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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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reitender Natur sind, so enthalte ich mich alles Eingehens auf die Gegen¬
stände. Denn dasselbe würde bei Darstellung der Hauptverhandlungen in der
zweiten Lesung zu Wiederholungen führen.

Aehnlich ist es im preußischen Landtag ergangen. Hier haben theils erste,
theils dritte Lesungen stattgefunden. Eine Ausnahme machte nur die Haupt¬
lesung der beiden Gesetzentwürfe über die Grenzen der kirchlichen Strafmittel
und über den Austritt aus der Kirche. Beide Entwürfe waren von der Com¬
mission im Wesentlichen nur redaktionell verbessert, nicht materiell abgeändert.
Die Berathung bot keine wichtigen Momente. Ihr Berichterstatter verhehlt
nicht, daß ihm das Verbot der öffentlichen Bekanntmachung der kirchlichen
Strafen, auch der gesetzlich erlaubten, nicht unbedenklich erscheint. Die Com¬
mission hat zwar den Zusatz eingefügt: "eine auf die Gemeindeglieder be¬
schränkte Mittheilung ist nicht ausgeschlossen"; aber wie soll diese Mittheilung
anders als auf dem Wege der öffentlichen Bekanntmachung erfolgen? Und
was ist hier unter Gemeinde zu verstehen, die Ortsgemeinde oder die Gemeinde
der ganzen Kirche? Es wird Sache der Praxis sein, diese Zweifel zu lösen.

Den Gesetzentwurf über den Austritt aus der Kirche hat die Commission
namentlich nach der Richtung verbessert, daß der Austritt erst innerhalb be¬
stimmter Zeitfristen die Befreiung von den kirchlichen Abgaben und Beiträgen
herbeiführt. Es war auffallend genug, daß nicht nur die Radikalen, sondern
auch die Klerikalen gegen diese Bestimmung auftraten, welche vornehmlich zur
Sicherung der evangelischen Kirche dient. schlagend erwiederte der Referent
Gneist, daß ohne eine solche Bestimmung die Rechtsgrundlage der bestehenden
Kirchen erschüttert und geradezu der Prozeß der Mobilisirung derselben mit
der Eventualität des Concurses eingeleitet werde. Keinesfalls dürfe ein solches
Prinzip mit der ganzen Schwere seiner Wirkungen gelegentlich in ein Gesetz
hineingetragen werden, in dessen Rahmen es gar nicht entschieden werden
solle. Dieß möge der zukünftigen Verfassung der evangelischen Kirche aufge¬
spart bleiben.

Nachdem trotz des klerikalen Einspruches die kirchlichen Vorlagen sämmt¬
lich auch in dritter Lesung erledigt worden, hat der Präsident des Abgeord¬
netenhauses die Ermächtigung erhalten, den Tag und die Tagesordnung der
L--r. nächsten Sitzung erst nach Ostern ansetzen zu dürfen.




M romanischen Völker und die AepuöttK.

Vor einiger Zeit habe ich an einem anderen Orte (im Januarhaft der
Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde) über den Character der
conservativen Republik gesprochen, deren Errichtung gegenwärtig in Frank-


reitender Natur sind, so enthalte ich mich alles Eingehens auf die Gegen¬
stände. Denn dasselbe würde bei Darstellung der Hauptverhandlungen in der
zweiten Lesung zu Wiederholungen führen.

Aehnlich ist es im preußischen Landtag ergangen. Hier haben theils erste,
theils dritte Lesungen stattgefunden. Eine Ausnahme machte nur die Haupt¬
lesung der beiden Gesetzentwürfe über die Grenzen der kirchlichen Strafmittel
und über den Austritt aus der Kirche. Beide Entwürfe waren von der Com¬
mission im Wesentlichen nur redaktionell verbessert, nicht materiell abgeändert.
Die Berathung bot keine wichtigen Momente. Ihr Berichterstatter verhehlt
nicht, daß ihm das Verbot der öffentlichen Bekanntmachung der kirchlichen
Strafen, auch der gesetzlich erlaubten, nicht unbedenklich erscheint. Die Com¬
mission hat zwar den Zusatz eingefügt: „eine auf die Gemeindeglieder be¬
schränkte Mittheilung ist nicht ausgeschlossen"; aber wie soll diese Mittheilung
anders als auf dem Wege der öffentlichen Bekanntmachung erfolgen? Und
was ist hier unter Gemeinde zu verstehen, die Ortsgemeinde oder die Gemeinde
der ganzen Kirche? Es wird Sache der Praxis sein, diese Zweifel zu lösen.

Den Gesetzentwurf über den Austritt aus der Kirche hat die Commission
namentlich nach der Richtung verbessert, daß der Austritt erst innerhalb be¬
stimmter Zeitfristen die Befreiung von den kirchlichen Abgaben und Beiträgen
herbeiführt. Es war auffallend genug, daß nicht nur die Radikalen, sondern
auch die Klerikalen gegen diese Bestimmung auftraten, welche vornehmlich zur
Sicherung der evangelischen Kirche dient. schlagend erwiederte der Referent
Gneist, daß ohne eine solche Bestimmung die Rechtsgrundlage der bestehenden
Kirchen erschüttert und geradezu der Prozeß der Mobilisirung derselben mit
der Eventualität des Concurses eingeleitet werde. Keinesfalls dürfe ein solches
Prinzip mit der ganzen Schwere seiner Wirkungen gelegentlich in ein Gesetz
hineingetragen werden, in dessen Rahmen es gar nicht entschieden werden
solle. Dieß möge der zukünftigen Verfassung der evangelischen Kirche aufge¬
spart bleiben.

Nachdem trotz des klerikalen Einspruches die kirchlichen Vorlagen sämmt¬
lich auch in dritter Lesung erledigt worden, hat der Präsident des Abgeord¬
netenhauses die Ermächtigung erhalten, den Tag und die Tagesordnung der
L—r. nächsten Sitzung erst nach Ostern ansetzen zu dürfen.




M romanischen Völker und die AepuöttK.

Vor einiger Zeit habe ich an einem anderen Orte (im Januarhaft der
Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde) über den Character der
conservativen Republik gesprochen, deren Errichtung gegenwärtig in Frank-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/520>, abgerufen am 24.08.2024.