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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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Souveränität unreifer demokratisirender Vorstellungen. Man kann das Gesetz
betrachten als die erste Frucht der Staatslehre von Rudolph Gneist auf dem
praktischen Felde deutscher Gesetzgebung, wobei nicht verschwiegen werden kann
noch soll, daß die tiefe Staatsauffassung, der das Gesetz seinen Charakter ver¬
dankt, durch entgegenstehende Einflüsse älterer Gewöhnung und Doctrin hier
und da verdunkelt worden. --

Das Herrenhaus hat vor den Osterferien die Gesetzentwürfe über den
Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, sowie über
die Grundbuchordnung nebst Kostentarif, so wie sie aus dem Abgeordneten¬
haus zurückgekommen, unverändert genehmigt. Das Herrenhaus, bei welchem
diese Gesetzentwürfe diesmal zuerst eingebracht worden, hatte den Kostentanf
gegen die Regierungsvorlage bedeutend herabgesetzt und die Regierung hatte
in Anbetracht der günstigen Finanzlage zugestimmt. Dagegen hatte das Ab¬
geordnetenhaus, wie wir seinerzeit berichtet, einige unzweckmäßige Veränder¬
ungen des Herrenhauses an der Regierungsvorlage über den Eigenthums¬
erwerb beseitigt. Nachdem nun das Herrenhaus dieser Beseitigung zuge¬
stimmt, ist eine der heilsamsten Reformen der Rechtsgesetzgebung in befrie¬
digender, man wird vielleicht bald sagen können in classisch-musterhafter Weise
zum Abschluß gebracht.


<ü -- r.


Me Autonomie und die Hroszgrundbesttzer in Assam.

Gestatten Sie, daß ich noch einmal auf einen Gegenstand zu sprechen
komme, von dem wünschenswert!) ist, daß man sich in Deutschland über ihn
vollkommen klar sei. Ich meine den Charakter unserer Großgrundbesitzer,
dieses wichtigen Elements in der Opposition gegen die Verfassung Cisleitha-
niens. Die deutsche Presse verfällt in dieser Beziehung, obwohl diese Herren
wiederholt schon, u. A. auch in den Grünen Blättern, des Scheins, mit dem
sie sich umgeben, entkleidet worden sind, in manchen ihrer Organe immer
wieder unrichtigen Auffassungen.

Unsere böhmischen Großgrundbesitzer werden bei der nahen Entscheidung
die Hauptrolle spielen. Man behauptet jetzt, daß in beiden Curien derselben
Wahlen zu hoffen sind, welche die Regierung und die Verfassungspartei be¬
friedigen. Doch wollen wir den Tag nicht vor dem Abend loben. Jeden¬
falls gehörte die Mehrheit der begüterten Aristokratie Böhmens in den letzten


Souveränität unreifer demokratisirender Vorstellungen. Man kann das Gesetz
betrachten als die erste Frucht der Staatslehre von Rudolph Gneist auf dem
praktischen Felde deutscher Gesetzgebung, wobei nicht verschwiegen werden kann
noch soll, daß die tiefe Staatsauffassung, der das Gesetz seinen Charakter ver¬
dankt, durch entgegenstehende Einflüsse älterer Gewöhnung und Doctrin hier
und da verdunkelt worden. —

Das Herrenhaus hat vor den Osterferien die Gesetzentwürfe über den
Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, sowie über
die Grundbuchordnung nebst Kostentarif, so wie sie aus dem Abgeordneten¬
haus zurückgekommen, unverändert genehmigt. Das Herrenhaus, bei welchem
diese Gesetzentwürfe diesmal zuerst eingebracht worden, hatte den Kostentanf
gegen die Regierungsvorlage bedeutend herabgesetzt und die Regierung hatte
in Anbetracht der günstigen Finanzlage zugestimmt. Dagegen hatte das Ab¬
geordnetenhaus, wie wir seinerzeit berichtet, einige unzweckmäßige Veränder¬
ungen des Herrenhauses an der Regierungsvorlage über den Eigenthums¬
erwerb beseitigt. Nachdem nun das Herrenhaus dieser Beseitigung zuge¬
stimmt, ist eine der heilsamsten Reformen der Rechtsgesetzgebung in befrie¬
digender, man wird vielleicht bald sagen können in classisch-musterhafter Weise
zum Abschluß gebracht.


<ü — r.


Me Autonomie und die Hroszgrundbesttzer in Assam.

Gestatten Sie, daß ich noch einmal auf einen Gegenstand zu sprechen
komme, von dem wünschenswert!) ist, daß man sich in Deutschland über ihn
vollkommen klar sei. Ich meine den Charakter unserer Großgrundbesitzer,
dieses wichtigen Elements in der Opposition gegen die Verfassung Cisleitha-
niens. Die deutsche Presse verfällt in dieser Beziehung, obwohl diese Herren
wiederholt schon, u. A. auch in den Grünen Blättern, des Scheins, mit dem
sie sich umgeben, entkleidet worden sind, in manchen ihrer Organe immer
wieder unrichtigen Auffassungen.

Unsere böhmischen Großgrundbesitzer werden bei der nahen Entscheidung
die Hauptrolle spielen. Man behauptet jetzt, daß in beiden Curien derselben
Wahlen zu hoffen sind, welche die Regierung und die Verfassungspartei be¬
friedigen. Doch wollen wir den Tag nicht vor dem Abend loben. Jeden¬
falls gehörte die Mehrheit der begüterten Aristokratie Böhmens in den letzten


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[0124] Souveränität unreifer demokratisirender Vorstellungen. Man kann das Gesetz betrachten als die erste Frucht der Staatslehre von Rudolph Gneist auf dem praktischen Felde deutscher Gesetzgebung, wobei nicht verschwiegen werden kann noch soll, daß die tiefe Staatsauffassung, der das Gesetz seinen Charakter ver¬ dankt, durch entgegenstehende Einflüsse älterer Gewöhnung und Doctrin hier und da verdunkelt worden. — Das Herrenhaus hat vor den Osterferien die Gesetzentwürfe über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, sowie über die Grundbuchordnung nebst Kostentarif, so wie sie aus dem Abgeordneten¬ haus zurückgekommen, unverändert genehmigt. Das Herrenhaus, bei welchem diese Gesetzentwürfe diesmal zuerst eingebracht worden, hatte den Kostentanf gegen die Regierungsvorlage bedeutend herabgesetzt und die Regierung hatte in Anbetracht der günstigen Finanzlage zugestimmt. Dagegen hatte das Ab¬ geordnetenhaus, wie wir seinerzeit berichtet, einige unzweckmäßige Veränder¬ ungen des Herrenhauses an der Regierungsvorlage über den Eigenthums¬ erwerb beseitigt. Nachdem nun das Herrenhaus dieser Beseitigung zuge¬ stimmt, ist eine der heilsamsten Reformen der Rechtsgesetzgebung in befrie¬ digender, man wird vielleicht bald sagen können in classisch-musterhafter Weise zum Abschluß gebracht. <ü — r. Me Autonomie und die Hroszgrundbesttzer in Assam. Gestatten Sie, daß ich noch einmal auf einen Gegenstand zu sprechen komme, von dem wünschenswert!) ist, daß man sich in Deutschland über ihn vollkommen klar sei. Ich meine den Charakter unserer Großgrundbesitzer, dieses wichtigen Elements in der Opposition gegen die Verfassung Cisleitha- niens. Die deutsche Presse verfällt in dieser Beziehung, obwohl diese Herren wiederholt schon, u. A. auch in den Grünen Blättern, des Scheins, mit dem sie sich umgeben, entkleidet worden sind, in manchen ihrer Organe immer wieder unrichtigen Auffassungen. Unsere böhmischen Großgrundbesitzer werden bei der nahen Entscheidung die Hauptrolle spielen. Man behauptet jetzt, daß in beiden Curien derselben Wahlen zu hoffen sind, welche die Regierung und die Verfassungspartei be¬ friedigen. Doch wollen wir den Tag nicht vor dem Abend loben. Jeden¬ falls gehörte die Mehrheit der begüterten Aristokratie Böhmens in den letzten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/124>, abgerufen am 22.07.2024.