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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band.

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nieder, der auch der sieglosen Tapferkeit gebührt, Wohl wird die Früchte
seines Wirkens erst das heranwachsende Geschlecht ernten. Aber verloren ist
seine Arbeit nimmer,


Hans Blum.


Aeue Schriften über die sociale Irage.

Die sociale Frage existirt so lange es überhaupt Menschen und Men¬
schenklassen gegeben hat, welche mit den politischen und gesellschaftlichen Zu¬
ständen ihrer Zeit unzufrieden gewesen sind. Dieselbe ist aber gerade jetzt in
Folge der Arbeiterbewegung, die sie veranlaßt, zu einer brennenden Tagesfrage
geworden, und sie muß jetzt schon um deswillen allgemein interessiren, weil
Jedermann bei derselben interessirt ist. In hohem Grade unpolitisch würde
es sein, sich um diese Frage nicht weiter zu bekümmern und die ganze durch
sie hervorgerufene Bewegung für revolutionären Unsinn zu erklären. Im
Gegentheil ist es umsomehr Aufgabe und Ehrenpflicht der Volkswirthschaft,
zu erörtern, inwieweit das Streben, die jetzigen Zustände durch neue politische
und wirthschaftliche Einrichtungen zu ersetzen' gerechtfertigt ist, und dz. wo¬
durch den meist auf dem Gebiete natürlicher Verhältnisse liegenden Uebeln
am schnellsten und sichersten abgeholfen werden kann, als gerade von einem
großen Theile der Leiter der Arbeiterbewegung, den socialistischen Heilkünst¬
lern, das Menschenmöglichste darin geleistet wird in Wort und Schrift über
die sociale Frage soviel Gereimtes und Ungereimtes, halb Wahres und
ganz Falsches, zur Sache Gehöriges und Ungehöriges untereinander zu
mengen, daß die Begriffe der Hörer und Leser, besonders der weniger gebil¬
deten, nothwendig verwirrt werden müssen.

Mag es sein, daß es gerade in der ureigendsten Natur des deutschen
Geistes begründet ist, die einmal erfaßte Sache gründlich zu erörtern und so
lange zu durchforschen, bis wenigstens eine einigermaßen befriedigende Lösung
gefunden worden ist, so wird man doch gerade bei Erörterung dieser Frage
gut thun, daran zu denken und davon auszugehen, daß nun und nimmer¬
mehr die Rede davon sein kann, daß ein Universalmittel gefunden werden
könnte, durch dessen Anwendung sofort die Frage ihre Erledigung finden
werde; es wird vielmehr erforderlich sein, nach den einzelnen auf dem Ge¬
biete natürlicher, sowie allgemeiner socialer Verhältnisse, nicht minder der Ver¬
hältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liegenden und wurzelnden
Uebeln zu forschen und sodann zu erörtern, wodurch diese Uebel herbeigeführt
worden sind und wie denselben abgeholfen werden kann. Von diesem Ge-


nieder, der auch der sieglosen Tapferkeit gebührt, Wohl wird die Früchte
seines Wirkens erst das heranwachsende Geschlecht ernten. Aber verloren ist
seine Arbeit nimmer,


Hans Blum.


Aeue Schriften über die sociale Irage.

Die sociale Frage existirt so lange es überhaupt Menschen und Men¬
schenklassen gegeben hat, welche mit den politischen und gesellschaftlichen Zu¬
ständen ihrer Zeit unzufrieden gewesen sind. Dieselbe ist aber gerade jetzt in
Folge der Arbeiterbewegung, die sie veranlaßt, zu einer brennenden Tagesfrage
geworden, und sie muß jetzt schon um deswillen allgemein interessiren, weil
Jedermann bei derselben interessirt ist. In hohem Grade unpolitisch würde
es sein, sich um diese Frage nicht weiter zu bekümmern und die ganze durch
sie hervorgerufene Bewegung für revolutionären Unsinn zu erklären. Im
Gegentheil ist es umsomehr Aufgabe und Ehrenpflicht der Volkswirthschaft,
zu erörtern, inwieweit das Streben, die jetzigen Zustände durch neue politische
und wirthschaftliche Einrichtungen zu ersetzen' gerechtfertigt ist, und dz. wo¬
durch den meist auf dem Gebiete natürlicher Verhältnisse liegenden Uebeln
am schnellsten und sichersten abgeholfen werden kann, als gerade von einem
großen Theile der Leiter der Arbeiterbewegung, den socialistischen Heilkünst¬
lern, das Menschenmöglichste darin geleistet wird in Wort und Schrift über
die sociale Frage soviel Gereimtes und Ungereimtes, halb Wahres und
ganz Falsches, zur Sache Gehöriges und Ungehöriges untereinander zu
mengen, daß die Begriffe der Hörer und Leser, besonders der weniger gebil¬
deten, nothwendig verwirrt werden müssen.

Mag es sein, daß es gerade in der ureigendsten Natur des deutschen
Geistes begründet ist, die einmal erfaßte Sache gründlich zu erörtern und so
lange zu durchforschen, bis wenigstens eine einigermaßen befriedigende Lösung
gefunden worden ist, so wird man doch gerade bei Erörterung dieser Frage
gut thun, daran zu denken und davon auszugehen, daß nun und nimmer¬
mehr die Rede davon sein kann, daß ein Universalmittel gefunden werden
könnte, durch dessen Anwendung sofort die Frage ihre Erledigung finden
werde; es wird vielmehr erforderlich sein, nach den einzelnen auf dem Ge¬
biete natürlicher, sowie allgemeiner socialer Verhältnisse, nicht minder der Ver¬
hältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liegenden und wurzelnden
Uebeln zu forschen und sodann zu erörtern, wodurch diese Uebel herbeigeführt
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[0200] nieder, der auch der sieglosen Tapferkeit gebührt, Wohl wird die Früchte seines Wirkens erst das heranwachsende Geschlecht ernten. Aber verloren ist seine Arbeit nimmer, Hans Blum. Aeue Schriften über die sociale Irage. Die sociale Frage existirt so lange es überhaupt Menschen und Men¬ schenklassen gegeben hat, welche mit den politischen und gesellschaftlichen Zu¬ ständen ihrer Zeit unzufrieden gewesen sind. Dieselbe ist aber gerade jetzt in Folge der Arbeiterbewegung, die sie veranlaßt, zu einer brennenden Tagesfrage geworden, und sie muß jetzt schon um deswillen allgemein interessiren, weil Jedermann bei derselben interessirt ist. In hohem Grade unpolitisch würde es sein, sich um diese Frage nicht weiter zu bekümmern und die ganze durch sie hervorgerufene Bewegung für revolutionären Unsinn zu erklären. Im Gegentheil ist es umsomehr Aufgabe und Ehrenpflicht der Volkswirthschaft, zu erörtern, inwieweit das Streben, die jetzigen Zustände durch neue politische und wirthschaftliche Einrichtungen zu ersetzen' gerechtfertigt ist, und dz. wo¬ durch den meist auf dem Gebiete natürlicher Verhältnisse liegenden Uebeln am schnellsten und sichersten abgeholfen werden kann, als gerade von einem großen Theile der Leiter der Arbeiterbewegung, den socialistischen Heilkünst¬ lern, das Menschenmöglichste darin geleistet wird in Wort und Schrift über die sociale Frage soviel Gereimtes und Ungereimtes, halb Wahres und ganz Falsches, zur Sache Gehöriges und Ungehöriges untereinander zu mengen, daß die Begriffe der Hörer und Leser, besonders der weniger gebil¬ deten, nothwendig verwirrt werden müssen. Mag es sein, daß es gerade in der ureigendsten Natur des deutschen Geistes begründet ist, die einmal erfaßte Sache gründlich zu erörtern und so lange zu durchforschen, bis wenigstens eine einigermaßen befriedigende Lösung gefunden worden ist, so wird man doch gerade bei Erörterung dieser Frage gut thun, daran zu denken und davon auszugehen, daß nun und nimmer¬ mehr die Rede davon sein kann, daß ein Universalmittel gefunden werden könnte, durch dessen Anwendung sofort die Frage ihre Erledigung finden werde; es wird vielmehr erforderlich sein, nach den einzelnen auf dem Ge¬ biete natürlicher, sowie allgemeiner socialer Verhältnisse, nicht minder der Ver¬ hältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer liegenden und wurzelnden Uebeln zu forschen und sodann zu erörtern, wodurch diese Uebel herbeigeführt worden sind und wie denselben abgeholfen werden kann. Von diesem Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_192802/200>, abgerufen am 05.02.2025.