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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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nicht blos Redensart, wenn wir sagen, daß durch das vorliegende Werk eine
Lücke in unserer Literatur ausgefüllt ist.


Richard An dree.


Die italienische "Schlacht bei AorKing "

Der typisch gewordenen und unseren Lesern bekannten Schlacht bei Dorking
sind zahlreiche Nachahmungen in England selbst gefolgt, welche je nach dem
politischen Standpunkt des Verfassers gefärbt und nach dessen literarischer Be¬
fähigung gut oder schlecht durchgeführt waren. Das Original ist aber nicht
erreicht worden und erst jetzt, nachdem man die geistreiche Idee auf fremden
Boden verpflanzt hat, nachdem sie auf ein anderes Gebiet übergespielt wurde,
erhielt der Originaltypus ein Seitenstück in einer italienischen Schlacht bei
Dorking. die unter dem Titel "Erzählung eines Küstenwächters" von
einem Anonymus herausgegeben wurde und in Italien großes Aufsehen macht.

Bei den engen Beziehungen, welche zwischen Italien und Deutschland
jetzt herrschen, bei der Uebereinstimmung der äußern Politik beider Staaten
wird ein Eingehen auf die Erzählungen des alten Küstenwächters -- man
nennt einen Abgeordneten, ja den italienischen Admiral als Verfasser -- am
Platze sein. Seitdem Venetien mit Italien vereinigt wurde und Oesterreich
alle Gedanken an dessen Wiedergewinnung aufgab, wurde die Flotte, die bei
Lissa so schlecht ihre Probe bestanden, das Stiefkind der Italiener/ Gegen
Oesterreich brauchte man sie nicht mehr und der Gedanke, sie einer Flotte
ersten Ranges, wie der französischen, ebenbürtig zu machen, kam den Italienern
nicht in den Sinn. War auch jemals an einen Zusammenstoß mit Frankreich
zu denken? Hatte der damals noch fest im Sattel sitzende Napoleon III. nicht
Pathenstelle bei dem einigen Italien gestanden? Und zwei "lateinische" Nationen,
wie konnten diese jemals in Zwist mit einander gerathen! Auch die zerrütteten
Finanzen Italiens verlangten Ersparnisse aller Art und so kam es denn, daß
man zuerst bei der Flotte zu krausem begann, ein Marineetablissement nach
dem andern in seinem Etat gewaltig beschnitt, ein Panzerfahrzeug nach dem
andern außer Dienst stellte. Der "alte Küstenwächter" erhebt nun hiergegen
seine Stimme, er will die Gefahren zeigen, die Italien von Frankreich her
drohen, will seine Nation auf dem qui vive erhalten und die Flotte wieder
in Stand gesetzt sehen. Während der Engländer die "Schlacht bei Dorking"
auf dem Lande schlagen läßt, verlegt der Italiener sie auf das Meer. Er
beginnt seine Erzählung mit einem historischen Rückblick, in welchem er den
Zustand des heutigen Italiens treffend schildert.


nicht blos Redensart, wenn wir sagen, daß durch das vorliegende Werk eine
Lücke in unserer Literatur ausgefüllt ist.


Richard An dree.


Die italienische „Schlacht bei AorKing "

Der typisch gewordenen und unseren Lesern bekannten Schlacht bei Dorking
sind zahlreiche Nachahmungen in England selbst gefolgt, welche je nach dem
politischen Standpunkt des Verfassers gefärbt und nach dessen literarischer Be¬
fähigung gut oder schlecht durchgeführt waren. Das Original ist aber nicht
erreicht worden und erst jetzt, nachdem man die geistreiche Idee auf fremden
Boden verpflanzt hat, nachdem sie auf ein anderes Gebiet übergespielt wurde,
erhielt der Originaltypus ein Seitenstück in einer italienischen Schlacht bei
Dorking. die unter dem Titel „Erzählung eines Küstenwächters" von
einem Anonymus herausgegeben wurde und in Italien großes Aufsehen macht.

Bei den engen Beziehungen, welche zwischen Italien und Deutschland
jetzt herrschen, bei der Uebereinstimmung der äußern Politik beider Staaten
wird ein Eingehen auf die Erzählungen des alten Küstenwächters — man
nennt einen Abgeordneten, ja den italienischen Admiral als Verfasser — am
Platze sein. Seitdem Venetien mit Italien vereinigt wurde und Oesterreich
alle Gedanken an dessen Wiedergewinnung aufgab, wurde die Flotte, die bei
Lissa so schlecht ihre Probe bestanden, das Stiefkind der Italiener/ Gegen
Oesterreich brauchte man sie nicht mehr und der Gedanke, sie einer Flotte
ersten Ranges, wie der französischen, ebenbürtig zu machen, kam den Italienern
nicht in den Sinn. War auch jemals an einen Zusammenstoß mit Frankreich
zu denken? Hatte der damals noch fest im Sattel sitzende Napoleon III. nicht
Pathenstelle bei dem einigen Italien gestanden? Und zwei „lateinische" Nationen,
wie konnten diese jemals in Zwist mit einander gerathen! Auch die zerrütteten
Finanzen Italiens verlangten Ersparnisse aller Art und so kam es denn, daß
man zuerst bei der Flotte zu krausem begann, ein Marineetablissement nach
dem andern in seinem Etat gewaltig beschnitt, ein Panzerfahrzeug nach dem
andern außer Dienst stellte. Der „alte Küstenwächter" erhebt nun hiergegen
seine Stimme, er will die Gefahren zeigen, die Italien von Frankreich her
drohen, will seine Nation auf dem qui vive erhalten und die Flotte wieder
in Stand gesetzt sehen. Während der Engländer die „Schlacht bei Dorking"
auf dem Lande schlagen läßt, verlegt der Italiener sie auf das Meer. Er
beginnt seine Erzählung mit einem historischen Rückblick, in welchem er den
Zustand des heutigen Italiens treffend schildert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/28>, abgerufen am 30.12.2024.