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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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wirst uns den Sieg verleihen, gewaltige Jungfrau (Pallas Athene), und nach
dem Siege wirst Du uns, ohne ^>aß wir furchtbare Erschütterungen durchzu-
machen haben, die Ruhe, die Ordnung und die wahre Wohlfahrt einer durch
Prüfung geläuterten Nation wiedergeben. Möge es so sein, wir erwarten es
von Deiner Barmherzigkeit, o gute, o mächtige, o crbarmungsvolle und mit¬
leidige Jungfrau Maria. Amen.




Dom deutschen Keichstag.

Am 27. Mai kamen die Ausgaben für die Marine im Reichstag zur Sprache.
Dies ist jedesmal gewissermaßen ein unerfreuliches Capitel. Die deutsche Kriegs¬
marine hat namentlich in unseren Küstengegenden begreiflicherweise lebhafte
Anhänger d. h. Anhänger nicht dessen was sie ist, sondern dessen was sie werden
soll. Diese Anhänger versteigen sich gelegentlich zu der Anklage, daß man in
Berlin von der Kriegsmarine am liebsten gar nichts hören wolle. Andererseits
müssen wir aber trotz aller verhältnißmäßigen Gunst unserer Finanzlage sehen,
wo wir mit unseren Ausgaben bleiben. Die Feststellung unseres Flottengrün¬
dungsplanes können wir mit gutem Gewissen nicht eher vornehmen, als bis
wir den Ausgabeplan des Landheeres, der jetzt bis zum Ende des Jahres 1874
nur mit einem Pauschquantum festgestellt ist, auf eine lange Reihe von Jahren
vereinbart haben. Wir müssen auch die Deckungsfrage der Reichsausgaben
vor allen Dingen bereinigt haben. So lange so wichtige Capitel unserer
Finanzordnung in der Luft schweben, wäre es gradezu unverantwortlich, einen
Marineplan zu verfolgen, der zu unabsehbaren Ausgaben führt. So viel
übersehen wir jetzt schon, daß eine nennenswerthe Marine nur dadurch ge¬
schaffen werden kann, daß wir Schulden machen. Diese Gewißheit legt uns
aber um so dringender die Pflicht auf, zu einer solchen Gründung nicht eher
zu schreiten, bis unsere Finanzen so regulirt sind, daß wir die für die Marine
zu machenden Schulden verzinsen und amortisiren können. Der Zwischenzu¬
stand nun ist für die Marine freilich fehr unangenehm; sie schwebt zwischen
Leben und Sterben. Gleichwohl müssen wir den Klagen taube Ohren ent¬
gegensetzen und einzig und allein damit uns beeilen, die dauerhaften Grund¬
lagen der Reichsfinanzwirthschaft zu errichten. -- Die Einzelheiten aus den
Verhandlungen über die Marine haben bei dem jetzigen Zustand der Dinge
gar kein Interesse. Es sind Privatansichten und Wünsche, die in den Wind
hinein ertönen. Erst wenn wir wissen, was wir für die Marine übrig haben,
bezw. für sie aufbringen können, kann von der Sache überhaupt ernsthaft ge¬
sprochen werden.


wirst uns den Sieg verleihen, gewaltige Jungfrau (Pallas Athene), und nach
dem Siege wirst Du uns, ohne ^>aß wir furchtbare Erschütterungen durchzu-
machen haben, die Ruhe, die Ordnung und die wahre Wohlfahrt einer durch
Prüfung geläuterten Nation wiedergeben. Möge es so sein, wir erwarten es
von Deiner Barmherzigkeit, o gute, o mächtige, o crbarmungsvolle und mit¬
leidige Jungfrau Maria. Amen.




Dom deutschen Keichstag.

Am 27. Mai kamen die Ausgaben für die Marine im Reichstag zur Sprache.
Dies ist jedesmal gewissermaßen ein unerfreuliches Capitel. Die deutsche Kriegs¬
marine hat namentlich in unseren Küstengegenden begreiflicherweise lebhafte
Anhänger d. h. Anhänger nicht dessen was sie ist, sondern dessen was sie werden
soll. Diese Anhänger versteigen sich gelegentlich zu der Anklage, daß man in
Berlin von der Kriegsmarine am liebsten gar nichts hören wolle. Andererseits
müssen wir aber trotz aller verhältnißmäßigen Gunst unserer Finanzlage sehen,
wo wir mit unseren Ausgaben bleiben. Die Feststellung unseres Flottengrün¬
dungsplanes können wir mit gutem Gewissen nicht eher vornehmen, als bis
wir den Ausgabeplan des Landheeres, der jetzt bis zum Ende des Jahres 1874
nur mit einem Pauschquantum festgestellt ist, auf eine lange Reihe von Jahren
vereinbart haben. Wir müssen auch die Deckungsfrage der Reichsausgaben
vor allen Dingen bereinigt haben. So lange so wichtige Capitel unserer
Finanzordnung in der Luft schweben, wäre es gradezu unverantwortlich, einen
Marineplan zu verfolgen, der zu unabsehbaren Ausgaben führt. So viel
übersehen wir jetzt schon, daß eine nennenswerthe Marine nur dadurch ge¬
schaffen werden kann, daß wir Schulden machen. Diese Gewißheit legt uns
aber um so dringender die Pflicht auf, zu einer solchen Gründung nicht eher
zu schreiten, bis unsere Finanzen so regulirt sind, daß wir die für die Marine
zu machenden Schulden verzinsen und amortisiren können. Der Zwischenzu¬
stand nun ist für die Marine freilich fehr unangenehm; sie schwebt zwischen
Leben und Sterben. Gleichwohl müssen wir den Klagen taube Ohren ent¬
gegensetzen und einzig und allein damit uns beeilen, die dauerhaften Grund¬
lagen der Reichsfinanzwirthschaft zu errichten. — Die Einzelheiten aus den
Verhandlungen über die Marine haben bei dem jetzigen Zustand der Dinge
gar kein Interesse. Es sind Privatansichten und Wünsche, die in den Wind
hinein ertönen. Erst wenn wir wissen, was wir für die Marine übrig haben,
bezw. für sie aufbringen können, kann von der Sache überhaupt ernsthaft ge¬
sprochen werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/433>, abgerufen am 22.07.2024.