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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Gevatter" weniger gerne in Neuses gesehen gewesen oder weniger oft ge¬
kommen wäre, oder wie die reactionäre Romantik Schubarts, wie wir sahen,
an der alterprobten Freundschaft nichts änderte. --




Aus der Keimath des Khampagners.
(Nach der Pakt Malt Gazette.)
I.

Just vor hundert und fünf und siebzig Jahren, als die Macht und der
Glanz Ludwigs des Vierzehnten zu verbleichen begannen, wurde von einem
Mitglied der Bruderschaft der königlichen Benedictinerabtei Sanct Peter, die
schmuck zwischen die Neben und Pappeln auf den Abhängen der Marne nicht
weit vom Weiler Hautvillers gebettet lag, die glückliche Entdeckung gemacht,
daß der Wein der Gegend effervescirende Eigenschaften besitze. Als ein stiller
Wein war er schon längst weithin bekannt und geehrt. Karl der Siebente
hatte ihn geschlürft, als er mit der Jungfrau von Orleans nach Reims ge¬
kommen war, um sich krönen zu lassen. Heinrich der Achte und Franz der
Erste hatten ihm gebührende Ehre Wiedersahren lassen auf dem "Felde des
goldnen Tuches", und der Kaiser Karl der Fünfte sowie Papst Leo der Zehnte
hatten jedes Jahr ihre regelmäßigen Einkäufer in Ap, die sich nach Kräften
bestrebten, einander zu überlisten und sich für die Tafel ihrer Herren die besten
Sorten vor der Nase wegzulaufen.

Dom Perignon, der Vorläufer der Clicquots, Munus und Roederers
unsrer Tage, war der wohlbestellte Bursarius seiner Abtei und hatte in dieser
Eigenschaft die Verwaltung der weitgedehnten Rebländereien seiner Ordensge¬
meinde in den Händen. Er beaufsichtigte das Keltern der Trauben, über¬
wachte die Gährung, leitete die Aufbewahrung des gewonnenen Rebensaftes
und sorgte, daß auch die gebräuchliche Lieferung jedes zehnten Fasses, welche
die Mutter Kirche von den Winzern der Nachbarschaft in Anspruch nahm,
zu rechter Zeit erfolgte und in den gewölbten Kellern des alten Klosters Un¬
terkunft fand. Da dieser Zehnte in gleicher Weise von mittelmäßigem Weine
wie von gutem genommen wurde, so pflegte Vater Perignon jenen mit den
Weinen anderer und edlerer Weinberge zu "vermählen", und mit der Zeit
wurde er Meister in diesem Verfahren. Im Verlauf dieser Versuche aber
brachte er durch reinen Zufall einen Schaumwein zu Stande, den wir in mehr
wissenschaftlich behandelter Gestalt heutzutage unter dem allgemeinen Namen
Champagner oder (wenn wir Leutnants sind oder waren) Sect kennen.


Gevatter" weniger gerne in Neuses gesehen gewesen oder weniger oft ge¬
kommen wäre, oder wie die reactionäre Romantik Schubarts, wie wir sahen,
an der alterprobten Freundschaft nichts änderte. —




Aus der Keimath des Khampagners.
(Nach der Pakt Malt Gazette.)
I.

Just vor hundert und fünf und siebzig Jahren, als die Macht und der
Glanz Ludwigs des Vierzehnten zu verbleichen begannen, wurde von einem
Mitglied der Bruderschaft der königlichen Benedictinerabtei Sanct Peter, die
schmuck zwischen die Neben und Pappeln auf den Abhängen der Marne nicht
weit vom Weiler Hautvillers gebettet lag, die glückliche Entdeckung gemacht,
daß der Wein der Gegend effervescirende Eigenschaften besitze. Als ein stiller
Wein war er schon längst weithin bekannt und geehrt. Karl der Siebente
hatte ihn geschlürft, als er mit der Jungfrau von Orleans nach Reims ge¬
kommen war, um sich krönen zu lassen. Heinrich der Achte und Franz der
Erste hatten ihm gebührende Ehre Wiedersahren lassen auf dem „Felde des
goldnen Tuches", und der Kaiser Karl der Fünfte sowie Papst Leo der Zehnte
hatten jedes Jahr ihre regelmäßigen Einkäufer in Ap, die sich nach Kräften
bestrebten, einander zu überlisten und sich für die Tafel ihrer Herren die besten
Sorten vor der Nase wegzulaufen.

Dom Perignon, der Vorläufer der Clicquots, Munus und Roederers
unsrer Tage, war der wohlbestellte Bursarius seiner Abtei und hatte in dieser
Eigenschaft die Verwaltung der weitgedehnten Rebländereien seiner Ordensge¬
meinde in den Händen. Er beaufsichtigte das Keltern der Trauben, über¬
wachte die Gährung, leitete die Aufbewahrung des gewonnenen Rebensaftes
und sorgte, daß auch die gebräuchliche Lieferung jedes zehnten Fasses, welche
die Mutter Kirche von den Winzern der Nachbarschaft in Anspruch nahm,
zu rechter Zeit erfolgte und in den gewölbten Kellern des alten Klosters Un¬
terkunft fand. Da dieser Zehnte in gleicher Weise von mittelmäßigem Weine
wie von gutem genommen wurde, so pflegte Vater Perignon jenen mit den
Weinen anderer und edlerer Weinberge zu „vermählen", und mit der Zeit
wurde er Meister in diesem Verfahren. Im Verlauf dieser Versuche aber
brachte er durch reinen Zufall einen Schaumwein zu Stande, den wir in mehr
wissenschaftlich behandelter Gestalt heutzutage unter dem allgemeinen Namen
Champagner oder (wenn wir Leutnants sind oder waren) Sect kennen.


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[0259] Gevatter" weniger gerne in Neuses gesehen gewesen oder weniger oft ge¬ kommen wäre, oder wie die reactionäre Romantik Schubarts, wie wir sahen, an der alterprobten Freundschaft nichts änderte. — Aus der Keimath des Khampagners. (Nach der Pakt Malt Gazette.) I. Just vor hundert und fünf und siebzig Jahren, als die Macht und der Glanz Ludwigs des Vierzehnten zu verbleichen begannen, wurde von einem Mitglied der Bruderschaft der königlichen Benedictinerabtei Sanct Peter, die schmuck zwischen die Neben und Pappeln auf den Abhängen der Marne nicht weit vom Weiler Hautvillers gebettet lag, die glückliche Entdeckung gemacht, daß der Wein der Gegend effervescirende Eigenschaften besitze. Als ein stiller Wein war er schon längst weithin bekannt und geehrt. Karl der Siebente hatte ihn geschlürft, als er mit der Jungfrau von Orleans nach Reims ge¬ kommen war, um sich krönen zu lassen. Heinrich der Achte und Franz der Erste hatten ihm gebührende Ehre Wiedersahren lassen auf dem „Felde des goldnen Tuches", und der Kaiser Karl der Fünfte sowie Papst Leo der Zehnte hatten jedes Jahr ihre regelmäßigen Einkäufer in Ap, die sich nach Kräften bestrebten, einander zu überlisten und sich für die Tafel ihrer Herren die besten Sorten vor der Nase wegzulaufen. Dom Perignon, der Vorläufer der Clicquots, Munus und Roederers unsrer Tage, war der wohlbestellte Bursarius seiner Abtei und hatte in dieser Eigenschaft die Verwaltung der weitgedehnten Rebländereien seiner Ordensge¬ meinde in den Händen. Er beaufsichtigte das Keltern der Trauben, über¬ wachte die Gährung, leitete die Aufbewahrung des gewonnenen Rebensaftes und sorgte, daß auch die gebräuchliche Lieferung jedes zehnten Fasses, welche die Mutter Kirche von den Winzern der Nachbarschaft in Anspruch nahm, zu rechter Zeit erfolgte und in den gewölbten Kellern des alten Klosters Un¬ terkunft fand. Da dieser Zehnte in gleicher Weise von mittelmäßigem Weine wie von gutem genommen wurde, so pflegte Vater Perignon jenen mit den Weinen anderer und edlerer Weinberge zu „vermählen", und mit der Zeit wurde er Meister in diesem Verfahren. Im Verlauf dieser Versuche aber brachte er durch reinen Zufall einen Schaumwein zu Stande, den wir in mehr wissenschaftlich behandelter Gestalt heutzutage unter dem allgemeinen Namen Champagner oder (wenn wir Leutnants sind oder waren) Sect kennen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/259>, abgerufen am 24.08.2024.