Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Die Mormonen am groszen Salzsee. 3, Zustände und Sitten in Neujerusalem. Das neue Jerusalem der Mormonen, von den Profanen Saltlake-City Wer die Schilderungen gewisser englischer Touristen liest, muß glauben, Der Flächenraum, den die Stadt bedeckt, beträgt genau vier Quadrat¬ Die Mormonen am groszen Salzsee. 3, Zustände und Sitten in Neujerusalem. Das neue Jerusalem der Mormonen, von den Profanen Saltlake-City Wer die Schilderungen gewisser englischer Touristen liest, muß glauben, Der Flächenraum, den die Stadt bedeckt, beträgt genau vier Quadrat¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0373" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192674"/> </div> <div n="1"> <head> Die Mormonen am groszen Salzsee.</head><lb/> <div n="2"> <head> 3, Zustände und Sitten in Neujerusalem.</head><lb/> <p xml:id="ID_1370"> Das neue Jerusalem der Mormonen, von den Profanen Saltlake-City<lb/> oder die Salzsee-Stadt genannt, liegt nicht, wie man glauben könnte, unmit¬<lb/> telbar an dem großen Salzsee von Utah, sondern etwa 16 englische Meilen<lb/> von demselben entfernt, am westlichen Abhang des Wahsatch-Gebirgs und über<lb/> einem schönen klaren Strom, welcher der Abfluß des Utahsee's in den großen<lb/> Salzsee ist und von den Mormonen den Namen des westlichen Jordan er¬<lb/> halten hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1371"> Wer die Schilderungen gewisser englischer Touristen liest, muß glauben,<lb/> das Zion der Mormonen sei eine Prachtstadt, ein Weltwunder. In der<lb/> Wirklichkeit ist es ein ziemlich elender Ort, der an Schönheit, Wohlstand und<lb/> Gewerbfleiß von sehr vielen jüngeren Städten des fernen Westens übertroffen<lb/> Wird, und der, um nur einige Beispiele für seine geringe Entwicklung zu dem<lb/> anzuführen, was wir heutzutage unter einer Stadt verstehen, weder nächtliche<lb/> Beleuchtung, noch ein einigermaßen genügendes System von Abflüssen und<lb/> nur auf einer einzigen Straße Pflaster besitzt. Die prachtvolle Landschaft, in<lb/> welcher der Ort liegt, die herrlichen, zum Theil mit ewigem Schnee gekrönten<lb/> Berggipfel, welche in seiner Umgebung sich erheben, mögen die überdies aus<lb/> der Wüste kommenden und durch den Contrast in ihrem Urtheil gestörten<lb/> Reisenden verleitet haben, Würde und architektonischen Erfolg zu sehen, wo sie<lb/> in Wahrheit ein recht mittelmäßiges Landstädtchen vor sich hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1372" next="#ID_1373"> Der Flächenraum, den die Stadt bedeckt, beträgt genau vier Quadrat¬<lb/> meilen, englisches Maß, und die Zahl der Einwohner wird 18000 nicht über¬<lb/> steigen. Dieses Mißverhältniß zwischen Ausdehnung und Seelenzahl der<lb/> Stadt erklärt sich daraus, daß jedem Bürger bei der Anlage eine sehr große<lb/> Baustelle zugetheilt wurde, daß in Folge dessen die einzelnen Häuser durch<lb/> weite Zwischenräume getrennt sind, und daß die schnurgrader, sich in rechten<lb/> Winkeln schneidenden und 130 Fuß breiten Straßen sich in kurzen Entfer¬<lb/> nungen folgen. Die Häuser sind meist aus Luftziegeln von bläulichem Thon<lb/> gebaut, einstöckig und mit Schindeln gedeckt. Fast alle stehen in Gärten mit<lb/> Dbstbäumen, Weinstöcken, Rosen und Sonnenblumen, 13 bis 20 Schritt von<lb/> der Straßenfront des betreffenden Grundstücks entfernt. Am dichtesten stehen<lb/> sie in der östlich von dem Quadrat, wo der Tempel hinkommen soll, sich hin¬<lb/> ziehenden Hauptstraße, auf der sich die Wohnungen von Uoung, Klubalk und<lb/> Wells, den obersten Häuptern der Mormonen, das Rathhaus, der „Speicher<lb/> des Herrn," das Tabernakel und einige Kaufläden, Banken und Hotels be¬<lb/> finden. Das Haus, in welchem Uoung wohnt, ist zweistöckig und von rothem</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0373]
Die Mormonen am groszen Salzsee.
3, Zustände und Sitten in Neujerusalem.
Das neue Jerusalem der Mormonen, von den Profanen Saltlake-City
oder die Salzsee-Stadt genannt, liegt nicht, wie man glauben könnte, unmit¬
telbar an dem großen Salzsee von Utah, sondern etwa 16 englische Meilen
von demselben entfernt, am westlichen Abhang des Wahsatch-Gebirgs und über
einem schönen klaren Strom, welcher der Abfluß des Utahsee's in den großen
Salzsee ist und von den Mormonen den Namen des westlichen Jordan er¬
halten hat.
Wer die Schilderungen gewisser englischer Touristen liest, muß glauben,
das Zion der Mormonen sei eine Prachtstadt, ein Weltwunder. In der
Wirklichkeit ist es ein ziemlich elender Ort, der an Schönheit, Wohlstand und
Gewerbfleiß von sehr vielen jüngeren Städten des fernen Westens übertroffen
Wird, und der, um nur einige Beispiele für seine geringe Entwicklung zu dem
anzuführen, was wir heutzutage unter einer Stadt verstehen, weder nächtliche
Beleuchtung, noch ein einigermaßen genügendes System von Abflüssen und
nur auf einer einzigen Straße Pflaster besitzt. Die prachtvolle Landschaft, in
welcher der Ort liegt, die herrlichen, zum Theil mit ewigem Schnee gekrönten
Berggipfel, welche in seiner Umgebung sich erheben, mögen die überdies aus
der Wüste kommenden und durch den Contrast in ihrem Urtheil gestörten
Reisenden verleitet haben, Würde und architektonischen Erfolg zu sehen, wo sie
in Wahrheit ein recht mittelmäßiges Landstädtchen vor sich hatten.
Der Flächenraum, den die Stadt bedeckt, beträgt genau vier Quadrat¬
meilen, englisches Maß, und die Zahl der Einwohner wird 18000 nicht über¬
steigen. Dieses Mißverhältniß zwischen Ausdehnung und Seelenzahl der
Stadt erklärt sich daraus, daß jedem Bürger bei der Anlage eine sehr große
Baustelle zugetheilt wurde, daß in Folge dessen die einzelnen Häuser durch
weite Zwischenräume getrennt sind, und daß die schnurgrader, sich in rechten
Winkeln schneidenden und 130 Fuß breiten Straßen sich in kurzen Entfer¬
nungen folgen. Die Häuser sind meist aus Luftziegeln von bläulichem Thon
gebaut, einstöckig und mit Schindeln gedeckt. Fast alle stehen in Gärten mit
Dbstbäumen, Weinstöcken, Rosen und Sonnenblumen, 13 bis 20 Schritt von
der Straßenfront des betreffenden Grundstücks entfernt. Am dichtesten stehen
sie in der östlich von dem Quadrat, wo der Tempel hinkommen soll, sich hin¬
ziehenden Hauptstraße, auf der sich die Wohnungen von Uoung, Klubalk und
Wells, den obersten Häuptern der Mormonen, das Rathhaus, der „Speicher
des Herrn," das Tabernakel und einige Kaufläden, Banken und Hotels be¬
finden. Das Haus, in welchem Uoung wohnt, ist zweistöckig und von rothem
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