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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Ale Aordpotfahrt der Hermama unter Kapitän Koldeivey
1869 -- 70.5)
2) Herbst und Winter bis zum Wieder erscheinen der
Sonne am 3. Februar 1870.

Als die Germaniafahrer am 13. September 1869 im Süden der Sabine
Insel ihren Winterhafen bezogen, war die Temperatur schon dauernd einige
Grade unter Null gesunken. Es trat daher an die Mannschaft die dringende
Pflicht heran, das Schiff auf das beste zu bergen, daß es den grimmigen
Stürmen und mächtigen Eisbildungen des Winters zu trotzen vermöchte, und
zugleich sich selbst rasch mit Allem zu versehen, was in den Monaten der
ewigen Nacht des arktischen Winters nicht mehr, zu haben war. Das war vor
Allem süßes Trinkwasser. Denn das Schmelzen von Schnee mußte, im Interesse
der Schonung des Feuerungsmaterials, solange als möglich vermieden werden.
So wurden denn zunächst alle Behälter an Bord noch einmal mit dem gesun¬
den wohlschmeckenden Wasser der Bäche gefüllt. Gerade zur rechten Zeit
wurde man damit fertig. Denn bereits am 17. war der Erdboden an der
Oberfläche überall gefroren und die Bäche zeigten nur noch spärlich Wasser,
das in den nächsten Tagen ganz zu fließen aufhörte. Die Arbeiten zur
Sicherung des Schiffes konnten, da der größte Theil der Mannschaft um die
Mitte des Monats auf verschiedenen Forschungsreisen aus war, deren wir
unten gedenken werden, erst am 22. September begonnen werden, als Alle
wieder vollzählig bei einander waren. Bis dahin gewährte der ausgezeichnete,
nach Norden durch den hohen Berg der Insel gegen den Sturm, nach Süden
durch die vorgelagerte Walroßinsel gegen das Antreiben des Eises trefflich
geborgene Hafen der Germania vorläufig ausreichenden Schutz. Indessen
ließen doch die seit dem 16. auftretenden schweren Nordstürme und Bösen
ein sicheres Festlegen des Schiffes als unaufschieblich erscheinen. Es durfte
nicht mit dem treibenden Eise in Berührung kommen, sondern sollte ruhig
eingefroren an seinem Platze bleiben, bis es den kommenden Sommer gelingen
würde, dasselbe wieder von den Fesseln des Frostes zu befreien. Zu diesem
Zwecke mußte das Schiff möglichst weit in den Hafen hineingeholt und inner¬
halb der Linie festgelegt werden, welche die beiden äußersten Landvorsprünge
des Hafens mit einander verbindet, damit es nicht bei einem etwaigen jähen
Aufbrechen des Eises mit losgerissen und sicherer Zerstörung preisgegeben
werde. Denn in solchen Fällen wäre es nicht durch die stärksten Taue und
Anker zu halten gewesen, sondern in der Umarmung der Eisschollen erbar-



") Die zweite deutsche Nordpolfnhrt, l. Band. Zweite Abtheilung. F, A, Blockhaus 1874.
Ale Aordpotfahrt der Hermama unter Kapitän Koldeivey
1869 — 70.5)
2) Herbst und Winter bis zum Wieder erscheinen der
Sonne am 3. Februar 1870.

Als die Germaniafahrer am 13. September 1869 im Süden der Sabine
Insel ihren Winterhafen bezogen, war die Temperatur schon dauernd einige
Grade unter Null gesunken. Es trat daher an die Mannschaft die dringende
Pflicht heran, das Schiff auf das beste zu bergen, daß es den grimmigen
Stürmen und mächtigen Eisbildungen des Winters zu trotzen vermöchte, und
zugleich sich selbst rasch mit Allem zu versehen, was in den Monaten der
ewigen Nacht des arktischen Winters nicht mehr, zu haben war. Das war vor
Allem süßes Trinkwasser. Denn das Schmelzen von Schnee mußte, im Interesse
der Schonung des Feuerungsmaterials, solange als möglich vermieden werden.
So wurden denn zunächst alle Behälter an Bord noch einmal mit dem gesun¬
den wohlschmeckenden Wasser der Bäche gefüllt. Gerade zur rechten Zeit
wurde man damit fertig. Denn bereits am 17. war der Erdboden an der
Oberfläche überall gefroren und die Bäche zeigten nur noch spärlich Wasser,
das in den nächsten Tagen ganz zu fließen aufhörte. Die Arbeiten zur
Sicherung des Schiffes konnten, da der größte Theil der Mannschaft um die
Mitte des Monats auf verschiedenen Forschungsreisen aus war, deren wir
unten gedenken werden, erst am 22. September begonnen werden, als Alle
wieder vollzählig bei einander waren. Bis dahin gewährte der ausgezeichnete,
nach Norden durch den hohen Berg der Insel gegen den Sturm, nach Süden
durch die vorgelagerte Walroßinsel gegen das Antreiben des Eises trefflich
geborgene Hafen der Germania vorläufig ausreichenden Schutz. Indessen
ließen doch die seit dem 16. auftretenden schweren Nordstürme und Bösen
ein sicheres Festlegen des Schiffes als unaufschieblich erscheinen. Es durfte
nicht mit dem treibenden Eise in Berührung kommen, sondern sollte ruhig
eingefroren an seinem Platze bleiben, bis es den kommenden Sommer gelingen
würde, dasselbe wieder von den Fesseln des Frostes zu befreien. Zu diesem
Zwecke mußte das Schiff möglichst weit in den Hafen hineingeholt und inner¬
halb der Linie festgelegt werden, welche die beiden äußersten Landvorsprünge
des Hafens mit einander verbindet, damit es nicht bei einem etwaigen jähen
Aufbrechen des Eises mit losgerissen und sicherer Zerstörung preisgegeben
werde. Denn in solchen Fällen wäre es nicht durch die stärksten Taue und
Anker zu halten gewesen, sondern in der Umarmung der Eisschollen erbar-



") Die zweite deutsche Nordpolfnhrt, l. Band. Zweite Abtheilung. F, A, Blockhaus 1874.
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[0307] Ale Aordpotfahrt der Hermama unter Kapitän Koldeivey 1869 — 70.5) 2) Herbst und Winter bis zum Wieder erscheinen der Sonne am 3. Februar 1870. Als die Germaniafahrer am 13. September 1869 im Süden der Sabine Insel ihren Winterhafen bezogen, war die Temperatur schon dauernd einige Grade unter Null gesunken. Es trat daher an die Mannschaft die dringende Pflicht heran, das Schiff auf das beste zu bergen, daß es den grimmigen Stürmen und mächtigen Eisbildungen des Winters zu trotzen vermöchte, und zugleich sich selbst rasch mit Allem zu versehen, was in den Monaten der ewigen Nacht des arktischen Winters nicht mehr, zu haben war. Das war vor Allem süßes Trinkwasser. Denn das Schmelzen von Schnee mußte, im Interesse der Schonung des Feuerungsmaterials, solange als möglich vermieden werden. So wurden denn zunächst alle Behälter an Bord noch einmal mit dem gesun¬ den wohlschmeckenden Wasser der Bäche gefüllt. Gerade zur rechten Zeit wurde man damit fertig. Denn bereits am 17. war der Erdboden an der Oberfläche überall gefroren und die Bäche zeigten nur noch spärlich Wasser, das in den nächsten Tagen ganz zu fließen aufhörte. Die Arbeiten zur Sicherung des Schiffes konnten, da der größte Theil der Mannschaft um die Mitte des Monats auf verschiedenen Forschungsreisen aus war, deren wir unten gedenken werden, erst am 22. September begonnen werden, als Alle wieder vollzählig bei einander waren. Bis dahin gewährte der ausgezeichnete, nach Norden durch den hohen Berg der Insel gegen den Sturm, nach Süden durch die vorgelagerte Walroßinsel gegen das Antreiben des Eises trefflich geborgene Hafen der Germania vorläufig ausreichenden Schutz. Indessen ließen doch die seit dem 16. auftretenden schweren Nordstürme und Bösen ein sicheres Festlegen des Schiffes als unaufschieblich erscheinen. Es durfte nicht mit dem treibenden Eise in Berührung kommen, sondern sollte ruhig eingefroren an seinem Platze bleiben, bis es den kommenden Sommer gelingen würde, dasselbe wieder von den Fesseln des Frostes zu befreien. Zu diesem Zwecke mußte das Schiff möglichst weit in den Hafen hineingeholt und inner¬ halb der Linie festgelegt werden, welche die beiden äußersten Landvorsprünge des Hafens mit einander verbindet, damit es nicht bei einem etwaigen jähen Aufbrechen des Eises mit losgerissen und sicherer Zerstörung preisgegeben werde. Denn in solchen Fällen wäre es nicht durch die stärksten Taue und Anker zu halten gewesen, sondern in der Umarmung der Eisschollen erbar- ") Die zweite deutsche Nordpolfnhrt, l. Band. Zweite Abtheilung. F, A, Blockhaus 1874.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/307>, abgerufen am 03.07.2024.