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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band.

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Aus Friedrich Jörster's Uachlasz.

Kunst und Leben. Aus Friedrich Förster's Nachlaß. Herausgegeben von
Hermann Klette/)

Abgesehen von dem in keiner Weise zu motivirenden Haupttitel des
Buches, den der Herausgeber gewählt hat, kann uns diese literarische
Gabe nur befriedigen. Das Buch bietet, wie der übrige Titel, an dem es
vollständig genug gewesen wäre, besagt, Reminiscenzen aus Friedrich Förster's
Leben, die in seiner bekannten anziehenden, frischen Weise geschrieben sind.
Im ersten Abschnitte des Buches erfahren wir viel Interessantes aus Förster's
Jugend- und Gymnasialjahren, welche er in Altenburg verlebte; und die Ver¬
kettung seines Lebens mit so anziehenden Persönlichkeiten, wie die des Director
Matthias und des originellen Professor Messerschmidt, sowie die Verbindung
mit den einflußreichsten Familien der Stadt und Umgegend gibt der Schilde¬
rung einen ganz besonderen Reiz, weil sie in voller Wahrheit das Leben einer
Kleinstadt so frisch charakterisirt. daß man sich Schritt für Schritt von diesem
Bilde angezogen fühlt. Ungleich bedeutsamer ist die daran sich reihende
Schilderung der Reise Förster's nach Dresden und des dortigen Aufenthaltes,
da er uns viel aus dem mit Schiller und Goethe befreundeten Körner'schen
Hause zu erzählen weiß, was wichtig für die Biographie beider ist und einen
bleibenden Werth behalten wird. Auch andere Dresdener hervorragende Per¬
sönlichkeiten erhalten ihr Licht und ihren Schatten aus dieser Schilderung, und
in diesem Theile liegt unstreitig der Schwerpunkt der ganzen literarischen
Leistung. Im Ganzen sind die Erinnerungen an Goethe, welche sich dieser
Reisebeschreibung anschließen, mit Ausnahme weniger Stellen nicht bedeutend
und die Unterhaltungen mit Goethe haben auch nicht die Ausdehnung und
Frische wie das Vorhergehende. Offenbar hat Förster diese Aphorismen sehr
spät niedergeschrieben und es bedürfte, wie man leicht sieht, mancherlei ge¬
zwungener Anknüpfungspunkte, um dies oder jenes von Goethe'schen Bemer¬
kungen der Unterhaltung in der Darstellung noch zur Geltung bringen zu
können. Auch ist manches nicht von der Art, daß es unbedingten Werth hat,
namentlich wenn man die Ausführlichkeit in Rücksicht zieht, aber immerhin
kann man z. B. die Schilderungen aus dem Jenenser Studentenleben mit in
den Kauf nehmen, weil das Ganze anziehend geschrieben ist und uns, nament¬
lich den, der die Verhältnisse auch durchlebt, in keiner Weise unbefriedigt läßt.

Was die Correctheit der Förster'schen Darstellung betrifft, so läßt sich
an manchen Stellen eine kleine Einwendung erheben, und auch dem Heraus-



') Inhalt - Aus der Jugendzeit. Erinnerungen an Goethe. Berlin. Verlag von Gebrüder
Paetel 1873.
Aus Friedrich Jörster's Uachlasz.

Kunst und Leben. Aus Friedrich Förster's Nachlaß. Herausgegeben von
Hermann Klette/)

Abgesehen von dem in keiner Weise zu motivirenden Haupttitel des
Buches, den der Herausgeber gewählt hat, kann uns diese literarische
Gabe nur befriedigen. Das Buch bietet, wie der übrige Titel, an dem es
vollständig genug gewesen wäre, besagt, Reminiscenzen aus Friedrich Förster's
Leben, die in seiner bekannten anziehenden, frischen Weise geschrieben sind.
Im ersten Abschnitte des Buches erfahren wir viel Interessantes aus Förster's
Jugend- und Gymnasialjahren, welche er in Altenburg verlebte; und die Ver¬
kettung seines Lebens mit so anziehenden Persönlichkeiten, wie die des Director
Matthias und des originellen Professor Messerschmidt, sowie die Verbindung
mit den einflußreichsten Familien der Stadt und Umgegend gibt der Schilde¬
rung einen ganz besonderen Reiz, weil sie in voller Wahrheit das Leben einer
Kleinstadt so frisch charakterisirt. daß man sich Schritt für Schritt von diesem
Bilde angezogen fühlt. Ungleich bedeutsamer ist die daran sich reihende
Schilderung der Reise Förster's nach Dresden und des dortigen Aufenthaltes,
da er uns viel aus dem mit Schiller und Goethe befreundeten Körner'schen
Hause zu erzählen weiß, was wichtig für die Biographie beider ist und einen
bleibenden Werth behalten wird. Auch andere Dresdener hervorragende Per¬
sönlichkeiten erhalten ihr Licht und ihren Schatten aus dieser Schilderung, und
in diesem Theile liegt unstreitig der Schwerpunkt der ganzen literarischen
Leistung. Im Ganzen sind die Erinnerungen an Goethe, welche sich dieser
Reisebeschreibung anschließen, mit Ausnahme weniger Stellen nicht bedeutend
und die Unterhaltungen mit Goethe haben auch nicht die Ausdehnung und
Frische wie das Vorhergehende. Offenbar hat Förster diese Aphorismen sehr
spät niedergeschrieben und es bedürfte, wie man leicht sieht, mancherlei ge¬
zwungener Anknüpfungspunkte, um dies oder jenes von Goethe'schen Bemer¬
kungen der Unterhaltung in der Darstellung noch zur Geltung bringen zu
können. Auch ist manches nicht von der Art, daß es unbedingten Werth hat,
namentlich wenn man die Ausführlichkeit in Rücksicht zieht, aber immerhin
kann man z. B. die Schilderungen aus dem Jenenser Studentenleben mit in
den Kauf nehmen, weil das Ganze anziehend geschrieben ist und uns, nament¬
lich den, der die Verhältnisse auch durchlebt, in keiner Weise unbefriedigt läßt.

Was die Correctheit der Förster'schen Darstellung betrifft, so läßt sich
an manchen Stellen eine kleine Einwendung erheben, und auch dem Heraus-



') Inhalt - Aus der Jugendzeit. Erinnerungen an Goethe. Berlin. Verlag von Gebrüder
Paetel 1873.
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[0166] Aus Friedrich Jörster's Uachlasz. Kunst und Leben. Aus Friedrich Förster's Nachlaß. Herausgegeben von Hermann Klette/) Abgesehen von dem in keiner Weise zu motivirenden Haupttitel des Buches, den der Herausgeber gewählt hat, kann uns diese literarische Gabe nur befriedigen. Das Buch bietet, wie der übrige Titel, an dem es vollständig genug gewesen wäre, besagt, Reminiscenzen aus Friedrich Förster's Leben, die in seiner bekannten anziehenden, frischen Weise geschrieben sind. Im ersten Abschnitte des Buches erfahren wir viel Interessantes aus Förster's Jugend- und Gymnasialjahren, welche er in Altenburg verlebte; und die Ver¬ kettung seines Lebens mit so anziehenden Persönlichkeiten, wie die des Director Matthias und des originellen Professor Messerschmidt, sowie die Verbindung mit den einflußreichsten Familien der Stadt und Umgegend gibt der Schilde¬ rung einen ganz besonderen Reiz, weil sie in voller Wahrheit das Leben einer Kleinstadt so frisch charakterisirt. daß man sich Schritt für Schritt von diesem Bilde angezogen fühlt. Ungleich bedeutsamer ist die daran sich reihende Schilderung der Reise Förster's nach Dresden und des dortigen Aufenthaltes, da er uns viel aus dem mit Schiller und Goethe befreundeten Körner'schen Hause zu erzählen weiß, was wichtig für die Biographie beider ist und einen bleibenden Werth behalten wird. Auch andere Dresdener hervorragende Per¬ sönlichkeiten erhalten ihr Licht und ihren Schatten aus dieser Schilderung, und in diesem Theile liegt unstreitig der Schwerpunkt der ganzen literarischen Leistung. Im Ganzen sind die Erinnerungen an Goethe, welche sich dieser Reisebeschreibung anschließen, mit Ausnahme weniger Stellen nicht bedeutend und die Unterhaltungen mit Goethe haben auch nicht die Ausdehnung und Frische wie das Vorhergehende. Offenbar hat Förster diese Aphorismen sehr spät niedergeschrieben und es bedürfte, wie man leicht sieht, mancherlei ge¬ zwungener Anknüpfungspunkte, um dies oder jenes von Goethe'schen Bemer¬ kungen der Unterhaltung in der Darstellung noch zur Geltung bringen zu können. Auch ist manches nicht von der Art, daß es unbedingten Werth hat, namentlich wenn man die Ausführlichkeit in Rücksicht zieht, aber immerhin kann man z. B. die Schilderungen aus dem Jenenser Studentenleben mit in den Kauf nehmen, weil das Ganze anziehend geschrieben ist und uns, nament¬ lich den, der die Verhältnisse auch durchlebt, in keiner Weise unbefriedigt läßt. Was die Correctheit der Förster'schen Darstellung betrifft, so läßt sich an manchen Stellen eine kleine Einwendung erheben, und auch dem Heraus- ') Inhalt - Aus der Jugendzeit. Erinnerungen an Goethe. Berlin. Verlag von Gebrüder Paetel 1873.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_128991/166>, abgerufen am 24.08.2024.