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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Hujiav Wasas Politik gegen die römische Kirche.
von
Karl Fischer.

Es waren harte Jahre schwerer Prüfung, bitterer Noth, verzweifelten
Kampfes, die der junge Gustav Erichsson zu erdulden und zu bestehen hatte,
bis er am 7. Juni 1523 zum Könige Schwedens gewählt wurde.*) Und
noch war das meiste ihm zu thun übrig. Leichter war, in Schweden König
werden, als König bleiben; waren doch von vier Königen aus dem Geschlecht
der Folkunger in den ersten sieben Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts drei entfernt
worden; hatten doch von den folgenden sieben Königen nur zwei in Schweden die
Krone behaupten können. -- Wie überall, hatte die römische Hierarchie auf ihrem
Rundgang durch Europa bei guter Zeit in Schweden ihren festen Sitz aufgeschlagen.
Schon Erich der Heilige hatte circa 1160 gestattet, der Kirche Vermächt¬
nisse in jedem Betrag und in jeder Form zu machen; unter seinen Nachfol¬
gern erlangte der Klerus die Exemtion von der Laiengerichtsbarkeit, die Ab-
gabensreiheit und das Recht Zehnten zu erheben, dessen sich die römischen
Kleriker als praktische Leute fleißig bedienten.

Wie in Westeuropa die Kreuzzüge die Gemüther für das Ertragen der
hierarchischen Macht empfänglicher machten, so sah der Klerus in Schweden
sein Ansehen und seinen Einfluß nicht wenig gehoben durch die Heerzüge ge¬
gen die heidnischen Finnen im 12. und 13. Jahrhundert. Freilich wurden
hier, wie zwei Jahrhunderte später auf der pyrenäischen Halbinsel, religiöser
Eiser und Abenteuerlust besser belohnt als bei den Zügen jener abendländischen
Ritter, die im Orient verkümmerten und sich verbluteten. Der schwedische
Adel hat nicht minder gut verstanden, sich mit der Hierarchie in Macht und
Besitz zu theilen, wie seine Standesgenossen in Westeuropa; er regierte mit
den Prälaten das Land im Reichsrath, wählte den König und herrschte in
seinen Territorien als Statthalter des Königs unumschränkt; nur die dürf¬
tigen Ueberreste der alten Provinzialfreiheiten der Bauern scheute er anzutasten.
Volk und König fühlten sich gleich schwer gedrückt. Auch die Zeit der Union



') Das Beste über Gustav Wasa bietet die Geschichte Schwedens von E. G. Geyer.
Grenzbote" II. 1872. 21
Hujiav Wasas Politik gegen die römische Kirche.
von
Karl Fischer.

Es waren harte Jahre schwerer Prüfung, bitterer Noth, verzweifelten
Kampfes, die der junge Gustav Erichsson zu erdulden und zu bestehen hatte,
bis er am 7. Juni 1523 zum Könige Schwedens gewählt wurde.*) Und
noch war das meiste ihm zu thun übrig. Leichter war, in Schweden König
werden, als König bleiben; waren doch von vier Königen aus dem Geschlecht
der Folkunger in den ersten sieben Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts drei entfernt
worden; hatten doch von den folgenden sieben Königen nur zwei in Schweden die
Krone behaupten können. — Wie überall, hatte die römische Hierarchie auf ihrem
Rundgang durch Europa bei guter Zeit in Schweden ihren festen Sitz aufgeschlagen.
Schon Erich der Heilige hatte circa 1160 gestattet, der Kirche Vermächt¬
nisse in jedem Betrag und in jeder Form zu machen; unter seinen Nachfol¬
gern erlangte der Klerus die Exemtion von der Laiengerichtsbarkeit, die Ab-
gabensreiheit und das Recht Zehnten zu erheben, dessen sich die römischen
Kleriker als praktische Leute fleißig bedienten.

Wie in Westeuropa die Kreuzzüge die Gemüther für das Ertragen der
hierarchischen Macht empfänglicher machten, so sah der Klerus in Schweden
sein Ansehen und seinen Einfluß nicht wenig gehoben durch die Heerzüge ge¬
gen die heidnischen Finnen im 12. und 13. Jahrhundert. Freilich wurden
hier, wie zwei Jahrhunderte später auf der pyrenäischen Halbinsel, religiöser
Eiser und Abenteuerlust besser belohnt als bei den Zügen jener abendländischen
Ritter, die im Orient verkümmerten und sich verbluteten. Der schwedische
Adel hat nicht minder gut verstanden, sich mit der Hierarchie in Macht und
Besitz zu theilen, wie seine Standesgenossen in Westeuropa; er regierte mit
den Prälaten das Land im Reichsrath, wählte den König und herrschte in
seinen Territorien als Statthalter des Königs unumschränkt; nur die dürf¬
tigen Ueberreste der alten Provinzialfreiheiten der Bauern scheute er anzutasten.
Volk und König fühlten sich gleich schwer gedrückt. Auch die Zeit der Union



') Das Beste über Gustav Wasa bietet die Geschichte Schwedens von E. G. Geyer.
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[0169] Hujiav Wasas Politik gegen die römische Kirche. von Karl Fischer. Es waren harte Jahre schwerer Prüfung, bitterer Noth, verzweifelten Kampfes, die der junge Gustav Erichsson zu erdulden und zu bestehen hatte, bis er am 7. Juni 1523 zum Könige Schwedens gewählt wurde.*) Und noch war das meiste ihm zu thun übrig. Leichter war, in Schweden König werden, als König bleiben; waren doch von vier Königen aus dem Geschlecht der Folkunger in den ersten sieben Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts drei entfernt worden; hatten doch von den folgenden sieben Königen nur zwei in Schweden die Krone behaupten können. — Wie überall, hatte die römische Hierarchie auf ihrem Rundgang durch Europa bei guter Zeit in Schweden ihren festen Sitz aufgeschlagen. Schon Erich der Heilige hatte circa 1160 gestattet, der Kirche Vermächt¬ nisse in jedem Betrag und in jeder Form zu machen; unter seinen Nachfol¬ gern erlangte der Klerus die Exemtion von der Laiengerichtsbarkeit, die Ab- gabensreiheit und das Recht Zehnten zu erheben, dessen sich die römischen Kleriker als praktische Leute fleißig bedienten. Wie in Westeuropa die Kreuzzüge die Gemüther für das Ertragen der hierarchischen Macht empfänglicher machten, so sah der Klerus in Schweden sein Ansehen und seinen Einfluß nicht wenig gehoben durch die Heerzüge ge¬ gen die heidnischen Finnen im 12. und 13. Jahrhundert. Freilich wurden hier, wie zwei Jahrhunderte später auf der pyrenäischen Halbinsel, religiöser Eiser und Abenteuerlust besser belohnt als bei den Zügen jener abendländischen Ritter, die im Orient verkümmerten und sich verbluteten. Der schwedische Adel hat nicht minder gut verstanden, sich mit der Hierarchie in Macht und Besitz zu theilen, wie seine Standesgenossen in Westeuropa; er regierte mit den Prälaten das Land im Reichsrath, wählte den König und herrschte in seinen Territorien als Statthalter des Königs unumschränkt; nur die dürf¬ tigen Ueberreste der alten Provinzialfreiheiten der Bauern scheute er anzutasten. Volk und König fühlten sich gleich schwer gedrückt. Auch die Zeit der Union ') Das Beste über Gustav Wasa bietet die Geschichte Schwedens von E. G. Geyer. Grenzbote» II. 1872. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/169>, abgerufen am 22.07.2024.