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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Bevölkerung von Paris ist. Ach, mein Lieber, wenn wir anderen Leute von
französischer Zunge einen leichtsinnigen Charakter haben, können wir doch
nicht fühllos und kalt bleiben vor einer Noth wie die, welche sich in diesem
Augenblicke zeigt, während London, diese ungeheure Stadt mit ihrer Million
Arbeiter, ihren gewaltigen Vereinen, ihren Trade-Unions .... wohlan, mit
alle dem, all diesen Vorzügen, die in unseren Händen Wunder thun würden,
läßt es eine Gesellschaft, welcher es selbst das Leben gegeben, sterben, und das
wegen selbstsüchtiger Reglements; denn bis jetzt ist nur eine Summe von
500 Franken bewilligt, die anderen Vereine haben uns gesagt, wir möchten
warten. Ohne Zweifel wird das Heilmittel eintreffen, nachdem der Kranke
aufgehört hat, zu existiren; aber in den Augen der Engländer sind Regle¬
ments Dinge, die man sorgfältig beachten muß, und das genügt ihnen."

"Was kann", so fragt Villetard, "der Betrag der durch alle diese regel¬
mäßigen und freiwilligen Zahlungen erzielten Summen sein? Es ist uns
absolut unmöglich, ihn auch nur annähernd festzustellen. Gewiß ist nur, daß
diese wegen der großen Zahl der Bundesmitglieder jedenfalls sehr beträcht¬
lichen Summen stets unzureichend sind, weil die jeden Augenblick ausbrechen¬
den Strikes unermeßlich viel Geld zur Unterstützung erfordern."




Z)er Streit um die Lchtheit von A Dürer's Portrait-
Kohlenzeichnungen.

Gleichzeitig mit dem wissenschaftlichen Streit wegen der Originalität von
Holbeins beiden Madonnen in Darmstadt und Dresden, welcher, obgleich nur
dem Gebiete der Kunstforscher angehörend, doch die ganze gebildete Welt
Deutschlands in hohem Grade interessirt hat, entstand ein anderer kunst¬
wissenschaftlicher Streit, welcher in weiten Kreisen mit Interesse verfolgt wird,
aber anscheinend noch zu keinem sichern Resultat geführt hat. Es handelt
sich um die Echtheit der bekannten, flüchtig mit Kohle gezeichneten Portrait-
Skizzen, angeblich aus Dürers Skizzenbuch, deren Publication die Hofbuch¬
handlung S. Sold an in Nürnberg gelegentlich des vorjährigen Dürer-
Jubiläums, in vortrefflichen Facsimiles begonnen hat.

Diese Zeichnungen, früher im Besitz des bekannten Nürnberger Sammlers
v. Derschau, dann des Biographen Dürers, I. Heller in Bamberg, jetzt
theils in der Stadtbibliothek zu Bamberg, theils in der königl. Kupferstich¬
sammlung zu Berlin und'in dem großherzoglichen Museum zu Weimar, zu-


Bevölkerung von Paris ist. Ach, mein Lieber, wenn wir anderen Leute von
französischer Zunge einen leichtsinnigen Charakter haben, können wir doch
nicht fühllos und kalt bleiben vor einer Noth wie die, welche sich in diesem
Augenblicke zeigt, während London, diese ungeheure Stadt mit ihrer Million
Arbeiter, ihren gewaltigen Vereinen, ihren Trade-Unions .... wohlan, mit
alle dem, all diesen Vorzügen, die in unseren Händen Wunder thun würden,
läßt es eine Gesellschaft, welcher es selbst das Leben gegeben, sterben, und das
wegen selbstsüchtiger Reglements; denn bis jetzt ist nur eine Summe von
500 Franken bewilligt, die anderen Vereine haben uns gesagt, wir möchten
warten. Ohne Zweifel wird das Heilmittel eintreffen, nachdem der Kranke
aufgehört hat, zu existiren; aber in den Augen der Engländer sind Regle¬
ments Dinge, die man sorgfältig beachten muß, und das genügt ihnen."

„Was kann", so fragt Villetard, „der Betrag der durch alle diese regel¬
mäßigen und freiwilligen Zahlungen erzielten Summen sein? Es ist uns
absolut unmöglich, ihn auch nur annähernd festzustellen. Gewiß ist nur, daß
diese wegen der großen Zahl der Bundesmitglieder jedenfalls sehr beträcht¬
lichen Summen stets unzureichend sind, weil die jeden Augenblick ausbrechen¬
den Strikes unermeßlich viel Geld zur Unterstützung erfordern."




Z)er Streit um die Lchtheit von A Dürer's Portrait-
Kohlenzeichnungen.

Gleichzeitig mit dem wissenschaftlichen Streit wegen der Originalität von
Holbeins beiden Madonnen in Darmstadt und Dresden, welcher, obgleich nur
dem Gebiete der Kunstforscher angehörend, doch die ganze gebildete Welt
Deutschlands in hohem Grade interessirt hat, entstand ein anderer kunst¬
wissenschaftlicher Streit, welcher in weiten Kreisen mit Interesse verfolgt wird,
aber anscheinend noch zu keinem sichern Resultat geführt hat. Es handelt
sich um die Echtheit der bekannten, flüchtig mit Kohle gezeichneten Portrait-
Skizzen, angeblich aus Dürers Skizzenbuch, deren Publication die Hofbuch¬
handlung S. Sold an in Nürnberg gelegentlich des vorjährigen Dürer-
Jubiläums, in vortrefflichen Facsimiles begonnen hat.

Diese Zeichnungen, früher im Besitz des bekannten Nürnberger Sammlers
v. Derschau, dann des Biographen Dürers, I. Heller in Bamberg, jetzt
theils in der Stadtbibliothek zu Bamberg, theils in der königl. Kupferstich¬
sammlung zu Berlin und'in dem großherzoglichen Museum zu Weimar, zu-


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[0035] Bevölkerung von Paris ist. Ach, mein Lieber, wenn wir anderen Leute von französischer Zunge einen leichtsinnigen Charakter haben, können wir doch nicht fühllos und kalt bleiben vor einer Noth wie die, welche sich in diesem Augenblicke zeigt, während London, diese ungeheure Stadt mit ihrer Million Arbeiter, ihren gewaltigen Vereinen, ihren Trade-Unions .... wohlan, mit alle dem, all diesen Vorzügen, die in unseren Händen Wunder thun würden, läßt es eine Gesellschaft, welcher es selbst das Leben gegeben, sterben, und das wegen selbstsüchtiger Reglements; denn bis jetzt ist nur eine Summe von 500 Franken bewilligt, die anderen Vereine haben uns gesagt, wir möchten warten. Ohne Zweifel wird das Heilmittel eintreffen, nachdem der Kranke aufgehört hat, zu existiren; aber in den Augen der Engländer sind Regle¬ ments Dinge, die man sorgfältig beachten muß, und das genügt ihnen." „Was kann", so fragt Villetard, „der Betrag der durch alle diese regel¬ mäßigen und freiwilligen Zahlungen erzielten Summen sein? Es ist uns absolut unmöglich, ihn auch nur annähernd festzustellen. Gewiß ist nur, daß diese wegen der großen Zahl der Bundesmitglieder jedenfalls sehr beträcht¬ lichen Summen stets unzureichend sind, weil die jeden Augenblick ausbrechen¬ den Strikes unermeßlich viel Geld zur Unterstützung erfordern." Z)er Streit um die Lchtheit von A Dürer's Portrait- Kohlenzeichnungen. Gleichzeitig mit dem wissenschaftlichen Streit wegen der Originalität von Holbeins beiden Madonnen in Darmstadt und Dresden, welcher, obgleich nur dem Gebiete der Kunstforscher angehörend, doch die ganze gebildete Welt Deutschlands in hohem Grade interessirt hat, entstand ein anderer kunst¬ wissenschaftlicher Streit, welcher in weiten Kreisen mit Interesse verfolgt wird, aber anscheinend noch zu keinem sichern Resultat geführt hat. Es handelt sich um die Echtheit der bekannten, flüchtig mit Kohle gezeichneten Portrait- Skizzen, angeblich aus Dürers Skizzenbuch, deren Publication die Hofbuch¬ handlung S. Sold an in Nürnberg gelegentlich des vorjährigen Dürer- Jubiläums, in vortrefflichen Facsimiles begonnen hat. Diese Zeichnungen, früher im Besitz des bekannten Nürnberger Sammlers v. Derschau, dann des Biographen Dürers, I. Heller in Bamberg, jetzt theils in der Stadtbibliothek zu Bamberg, theils in der königl. Kupferstich¬ sammlung zu Berlin und'in dem großherzoglichen Museum zu Weimar, zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/35>, abgerufen am 22.07.2024.