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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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zu übertragen, ist und bleibt, wie sich der Verfasser wohl selbst sagen wird,
eine unfruchtbare Spekulation. Dagegen halten auch wir -- wenigstens unter
Umständen -- die Gründung von Mägdeherbergen und Asylen für Obdach¬
lose für außerordentlich verdienstlich und die Idee der Gesinde-Prämirungs-
vereine zum mindesten für eine ganz glückliche.

Freilich wird durch alle diese humanistischen Experimente den auf dem
Boden des Gesindewesens anerkannten Uebelständen nicht abgeholfen werden
tonnen, so lange nicht das Gesinde auf den Standpunkt sich erhebt, daß es
geneigt ist, an seiner geistigen und sittlichen Ausbildung zu arbeiten oder
wenigstens arbeiten zu lassen, und so lange dasselbe nicht begreifen lernt, daß
die von demselben zu erhebenden Ansprüche nie weiter gehen dürfen, als das
Maß seiner Leistungsfähigkeit reicht.


F. C.


Kleine Besprechungen"

Deutsche Jugend. Jllustrirte Monatshefte von Julius Loh¬
meyer, Leipzig, Alphons Dürr. 1873. -- Nachdem von diesem, gleich bei
seinem Erscheinen von d. Bl. mit lebhafter Freude begrüßten Unternehmen,
der erste Band in sechs Monatsheften vollständig, der zweite bereits in vier
Heften vor uns liegt, läßt sich unser Urtheil kurz dahin zusammenfassen: Die
"Deutsche Jugend" hat gehalten, was sie bei ihrem Erscheinen versprach,
und mehr als das. Dieses Lob steht um so höher, je höher die Unternehmer
selbst ihre Aufgabe stellten. "Mustergiltiges in Form und Inhalt" zu bieten
versprach der erste Prospect dieses Werkes; an die Absichten anzuknüpfen, von
denen einst Robert Neinick und Hugo Bürwer, bei der Herausgabe ihres an
Sinnigkeit und Anmuth kaum übertroffenen Jugendkalenders ausgingen-
Und wirklich lassen sich die bis jetzt vorliegenden Hefte der deutschen Jugend
mit diesem reinen, liebenswürdigen Vorbild am ehesten vergleichen. Eine
Fülle belehrender Abhandlungen und Schilderungen geschichtlichen, natur¬
wissenschaftlichen und selbst sprachwissenschaftlichen Inhalts legitimirt aber
außerdem das Werk im Gegensatz zu jenen immerhin in manchen veralteten
Jugendkalendern als frisches Kind unserer Zeit in der auch eine Jugendschrift
die Gebiete der nationalen Geschichte und Sprache und der Naturkunde nicht
übersehen darf. In dieser letzteren Hinsicht möchten wir einen Wunsch aus¬
sprechen, den nämlich, daß die freundlichen Schilderungen der Eigenart der
einzelnen Monate, ihres Thier- und Pflanzenlebens und ihrer Spiele, früher
als bisher erscheinen möchten, pränumerando statt postnumerando. Die Jugend
wird dann doppelten Nutzen von diesen Schilderungen haben. --

Der reiche Inhalt, den die bisherigen Hefte aufweisen, läßt sich kaum in
dtesem'engen Raume aufzählen, geschweige denn im einzelnen würdigen. So,
mögen wenige allgemeine Bemerkungen genügen. In jedem Hefte finden sich


zu übertragen, ist und bleibt, wie sich der Verfasser wohl selbst sagen wird,
eine unfruchtbare Spekulation. Dagegen halten auch wir — wenigstens unter
Umständen — die Gründung von Mägdeherbergen und Asylen für Obdach¬
lose für außerordentlich verdienstlich und die Idee der Gesinde-Prämirungs-
vereine zum mindesten für eine ganz glückliche.

Freilich wird durch alle diese humanistischen Experimente den auf dem
Boden des Gesindewesens anerkannten Uebelständen nicht abgeholfen werden
tonnen, so lange nicht das Gesinde auf den Standpunkt sich erhebt, daß es
geneigt ist, an seiner geistigen und sittlichen Ausbildung zu arbeiten oder
wenigstens arbeiten zu lassen, und so lange dasselbe nicht begreifen lernt, daß
die von demselben zu erhebenden Ansprüche nie weiter gehen dürfen, als das
Maß seiner Leistungsfähigkeit reicht.


F. C.


Kleine Besprechungen»

Deutsche Jugend. Jllustrirte Monatshefte von Julius Loh¬
meyer, Leipzig, Alphons Dürr. 1873. — Nachdem von diesem, gleich bei
seinem Erscheinen von d. Bl. mit lebhafter Freude begrüßten Unternehmen,
der erste Band in sechs Monatsheften vollständig, der zweite bereits in vier
Heften vor uns liegt, läßt sich unser Urtheil kurz dahin zusammenfassen: Die
„Deutsche Jugend" hat gehalten, was sie bei ihrem Erscheinen versprach,
und mehr als das. Dieses Lob steht um so höher, je höher die Unternehmer
selbst ihre Aufgabe stellten. „Mustergiltiges in Form und Inhalt" zu bieten
versprach der erste Prospect dieses Werkes; an die Absichten anzuknüpfen, von
denen einst Robert Neinick und Hugo Bürwer, bei der Herausgabe ihres an
Sinnigkeit und Anmuth kaum übertroffenen Jugendkalenders ausgingen-
Und wirklich lassen sich die bis jetzt vorliegenden Hefte der deutschen Jugend
mit diesem reinen, liebenswürdigen Vorbild am ehesten vergleichen. Eine
Fülle belehrender Abhandlungen und Schilderungen geschichtlichen, natur¬
wissenschaftlichen und selbst sprachwissenschaftlichen Inhalts legitimirt aber
außerdem das Werk im Gegensatz zu jenen immerhin in manchen veralteten
Jugendkalendern als frisches Kind unserer Zeit in der auch eine Jugendschrift
die Gebiete der nationalen Geschichte und Sprache und der Naturkunde nicht
übersehen darf. In dieser letzteren Hinsicht möchten wir einen Wunsch aus¬
sprechen, den nämlich, daß die freundlichen Schilderungen der Eigenart der
einzelnen Monate, ihres Thier- und Pflanzenlebens und ihrer Spiele, früher
als bisher erscheinen möchten, pränumerando statt postnumerando. Die Jugend
wird dann doppelten Nutzen von diesen Schilderungen haben. —

Der reiche Inhalt, den die bisherigen Hefte aufweisen, läßt sich kaum in
dtesem'engen Raume aufzählen, geschweige denn im einzelnen würdigen. So,
mögen wenige allgemeine Bemerkungen genügen. In jedem Hefte finden sich


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[0207] zu übertragen, ist und bleibt, wie sich der Verfasser wohl selbst sagen wird, eine unfruchtbare Spekulation. Dagegen halten auch wir — wenigstens unter Umständen — die Gründung von Mägdeherbergen und Asylen für Obdach¬ lose für außerordentlich verdienstlich und die Idee der Gesinde-Prämirungs- vereine zum mindesten für eine ganz glückliche. Freilich wird durch alle diese humanistischen Experimente den auf dem Boden des Gesindewesens anerkannten Uebelständen nicht abgeholfen werden tonnen, so lange nicht das Gesinde auf den Standpunkt sich erhebt, daß es geneigt ist, an seiner geistigen und sittlichen Ausbildung zu arbeiten oder wenigstens arbeiten zu lassen, und so lange dasselbe nicht begreifen lernt, daß die von demselben zu erhebenden Ansprüche nie weiter gehen dürfen, als das Maß seiner Leistungsfähigkeit reicht. F. C. Kleine Besprechungen» Deutsche Jugend. Jllustrirte Monatshefte von Julius Loh¬ meyer, Leipzig, Alphons Dürr. 1873. — Nachdem von diesem, gleich bei seinem Erscheinen von d. Bl. mit lebhafter Freude begrüßten Unternehmen, der erste Band in sechs Monatsheften vollständig, der zweite bereits in vier Heften vor uns liegt, läßt sich unser Urtheil kurz dahin zusammenfassen: Die „Deutsche Jugend" hat gehalten, was sie bei ihrem Erscheinen versprach, und mehr als das. Dieses Lob steht um so höher, je höher die Unternehmer selbst ihre Aufgabe stellten. „Mustergiltiges in Form und Inhalt" zu bieten versprach der erste Prospect dieses Werkes; an die Absichten anzuknüpfen, von denen einst Robert Neinick und Hugo Bürwer, bei der Herausgabe ihres an Sinnigkeit und Anmuth kaum übertroffenen Jugendkalenders ausgingen- Und wirklich lassen sich die bis jetzt vorliegenden Hefte der deutschen Jugend mit diesem reinen, liebenswürdigen Vorbild am ehesten vergleichen. Eine Fülle belehrender Abhandlungen und Schilderungen geschichtlichen, natur¬ wissenschaftlichen und selbst sprachwissenschaftlichen Inhalts legitimirt aber außerdem das Werk im Gegensatz zu jenen immerhin in manchen veralteten Jugendkalendern als frisches Kind unserer Zeit in der auch eine Jugendschrift die Gebiete der nationalen Geschichte und Sprache und der Naturkunde nicht übersehen darf. In dieser letzteren Hinsicht möchten wir einen Wunsch aus¬ sprechen, den nämlich, daß die freundlichen Schilderungen der Eigenart der einzelnen Monate, ihres Thier- und Pflanzenlebens und ihrer Spiele, früher als bisher erscheinen möchten, pränumerando statt postnumerando. Die Jugend wird dann doppelten Nutzen von diesen Schilderungen haben. — Der reiche Inhalt, den die bisherigen Hefte aufweisen, läßt sich kaum in dtesem'engen Raume aufzählen, geschweige denn im einzelnen würdigen. So, mögen wenige allgemeine Bemerkungen genügen. In jedem Hefte finden sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/207>, abgerufen am 05.02.2025.