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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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Die Deakpartei ist ohne Frage durch Intelligenz der Führer und durch
staatsmännische Disciplin der Menge die hervorragendste. Sie hat bekannt¬
lich den Ausgleich von 1867 geschaffen und ist fortwährend die Stütze des¬
selben. In dieser Partei ist die Einsicht verbreitet, daß ohne die Hülfe des
übrigen Oesterreich Ungarn weder auf die Dauer die slavischen und überhaupt
die fremden Elemente im eigenen Königreich beherrschen, noch die Aufgaben
der Balkanhalbinsel lösen kann. Der einzige Vorwurf, der die Partei trifft,
ist, daß sie auf dem Gebiete der inneren Reform, bei der Abstellung aristo¬
kratischer Mißbräuche, jedenfalls durch gewisse Elemente in ihrer eigenen Mitte
gebunden, zu wenig Energie gezeigt hat.

Unter den österreichischen Parteien kann die centralistische oder deutsche
Partei neuerdings nicht mehr als Gegnerin des Ausgleichs von 1867 aufge¬
faßt werden. Nur auf der Basis dieses Ausgleichs hat die Partei Aussicht,
der czechischen, slovakischen und slovenischen Elemente Herr zu werden und zu
bleiben. Die Polen in das österreichische Staatsinteresse zu ziehen und zur
nothwendigen Mäßigung und Parteidisciplin zu vermögen, bleibt eine dornige,
aber neuerdings doch mit Aussicht auf Erfolg unternommene Aufgabe. Wenn
sie gelöst wird, so wird der Schwerpunkt der Monarchie trotz dem dualistischen
Ausgleich in Wien, d. h. bei der deutsch-österreichischen Bevölkerung verblei¬
ben, und Ungarn, auf die Hülfe Deutsch-Oesterreichs beständig angewiesen,
wird sich daran gewöhnen, daß der Dualismus ihm nur eine relative Selbst-
ständigkeit gegeben hat und immerdar geben kann.

Die mannigfaltigsten Leidenschaften werden sich gegen das normale Ver¬
hältniß der österreichischen Staatskräfte wieder und wieder ausbäumen und die
Bildung des richtigen Gleichgewichtes erschweren. Das Gelingen hängt da¬
von ab, ob das deutsche Element sich der geistigen Führung gewachsen zeigt;
und diese Fähigkeit wiederum hängt davon ab, ob die Schwingen des deut¬
schen Geistes nicht, wie in so langen Jahren, durch den Ultramontanismus
gelähmt werden. Können die Deutschen in Oesterreich sich vor diesem Feinde
retten, so verschaffen sie sich selbst die Fähigkeit, die Monarchie zu retten.




Kleine Aesprechungen.

Straßburg im sechszehnten Jahrhundert (1600--1698). Re¬
formationsgeschichte der Stadt Straßburg von Julius R ath geber, Pfar¬
rer in den Vogesen. Stuttgart, I. F. Steintopf 1871. -- Dieses Werk
ist bereits vor dem Kriege geschrieben, in deutschem Geiste, und in die Welt


Die Deakpartei ist ohne Frage durch Intelligenz der Führer und durch
staatsmännische Disciplin der Menge die hervorragendste. Sie hat bekannt¬
lich den Ausgleich von 1867 geschaffen und ist fortwährend die Stütze des¬
selben. In dieser Partei ist die Einsicht verbreitet, daß ohne die Hülfe des
übrigen Oesterreich Ungarn weder auf die Dauer die slavischen und überhaupt
die fremden Elemente im eigenen Königreich beherrschen, noch die Aufgaben
der Balkanhalbinsel lösen kann. Der einzige Vorwurf, der die Partei trifft,
ist, daß sie auf dem Gebiete der inneren Reform, bei der Abstellung aristo¬
kratischer Mißbräuche, jedenfalls durch gewisse Elemente in ihrer eigenen Mitte
gebunden, zu wenig Energie gezeigt hat.

Unter den österreichischen Parteien kann die centralistische oder deutsche
Partei neuerdings nicht mehr als Gegnerin des Ausgleichs von 1867 aufge¬
faßt werden. Nur auf der Basis dieses Ausgleichs hat die Partei Aussicht,
der czechischen, slovakischen und slovenischen Elemente Herr zu werden und zu
bleiben. Die Polen in das österreichische Staatsinteresse zu ziehen und zur
nothwendigen Mäßigung und Parteidisciplin zu vermögen, bleibt eine dornige,
aber neuerdings doch mit Aussicht auf Erfolg unternommene Aufgabe. Wenn
sie gelöst wird, so wird der Schwerpunkt der Monarchie trotz dem dualistischen
Ausgleich in Wien, d. h. bei der deutsch-österreichischen Bevölkerung verblei¬
ben, und Ungarn, auf die Hülfe Deutsch-Oesterreichs beständig angewiesen,
wird sich daran gewöhnen, daß der Dualismus ihm nur eine relative Selbst-
ständigkeit gegeben hat und immerdar geben kann.

Die mannigfaltigsten Leidenschaften werden sich gegen das normale Ver¬
hältniß der österreichischen Staatskräfte wieder und wieder ausbäumen und die
Bildung des richtigen Gleichgewichtes erschweren. Das Gelingen hängt da¬
von ab, ob das deutsche Element sich der geistigen Führung gewachsen zeigt;
und diese Fähigkeit wiederum hängt davon ab, ob die Schwingen des deut¬
schen Geistes nicht, wie in so langen Jahren, durch den Ultramontanismus
gelähmt werden. Können die Deutschen in Oesterreich sich vor diesem Feinde
retten, so verschaffen sie sich selbst die Fähigkeit, die Monarchie zu retten.




Kleine Aesprechungen.

Straßburg im sechszehnten Jahrhundert (1600—1698). Re¬
formationsgeschichte der Stadt Straßburg von Julius R ath geber, Pfar¬
rer in den Vogesen. Stuttgart, I. F. Steintopf 1871. — Dieses Werk
ist bereits vor dem Kriege geschrieben, in deutschem Geiste, und in die Welt


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[0519] Die Deakpartei ist ohne Frage durch Intelligenz der Führer und durch staatsmännische Disciplin der Menge die hervorragendste. Sie hat bekannt¬ lich den Ausgleich von 1867 geschaffen und ist fortwährend die Stütze des¬ selben. In dieser Partei ist die Einsicht verbreitet, daß ohne die Hülfe des übrigen Oesterreich Ungarn weder auf die Dauer die slavischen und überhaupt die fremden Elemente im eigenen Königreich beherrschen, noch die Aufgaben der Balkanhalbinsel lösen kann. Der einzige Vorwurf, der die Partei trifft, ist, daß sie auf dem Gebiete der inneren Reform, bei der Abstellung aristo¬ kratischer Mißbräuche, jedenfalls durch gewisse Elemente in ihrer eigenen Mitte gebunden, zu wenig Energie gezeigt hat. Unter den österreichischen Parteien kann die centralistische oder deutsche Partei neuerdings nicht mehr als Gegnerin des Ausgleichs von 1867 aufge¬ faßt werden. Nur auf der Basis dieses Ausgleichs hat die Partei Aussicht, der czechischen, slovakischen und slovenischen Elemente Herr zu werden und zu bleiben. Die Polen in das österreichische Staatsinteresse zu ziehen und zur nothwendigen Mäßigung und Parteidisciplin zu vermögen, bleibt eine dornige, aber neuerdings doch mit Aussicht auf Erfolg unternommene Aufgabe. Wenn sie gelöst wird, so wird der Schwerpunkt der Monarchie trotz dem dualistischen Ausgleich in Wien, d. h. bei der deutsch-österreichischen Bevölkerung verblei¬ ben, und Ungarn, auf die Hülfe Deutsch-Oesterreichs beständig angewiesen, wird sich daran gewöhnen, daß der Dualismus ihm nur eine relative Selbst- ständigkeit gegeben hat und immerdar geben kann. Die mannigfaltigsten Leidenschaften werden sich gegen das normale Ver¬ hältniß der österreichischen Staatskräfte wieder und wieder ausbäumen und die Bildung des richtigen Gleichgewichtes erschweren. Das Gelingen hängt da¬ von ab, ob das deutsche Element sich der geistigen Führung gewachsen zeigt; und diese Fähigkeit wiederum hängt davon ab, ob die Schwingen des deut¬ schen Geistes nicht, wie in so langen Jahren, durch den Ultramontanismus gelähmt werden. Können die Deutschen in Oesterreich sich vor diesem Feinde retten, so verschaffen sie sich selbst die Fähigkeit, die Monarchie zu retten. Kleine Aesprechungen. Straßburg im sechszehnten Jahrhundert (1600—1698). Re¬ formationsgeschichte der Stadt Straßburg von Julius R ath geber, Pfar¬ rer in den Vogesen. Stuttgart, I. F. Steintopf 1871. — Dieses Werk ist bereits vor dem Kriege geschrieben, in deutschem Geiste, und in die Welt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/519>, abgerufen am 26.06.2024.