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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Verfasser des "Neuen Leviathan," der sich hier zu einer Lästerschrift der nie¬
drigsten Gattung hergegeben hat. Cölln bezeichnet ihn an mehreren Stellen
als den Verfasser-Decorateur oder Verfasser schlechthin. Damit stimmt über¬
ein die Andeutung von Gubitz in den "Fackeln" (Heft 1, Leipzig 1811, in
der Rede Buchs) und das ausdrückliche Zeugniß in seinen "Erlebnissen" (Bd. 1,
S. 133). Eine Erklärung des Obersten von Massenbach vom 13. Febr. 1808
(Minerva, 1808, Bd. 1, S. 430 ff.) sagt, daß in dem Buche Anekdoten zu
allgemeiner Kenntniß gebracht seien, die er in dem Kreise vertrauter Freunde
erzählt haben könne, mit Unrecht werde ihm aber die Autorschaft zugeschrie¬
ben und alles, was darin auf seinen Namen erzählt werde, sei die Folge
mißbrauchten Vertrauens. Daß auch er die "Gallerie" mit Buchholz in Ver¬
bindung brachte, scheinen die Worte zu beweisen: "Erkannte ich in dem Ver¬
fasser der Biographie (Massenbachs in den Europäischen Annalen) einen theil¬
nehmenden edlen Freund, so muß ich in dem Verfasser der "Gallerie" noth¬
wendig einen Mann finden, der mir einen unendlichen Schaden zugefügthat."
In einem Briefe an Böttiger vom 3. Jul. 1808 schreibt Massenbach: "Die
Gallerie preußischer Charaktere hat mir viele Feinde gemacht; ich habe keinen
andern Antheil als den, welchen ich öffentlich eingestanden habe. Man hat
mein Vertrauen mißbraucht; ich habe dem Mißbraucher verziehen." In dem
"Kabinet Berlinischer Charaktere", welches eine Art von Fortsetzung der
"Gallerie", und an die öffentlichen Charaktere in dieser eine Anzahl Privat¬
charaktere anzureihen bestimmt ist, machen Johann Daniel Sander und Frie¬
drich Buchholz den Anfang.

"Cölln. Vertraute Briefe und Neue Feuerbrände. 1807--1808."

Ein Schriftsteller von sehr bekanntem Namen war der preußische Kriegs¬
und Domänenrath Friedrich von Cölln, geboren 1766 zu Oeslinghausen
im Fürstenthum Lippe-Detmold. Diejenigen Schriften, nach denen er hier
vorzugsweise zu beurtheilen ist, waren seine kurz nach der Schlacht bei Jena
begonnenen "Vertrauten Briefe über die inneren Verhältnisse am Preußischen
Hofe seit dem Tode Friedrichs II." und die "Neuen Feuerbrände." Beide
Schriften fanden in Tausenden von Exemplaren Verbreitung. Sie erschienen
ohne des Herausgebers Namen und enthielten Aufsätze von verschiedenen Ver¬
fassern, doch blieb Cülln's Anonymität nicht lange gewahrt, und er allein
wurde für den ganzen Inhalt der beiden Schriften im Publicum verantwort¬
lich gemacht. Dem Umstände, daß er (s. Aktenmäßige Rechtfertigung des
Kriegsraths von Cölln, Leipzig 1811, S. 96) die Feuerbrände vom neunten
Heft an nicht mehr redigirte, scheint keine große Bedeutung beigelegt werden
zu dürfen (vergl. ebendas. S. 108 ff.). In den "Vertrauten Briefen" sind


Verfasser des »Neuen Leviathan," der sich hier zu einer Lästerschrift der nie¬
drigsten Gattung hergegeben hat. Cölln bezeichnet ihn an mehreren Stellen
als den Verfasser-Decorateur oder Verfasser schlechthin. Damit stimmt über¬
ein die Andeutung von Gubitz in den „Fackeln" (Heft 1, Leipzig 1811, in
der Rede Buchs) und das ausdrückliche Zeugniß in seinen „Erlebnissen" (Bd. 1,
S. 133). Eine Erklärung des Obersten von Massenbach vom 13. Febr. 1808
(Minerva, 1808, Bd. 1, S. 430 ff.) sagt, daß in dem Buche Anekdoten zu
allgemeiner Kenntniß gebracht seien, die er in dem Kreise vertrauter Freunde
erzählt haben könne, mit Unrecht werde ihm aber die Autorschaft zugeschrie¬
ben und alles, was darin auf seinen Namen erzählt werde, sei die Folge
mißbrauchten Vertrauens. Daß auch er die „Gallerie" mit Buchholz in Ver¬
bindung brachte, scheinen die Worte zu beweisen: „Erkannte ich in dem Ver¬
fasser der Biographie (Massenbachs in den Europäischen Annalen) einen theil¬
nehmenden edlen Freund, so muß ich in dem Verfasser der „Gallerie" noth¬
wendig einen Mann finden, der mir einen unendlichen Schaden zugefügthat."
In einem Briefe an Böttiger vom 3. Jul. 1808 schreibt Massenbach: „Die
Gallerie preußischer Charaktere hat mir viele Feinde gemacht; ich habe keinen
andern Antheil als den, welchen ich öffentlich eingestanden habe. Man hat
mein Vertrauen mißbraucht; ich habe dem Mißbraucher verziehen." In dem
„Kabinet Berlinischer Charaktere", welches eine Art von Fortsetzung der
„Gallerie", und an die öffentlichen Charaktere in dieser eine Anzahl Privat¬
charaktere anzureihen bestimmt ist, machen Johann Daniel Sander und Frie¬
drich Buchholz den Anfang.

„Cölln. Vertraute Briefe und Neue Feuerbrände. 1807—1808."

Ein Schriftsteller von sehr bekanntem Namen war der preußische Kriegs¬
und Domänenrath Friedrich von Cölln, geboren 1766 zu Oeslinghausen
im Fürstenthum Lippe-Detmold. Diejenigen Schriften, nach denen er hier
vorzugsweise zu beurtheilen ist, waren seine kurz nach der Schlacht bei Jena
begonnenen „Vertrauten Briefe über die inneren Verhältnisse am Preußischen
Hofe seit dem Tode Friedrichs II." und die „Neuen Feuerbrände." Beide
Schriften fanden in Tausenden von Exemplaren Verbreitung. Sie erschienen
ohne des Herausgebers Namen und enthielten Aufsätze von verschiedenen Ver¬
fassern, doch blieb Cülln's Anonymität nicht lange gewahrt, und er allein
wurde für den ganzen Inhalt der beiden Schriften im Publicum verantwort¬
lich gemacht. Dem Umstände, daß er (s. Aktenmäßige Rechtfertigung des
Kriegsraths von Cölln, Leipzig 1811, S. 96) die Feuerbrände vom neunten
Heft an nicht mehr redigirte, scheint keine große Bedeutung beigelegt werden
zu dürfen (vergl. ebendas. S. 108 ff.). In den „Vertrauten Briefen" sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/428>, abgerufen am 24.07.2024.