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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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vom Handelsminister ausgesprochen. -- Der Ritter von Pontenxin dagegen erfreut
sich heute noch seiner Freiheit, obwohl nnter seiner Leitung eine doppelte Bilanz
geführt wurde, eine für die Actionäre und eine für die Verwaltungsräthe. Er
wohnt noch immer in seinem glänzenden Palais und fährt stolz in
seiner Carosse die Ringstraße herab. Und seine Genossen von der Börse sehen
in ihm nur ein Opfer ministerieller Willkür, eines unerhörten Eingriffs in die
herkömmlichen Rechte der Verwaltungsräthe, einen Märtyrer des modernen
Oesterreichs. --




Kulturhistorische und sagengeschichttiche Neuigkeiten.

Die "Essays und Studien von Dr. Hermann Else', Berlin 1872"
bringen, was der Titel allerdings erlaubt, eine sehr buntgemischte Gesellschaft
von kritisch-analytischen Charakterzeichnungen aus der neueren und neuesten
deutschen Literatur und von Skizzen literarischen und sittengeschichtlichen In¬
haltes aus dem Orient, nebst einem selbstgeschaffenen oder vielmehr nach ara¬
bischen Motiven gestalteten "Phantasiestück aus dem Morgenlande." Die
Hauptsache ist, daß wir uns in dieser bunten Gesellschaft sehr wohl befinden.
Der Verfasser ist nicht bloß in seinem eigentlichen Berufsfache, der orienta¬
lischen Literatur und Cultur, berechtigt, ein vollwichtiges Wort mitzusprechen'
sondern auch ein feiner Kenner und Beurtheiler von Poesie und Literatur
überhaupt, wie seine Essays zur neueren und neuesten deutschen Literatur be¬
weisen. Der erste davon "Ein Dichter des Pommerlandes, Karl Lazze" zeich¬
net dieß eigenthümlich liebenswürdige und doch so wenig gekannte Dichterbild
in der anmuthigsten und zugleich objectivsten Weise, denn jene so naheliegende
Verlockung, allen möglichen und unmöglichen Glanz auf den Scheitel eines
solchen, von den Anderen übersehenen, von dem scharfen Auge des Einen
erkannten Genius anzuhäufen, hat Else hier und in anderen ähnlichen Fällen
glücklich vermieden. "Philipp Galen", der im Gegensatz zu Lazze viel, ja all¬
gemein genannte und gelesene fruchtbare Romandichter, ist der Gegenstand
der folgenden kritischen Skizze; "der transatlantische Roman und seine Haupt¬
vertreter in der modernen deutschen Literatur", der der dritten; "Adolph
Böttger" der vierten; "Ein fürstlicher Schriftsteller (Kaiser Maximilian von
Mexico)" der fünften, wobei freilich weniger der objective Werth seiner litera¬
rischen Productionen als vielmehr ihr Affectionswerth, wenn man so sagen
darf, in Rechnung gestellt werden muß. Abgesehen von dem menschlichen
Antheil, den die Person und das Schicksal dieses fürstlichen Dilettanten mit


vom Handelsminister ausgesprochen. — Der Ritter von Pontenxin dagegen erfreut
sich heute noch seiner Freiheit, obwohl nnter seiner Leitung eine doppelte Bilanz
geführt wurde, eine für die Actionäre und eine für die Verwaltungsräthe. Er
wohnt noch immer in seinem glänzenden Palais und fährt stolz in
seiner Carosse die Ringstraße herab. Und seine Genossen von der Börse sehen
in ihm nur ein Opfer ministerieller Willkür, eines unerhörten Eingriffs in die
herkömmlichen Rechte der Verwaltungsräthe, einen Märtyrer des modernen
Oesterreichs. —




Kulturhistorische und sagengeschichttiche Neuigkeiten.

Die „Essays und Studien von Dr. Hermann Else', Berlin 1872"
bringen, was der Titel allerdings erlaubt, eine sehr buntgemischte Gesellschaft
von kritisch-analytischen Charakterzeichnungen aus der neueren und neuesten
deutschen Literatur und von Skizzen literarischen und sittengeschichtlichen In¬
haltes aus dem Orient, nebst einem selbstgeschaffenen oder vielmehr nach ara¬
bischen Motiven gestalteten „Phantasiestück aus dem Morgenlande." Die
Hauptsache ist, daß wir uns in dieser bunten Gesellschaft sehr wohl befinden.
Der Verfasser ist nicht bloß in seinem eigentlichen Berufsfache, der orienta¬
lischen Literatur und Cultur, berechtigt, ein vollwichtiges Wort mitzusprechen'
sondern auch ein feiner Kenner und Beurtheiler von Poesie und Literatur
überhaupt, wie seine Essays zur neueren und neuesten deutschen Literatur be¬
weisen. Der erste davon „Ein Dichter des Pommerlandes, Karl Lazze" zeich¬
net dieß eigenthümlich liebenswürdige und doch so wenig gekannte Dichterbild
in der anmuthigsten und zugleich objectivsten Weise, denn jene so naheliegende
Verlockung, allen möglichen und unmöglichen Glanz auf den Scheitel eines
solchen, von den Anderen übersehenen, von dem scharfen Auge des Einen
erkannten Genius anzuhäufen, hat Else hier und in anderen ähnlichen Fällen
glücklich vermieden. „Philipp Galen", der im Gegensatz zu Lazze viel, ja all¬
gemein genannte und gelesene fruchtbare Romandichter, ist der Gegenstand
der folgenden kritischen Skizze; „der transatlantische Roman und seine Haupt¬
vertreter in der modernen deutschen Literatur", der der dritten; „Adolph
Böttger" der vierten; „Ein fürstlicher Schriftsteller (Kaiser Maximilian von
Mexico)" der fünften, wobei freilich weniger der objective Werth seiner litera¬
rischen Productionen als vielmehr ihr Affectionswerth, wenn man so sagen
darf, in Rechnung gestellt werden muß. Abgesehen von dem menschlichen
Antheil, den die Person und das Schicksal dieses fürstlichen Dilettanten mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/85>, abgerufen am 24.08.2024.