechts wegen und dem Namen nach in den Händen einer Versammlung
concentrirt. die sich längst nicht mehr als Vertreterin der öffentlichen Meinung
ansehen konnten. Und da die Nationalversammlung ihre Souveränität doch
nur im Auftrage des Volks, des alleinigen höchsten Souveräns, seit dem
Sturze des kaiserlichen Regimes, ausübte, so mußte die Stellung der Ver¬
sammlung von dem Augenblick an gefährdet sein, wo sich ein Gegensatz
Mischen ihren und den im Volke herrschenden Anschauungen unzweideutig
herausstellte. Daß dieser Gegensatz vorhanden sei, war die beständig wieder¬
holte Behauptung der Republikaner und auch der Bonapartisten und alle
Ersatzwahlen, auf die wir noch an einer anderen Stelle zurückkommen werden,
bewiesen ja in der That, daß das Königthum, dessen Wiederherstellung doch
noch immer das höchste Ziel der parlamentarischen Mehrheit war, im Volke
allen Boden verloren hatte. Die entschiedenen Republikaner hatten denn
daher auch von Anfang dieser Versammlung jede eonstituirende Befugniß ab¬
gesprochen, ihre ungesäumte Auflösung und die Wahl einer constituirenden
Versammlung gefordert. Die gemäßigten, sogenannten conservativen Republi¬
kaner waren im Princip im Grunde mit jenen ganz einverstanden, scheuten
sich aber doch, die Consequenzen des Princips zu ziehen, weil sie fürchteten,
daß aus Neuwahlen eine radicale Versammlung hervorgehe und der Ver-


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[0405] Zur Geschichte des Septenmts. in. Erfolglose Arbeiten der Dreißiger-Commission. Schluß der Wintersession. Nachdem durch die Annahme des Mairesgesetzes der dringendsten An¬ forderung des Herzogs von Broglie Genüge geleistet war, wandte sich die Aufmerksamkeit der Regierung wie der Parteien wieder den Arbeiten des Dreißigerausschusses zu, dem eine Aufgabe gestellt war, die derselbe beim besten Willen nicht zu lösen vermochte. Er sollte den Entwurf einer Ver¬ fassung liefern, und wußte doch nicht, auf welche Grundlage er diese Ver¬ fassung stellen sollte. Der gegenwärtige Zustand war vollkommen unregel- mäßig, halb Anarchie, halb Gewaltherrschaft. Die Souveränität war von Rechts wegen und dem Namen nach in den Händen einer Versammlung concentrirt. die sich längst nicht mehr als Vertreterin der öffentlichen Meinung ansehen konnten. Und da die Nationalversammlung ihre Souveränität doch nur im Auftrage des Volks, des alleinigen höchsten Souveräns, seit dem Sturze des kaiserlichen Regimes, ausübte, so mußte die Stellung der Ver¬ sammlung von dem Augenblick an gefährdet sein, wo sich ein Gegensatz Mischen ihren und den im Volke herrschenden Anschauungen unzweideutig herausstellte. Daß dieser Gegensatz vorhanden sei, war die beständig wieder¬ holte Behauptung der Republikaner und auch der Bonapartisten und alle Ersatzwahlen, auf die wir noch an einer anderen Stelle zurückkommen werden, bewiesen ja in der That, daß das Königthum, dessen Wiederherstellung doch noch immer das höchste Ziel der parlamentarischen Mehrheit war, im Volke allen Boden verloren hatte. Die entschiedenen Republikaner hatten denn daher auch von Anfang dieser Versammlung jede eonstituirende Befugniß ab¬ gesprochen, ihre ungesäumte Auflösung und die Wahl einer constituirenden Versammlung gefordert. Die gemäßigten, sogenannten conservativen Republi¬ kaner waren im Princip im Grunde mit jenen ganz einverstanden, scheuten sich aber doch, die Consequenzen des Princips zu ziehen, weil sie fürchteten, daß aus Neuwahlen eine radicale Versammlung hervorgehe und der Ver- Grmzvotm IV. 1874. öl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/405>, abgerufen am 28.12.2024.