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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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bon ihrem Rechte, auch wenn es formell noch so begründet, keinen zu weit¬
gehenden Gebrauch zu machen, um nicht Conflicte hervorzurufen, die leicht
das ganze Verhältniß zwischen Regierung und Volksvertretung trübten. In
der That wäre es ein schlimmes Debüt für einen neuen Minister, wenn er
seine erste größere Gesetzesvorlage gegen den Willen einer Majorität der Volks¬
kammer, ob auch mit formeller Berechtigung, durchsetzen wollte. Aber freilich.
Herr von Gerber hat, wie oben gesagt, durch die Solidarität mit der streng¬
kirchlichen und hochtorystischen Partei, in die er auf der Synode sich eingelassen,
sich selbst die Hände gebunden, er ist nicht mehr frei, er steht unter Einflüssen,
von denen, könnte er wie er wollte, sein Heller Verstand ihm sagen müßte,
daß sie unheilvolle sind für ihn und seine ganze fernere Wirksamkeit als
Minister.

Könnte denn wohl auch ein Volksschulgesetz, und möchte es noch so viel
Gutes enthalten, das Zutrauen im Volke finden, dessen es zu seiner vollen
Wirksamkeit bedarf, wenn sich an sein Erscheinen der -- stillschweigende oder
ausgesprochene -- Protest einer Mehrheit der gesetzlichen Vertreter des
Dr. K. Volkes heftete?




Gom preußischen Landtag.

Die Sitzungen der vorigen Woche waren mit fortgesetzter Budgetberathung
und kleineren technischen Vorlagen ausgefüllt bis zu der gestrigen. In der
Sitzung vom 14. Februar verlas der Ministerpräsident die königliche Botschaft,
welche mit Bezug auf die von dem Abgeordneten Laster gerügten Uebelstände
beim Eisenbahnwesen eine Spezialuntersuchungscommission einsetzt und den
Landtag zur Betheiligung an derselben einladet. Die in manchen Abgeord¬
netenkreisen der königlichen Untersuchungscommission im ersten Anfang ent¬
gegentretenden Bedenken, als ob dieselbe verhindert werden könne, die ihr
obliegende Aufgabe mit dem ganzen erforderlichen Nachdruck zu verfolgen,
hatten größtenteils wohl schon einer anderen Erwartung Platz gemacht/als
die Sitzung des 15. Februar eröffnet wurde. Der Rest solcher Bedenken
schwand vor der zweimaligen Erklärung des Ministerpräsidenten, welche der¬
selbe zuerst auf die Rede des Abgeordneten Laster, dann auf die Aeußerungen
des Abgeordneten Löwe abgab. Der Abgeordnete Laster hatte namentlich
hervorgehoben, daß jedes einzelne Mitglied der königlichen Commission in
Bezug auf die Ausdehnung der Untersuchung und ebenso in Bezug auf die Benutzung
der Untersuchungsmittel, welche der Commission überhaupt zustehen, dasselbe Recht
haben müsse, wie die ganze Commission. Es kann bei einer Commission, die
überhaupt nur aus neun Mitgliedern besteht, nicht die Majorität an die
Stelle der Commission gesetzt werden. Die Beschlüsse der letzteren müssen ent¬
weder entweder einstimmig gefaßt werden oder die abweichenden Beschlüsse der
einzelnen Mitglieder haben zu gelten als eben so viele gleichberechtigte Com¬
missionsbeschlüsse. Nur so hat das im Sinne des Königs mit dem größten
Ernst angeordnete Werk die Aussicht auf den vollen Erfolg. Nachdem der
Ministerpräsident wiederholt erklärt hatte, daß in die für die Untersuchungs¬
commission zu erlassende Instruktion die vom Abgeordneten Laster geforderte


bon ihrem Rechte, auch wenn es formell noch so begründet, keinen zu weit¬
gehenden Gebrauch zu machen, um nicht Conflicte hervorzurufen, die leicht
das ganze Verhältniß zwischen Regierung und Volksvertretung trübten. In
der That wäre es ein schlimmes Debüt für einen neuen Minister, wenn er
seine erste größere Gesetzesvorlage gegen den Willen einer Majorität der Volks¬
kammer, ob auch mit formeller Berechtigung, durchsetzen wollte. Aber freilich.
Herr von Gerber hat, wie oben gesagt, durch die Solidarität mit der streng¬
kirchlichen und hochtorystischen Partei, in die er auf der Synode sich eingelassen,
sich selbst die Hände gebunden, er ist nicht mehr frei, er steht unter Einflüssen,
von denen, könnte er wie er wollte, sein Heller Verstand ihm sagen müßte,
daß sie unheilvolle sind für ihn und seine ganze fernere Wirksamkeit als
Minister.

Könnte denn wohl auch ein Volksschulgesetz, und möchte es noch so viel
Gutes enthalten, das Zutrauen im Volke finden, dessen es zu seiner vollen
Wirksamkeit bedarf, wenn sich an sein Erscheinen der — stillschweigende oder
ausgesprochene — Protest einer Mehrheit der gesetzlichen Vertreter des
Dr. K. Volkes heftete?




Gom preußischen Landtag.

Die Sitzungen der vorigen Woche waren mit fortgesetzter Budgetberathung
und kleineren technischen Vorlagen ausgefüllt bis zu der gestrigen. In der
Sitzung vom 14. Februar verlas der Ministerpräsident die königliche Botschaft,
welche mit Bezug auf die von dem Abgeordneten Laster gerügten Uebelstände
beim Eisenbahnwesen eine Spezialuntersuchungscommission einsetzt und den
Landtag zur Betheiligung an derselben einladet. Die in manchen Abgeord¬
netenkreisen der königlichen Untersuchungscommission im ersten Anfang ent¬
gegentretenden Bedenken, als ob dieselbe verhindert werden könne, die ihr
obliegende Aufgabe mit dem ganzen erforderlichen Nachdruck zu verfolgen,
hatten größtenteils wohl schon einer anderen Erwartung Platz gemacht/als
die Sitzung des 15. Februar eröffnet wurde. Der Rest solcher Bedenken
schwand vor der zweimaligen Erklärung des Ministerpräsidenten, welche der¬
selbe zuerst auf die Rede des Abgeordneten Laster, dann auf die Aeußerungen
des Abgeordneten Löwe abgab. Der Abgeordnete Laster hatte namentlich
hervorgehoben, daß jedes einzelne Mitglied der königlichen Commission in
Bezug auf die Ausdehnung der Untersuchung und ebenso in Bezug auf die Benutzung
der Untersuchungsmittel, welche der Commission überhaupt zustehen, dasselbe Recht
haben müsse, wie die ganze Commission. Es kann bei einer Commission, die
überhaupt nur aus neun Mitgliedern besteht, nicht die Majorität an die
Stelle der Commission gesetzt werden. Die Beschlüsse der letzteren müssen ent¬
weder entweder einstimmig gefaßt werden oder die abweichenden Beschlüsse der
einzelnen Mitglieder haben zu gelten als eben so viele gleichberechtigte Com¬
missionsbeschlüsse. Nur so hat das im Sinne des Königs mit dem größten
Ernst angeordnete Werk die Aussicht auf den vollen Erfolg. Nachdem der
Ministerpräsident wiederholt erklärt hatte, daß in die für die Untersuchungs¬
commission zu erlassende Instruktion die vom Abgeordneten Laster geforderte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/327>, abgerufen am 24.08.2024.