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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Humoristen". Hoffentlich , reizen diese gedrängten Bilder den Leser, den
übrigen, mindestens ebenso interessanten Theil, welcher die Abenteuer des
Verfassers als Silbergräber und Redacteur darstellt, im Werke selbst zu ver¬
folgen. Daß die Kunst des Uebersetzers das englische Original völlig ver¬
gessen läßt, uns das liebenswürdige Buch wirklich heimisch macht, dafür
sprechen die vorstehenden Auszüge zu sehr für sich selbst, als daß noch ein
Wort nöthig wäre. Zum Schlüsse nur ein Wort noch an die Leser --
unter den Habitue's der Grenzboten sind es nicht viele -- die nach Mark
Twain vielleicht im Conversationslexicon suchen, und dort nur das übliche
Vacat finden, welches der klassisch gebildete Deutsche da zwischen den Zeilen
liest, wo er vieles sieht, das nicht da ist. Mark Twain ist ein Pseudonym,
"Mark Twain" ist ein Lootsenruf bei Lothauswerfen auf dem Missisippi.
Der Verfasser dieser köstlichen Humoresken trägt den bürgerlichen Namen
Samuel Clemens und lebt in Hartford (Connecticut). Er ist wirklich und
leibhaftig sieben Jahre im Silberlaut Nevada herumgestrichen als Mineur
und Redacteur und hat schließlich mit seiner Feder bei weitem mehr Gold
geschaufelt als mit dem Grabscheit. Vor wenigen Jahren noch hat er, trotz
der ungewöhnlichen Beliebtheit seiner Werke, öffentliche Vorlesungen aus
seinen Sachen gehalten. Jetzt thut er dieses nicht mehr. Er mag jetzt mit
dem biedern Kutscher in Benedix' "Dienstboten" sagen: "jetzt ist es genug,
Christiane." Und wir gönnen es ihm von Herzen.




Maudereien aus London.

Wohl selten hat sich die englische Metropole eines so ausgezeichneten
Herbstes zu erfreuen gehabt, wie dieses Jahr, denn trotz des Novembers, von
dem es schon in so manchen englischen Lesebüchern heißt: "tkers are t'oZs at
Ildnäov" scheint die Sonne wenn auch nicht allzu warm, so doch freundlich
auf die unermeßliche Stadt mit ihren herrlichen grünen Parks, ihrer so reich
belebten Themse, ihrem Labyrinth von Straßen und über- und unterirdischen
Eisenbahnen, daß es den Fremden um so angenehmer berührt, als er es jetzt
am wenigsten erwartet und gehofft hatte. Nur die City ist in eine artig graue
Wolke gehüllt, die nur auf Stunden zuweilen etwas sich zertheilt, aber nie
ganz verschwindet, aus der aber die Paulskirche mit ihrer schönen Kuppel um
so majestätischer herausragt. In London ist es noch nicht Winter, kaum
Spätherbst und da ist es denn auch kein Wunder, daß die schönen Straßen
des Westeckd und die daranstoßenden Parks von einheimischen und fremden


Humoristen". Hoffentlich , reizen diese gedrängten Bilder den Leser, den
übrigen, mindestens ebenso interessanten Theil, welcher die Abenteuer des
Verfassers als Silbergräber und Redacteur darstellt, im Werke selbst zu ver¬
folgen. Daß die Kunst des Uebersetzers das englische Original völlig ver¬
gessen läßt, uns das liebenswürdige Buch wirklich heimisch macht, dafür
sprechen die vorstehenden Auszüge zu sehr für sich selbst, als daß noch ein
Wort nöthig wäre. Zum Schlüsse nur ein Wort noch an die Leser —
unter den Habitue's der Grenzboten sind es nicht viele — die nach Mark
Twain vielleicht im Conversationslexicon suchen, und dort nur das übliche
Vacat finden, welches der klassisch gebildete Deutsche da zwischen den Zeilen
liest, wo er vieles sieht, das nicht da ist. Mark Twain ist ein Pseudonym,
„Mark Twain" ist ein Lootsenruf bei Lothauswerfen auf dem Missisippi.
Der Verfasser dieser köstlichen Humoresken trägt den bürgerlichen Namen
Samuel Clemens und lebt in Hartford (Connecticut). Er ist wirklich und
leibhaftig sieben Jahre im Silberlaut Nevada herumgestrichen als Mineur
und Redacteur und hat schließlich mit seiner Feder bei weitem mehr Gold
geschaufelt als mit dem Grabscheit. Vor wenigen Jahren noch hat er, trotz
der ungewöhnlichen Beliebtheit seiner Werke, öffentliche Vorlesungen aus
seinen Sachen gehalten. Jetzt thut er dieses nicht mehr. Er mag jetzt mit
dem biedern Kutscher in Benedix' „Dienstboten" sagen: „jetzt ist es genug,
Christiane." Und wir gönnen es ihm von Herzen.




Maudereien aus London.

Wohl selten hat sich die englische Metropole eines so ausgezeichneten
Herbstes zu erfreuen gehabt, wie dieses Jahr, denn trotz des Novembers, von
dem es schon in so manchen englischen Lesebüchern heißt: „tkers are t'oZs at
Ildnäov" scheint die Sonne wenn auch nicht allzu warm, so doch freundlich
auf die unermeßliche Stadt mit ihren herrlichen grünen Parks, ihrer so reich
belebten Themse, ihrem Labyrinth von Straßen und über- und unterirdischen
Eisenbahnen, daß es den Fremden um so angenehmer berührt, als er es jetzt
am wenigsten erwartet und gehofft hatte. Nur die City ist in eine artig graue
Wolke gehüllt, die nur auf Stunden zuweilen etwas sich zertheilt, aber nie
ganz verschwindet, aus der aber die Paulskirche mit ihrer schönen Kuppel um
so majestätischer herausragt. In London ist es noch nicht Winter, kaum
Spätherbst und da ist es denn auch kein Wunder, daß die schönen Straßen
des Westeckd und die daranstoßenden Parks von einheimischen und fremden


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[0380] Humoristen". Hoffentlich , reizen diese gedrängten Bilder den Leser, den übrigen, mindestens ebenso interessanten Theil, welcher die Abenteuer des Verfassers als Silbergräber und Redacteur darstellt, im Werke selbst zu ver¬ folgen. Daß die Kunst des Uebersetzers das englische Original völlig ver¬ gessen läßt, uns das liebenswürdige Buch wirklich heimisch macht, dafür sprechen die vorstehenden Auszüge zu sehr für sich selbst, als daß noch ein Wort nöthig wäre. Zum Schlüsse nur ein Wort noch an die Leser — unter den Habitue's der Grenzboten sind es nicht viele — die nach Mark Twain vielleicht im Conversationslexicon suchen, und dort nur das übliche Vacat finden, welches der klassisch gebildete Deutsche da zwischen den Zeilen liest, wo er vieles sieht, das nicht da ist. Mark Twain ist ein Pseudonym, „Mark Twain" ist ein Lootsenruf bei Lothauswerfen auf dem Missisippi. Der Verfasser dieser köstlichen Humoresken trägt den bürgerlichen Namen Samuel Clemens und lebt in Hartford (Connecticut). Er ist wirklich und leibhaftig sieben Jahre im Silberlaut Nevada herumgestrichen als Mineur und Redacteur und hat schließlich mit seiner Feder bei weitem mehr Gold geschaufelt als mit dem Grabscheit. Vor wenigen Jahren noch hat er, trotz der ungewöhnlichen Beliebtheit seiner Werke, öffentliche Vorlesungen aus seinen Sachen gehalten. Jetzt thut er dieses nicht mehr. Er mag jetzt mit dem biedern Kutscher in Benedix' „Dienstboten" sagen: „jetzt ist es genug, Christiane." Und wir gönnen es ihm von Herzen. Maudereien aus London. Wohl selten hat sich die englische Metropole eines so ausgezeichneten Herbstes zu erfreuen gehabt, wie dieses Jahr, denn trotz des Novembers, von dem es schon in so manchen englischen Lesebüchern heißt: „tkers are t'oZs at Ildnäov" scheint die Sonne wenn auch nicht allzu warm, so doch freundlich auf die unermeßliche Stadt mit ihren herrlichen grünen Parks, ihrer so reich belebten Themse, ihrem Labyrinth von Straßen und über- und unterirdischen Eisenbahnen, daß es den Fremden um so angenehmer berührt, als er es jetzt am wenigsten erwartet und gehofft hatte. Nur die City ist in eine artig graue Wolke gehüllt, die nur auf Stunden zuweilen etwas sich zertheilt, aber nie ganz verschwindet, aus der aber die Paulskirche mit ihrer schönen Kuppel um so majestätischer herausragt. In London ist es noch nicht Winter, kaum Spätherbst und da ist es denn auch kein Wunder, daß die schönen Straßen des Westeckd und die daranstoßenden Parks von einheimischen und fremden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/380>, abgerufen am 28.12.2024.