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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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derselbe das Nationalitätsprincip zur Geltung gebracht. Als ob dieses Prin¬
cip, welches nun einmal, als Gegenströmung gegen die nivellirende Wirkung
der modernen Cultur, sich mit der" Kraft eines Elementes geltend macht, nicht
zehn andere Napoleons gefunden hätte, wenn dieser eine nicht so klug ge¬
wesen wäre, es zu benutzen. Die Zeit der Herrschaft dieses Princips ist noch
lange nicht abgelaufen. Es wirkt an der Neugestaltung Europa's mit, wie
die gewaltige Gährung des vierten Standes. Kein Lebender kann sagen,
wohin das Eine und das Andere führt, aber so viel ist sicher, daß wir einer
trägen Ruhe nicht entgegen gehen.

Wenn die Phantasien etwas düster scheinen, so können sie glücklicher¬
weise nicht die gute Laune der Gäste verderben, welche schon heute bei uns
vorzusprechen anfangen und fast die ganze nächste Woche hier in Arbeit und
Vergnügen zusammen bleiben werden -- die Delegirten der Eisenbahndirectio-
nen für den Generalcongreß und das 25jährige Gründungsfest des Vereins
der deutschen Eisenbahnverwoltungen. Diese glücklichen Sterblichen, die alle
ein gutes Auskommen und auf ihren Eisenbahnen auch ein billiges Fortkom¬
men haben, werden sich hoffentlich auch dankbar für die Gastfreundschaft er¬
weisen , die ihnen das Haus Leipziger Straße 75 gewährt (welches im Allge¬
meinen bekannter unter dem Namen des Abgeordnetenhauses und indem"
mistischen Reichsragsgebäudes ist) und beschließen, wenigstens von keinem
Reichstagsabgeordneten künftig bei seinen Parlamentsfahrten eine Zahlung
anzunehmen. Die Eisenbahnen prosperiren ja so, daß es auf ein paar Tha¬
-- o. W- -- ler nicht ankommt.




Besprechung.
Der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich 1870 bis 1871 von
Max v. Eelking, Oberstlieutenant a. D. u. s. w. Erster Band. Leipzig, F. W.
Grunow 1871.
Der französische Feldzug 1870 -- 1871. Militärische Beschreibung von A.
Niemann. Erste Abtheilung, bis zur Capitulation von Sedan. Hildburghausen,
Verlag des Bibliogr. Instituts, 1871.

In diesen Tagen, wo wir die Jahrestage der großen Waffen- und
Heldenthaten des Vorjahres in stolzer und wehmüthiger Rückerinnerung feiern,
greifen wir mit besonderer Vorliebe nach Werken, welche uns außer der poli¬
tischen Bedeutung jener unerhört ruhmvollen Leistungen der deutschen Heere
auch deren unerreichten strategischen und taktischen Werth schildern.
Werke der ersteren Art hat der deutsche Büchermarkt eine Legion aufzuweisen,
die immer noch anschwillt. Militärische Arbeiten über den großen Krieg
dagegen wagen sich erst langsam hervor, namentlich in Deutschland, wo man
an' derartige Werke die ganze Strenge des Maßstabes legt, welche die Höhe
der deutschen Militärwissenschaft erfordert, und wo andrerseits gerade die
Berufskreise und Fachmänner sich gegen jede literarische Erscheinung vornehm


derselbe das Nationalitätsprincip zur Geltung gebracht. Als ob dieses Prin¬
cip, welches nun einmal, als Gegenströmung gegen die nivellirende Wirkung
der modernen Cultur, sich mit der" Kraft eines Elementes geltend macht, nicht
zehn andere Napoleons gefunden hätte, wenn dieser eine nicht so klug ge¬
wesen wäre, es zu benutzen. Die Zeit der Herrschaft dieses Princips ist noch
lange nicht abgelaufen. Es wirkt an der Neugestaltung Europa's mit, wie
die gewaltige Gährung des vierten Standes. Kein Lebender kann sagen,
wohin das Eine und das Andere führt, aber so viel ist sicher, daß wir einer
trägen Ruhe nicht entgegen gehen.

Wenn die Phantasien etwas düster scheinen, so können sie glücklicher¬
weise nicht die gute Laune der Gäste verderben, welche schon heute bei uns
vorzusprechen anfangen und fast die ganze nächste Woche hier in Arbeit und
Vergnügen zusammen bleiben werden — die Delegirten der Eisenbahndirectio-
nen für den Generalcongreß und das 25jährige Gründungsfest des Vereins
der deutschen Eisenbahnverwoltungen. Diese glücklichen Sterblichen, die alle
ein gutes Auskommen und auf ihren Eisenbahnen auch ein billiges Fortkom¬
men haben, werden sich hoffentlich auch dankbar für die Gastfreundschaft er¬
weisen , die ihnen das Haus Leipziger Straße 75 gewährt (welches im Allge¬
meinen bekannter unter dem Namen des Abgeordnetenhauses und indem»
mistischen Reichsragsgebäudes ist) und beschließen, wenigstens von keinem
Reichstagsabgeordneten künftig bei seinen Parlamentsfahrten eine Zahlung
anzunehmen. Die Eisenbahnen prosperiren ja so, daß es auf ein paar Tha¬
— o. W- — ler nicht ankommt.




Besprechung.
Der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich 1870 bis 1871 von
Max v. Eelking, Oberstlieutenant a. D. u. s. w. Erster Band. Leipzig, F. W.
Grunow 1871.
Der französische Feldzug 1870 — 1871. Militärische Beschreibung von A.
Niemann. Erste Abtheilung, bis zur Capitulation von Sedan. Hildburghausen,
Verlag des Bibliogr. Instituts, 1871.

In diesen Tagen, wo wir die Jahrestage der großen Waffen- und
Heldenthaten des Vorjahres in stolzer und wehmüthiger Rückerinnerung feiern,
greifen wir mit besonderer Vorliebe nach Werken, welche uns außer der poli¬
tischen Bedeutung jener unerhört ruhmvollen Leistungen der deutschen Heere
auch deren unerreichten strategischen und taktischen Werth schildern.
Werke der ersteren Art hat der deutsche Büchermarkt eine Legion aufzuweisen,
die immer noch anschwillt. Militärische Arbeiten über den großen Krieg
dagegen wagen sich erst langsam hervor, namentlich in Deutschland, wo man
an' derartige Werke die ganze Strenge des Maßstabes legt, welche die Höhe
der deutschen Militärwissenschaft erfordert, und wo andrerseits gerade die
Berufskreise und Fachmänner sich gegen jede literarische Erscheinung vornehm


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[0326] derselbe das Nationalitätsprincip zur Geltung gebracht. Als ob dieses Prin¬ cip, welches nun einmal, als Gegenströmung gegen die nivellirende Wirkung der modernen Cultur, sich mit der" Kraft eines Elementes geltend macht, nicht zehn andere Napoleons gefunden hätte, wenn dieser eine nicht so klug ge¬ wesen wäre, es zu benutzen. Die Zeit der Herrschaft dieses Princips ist noch lange nicht abgelaufen. Es wirkt an der Neugestaltung Europa's mit, wie die gewaltige Gährung des vierten Standes. Kein Lebender kann sagen, wohin das Eine und das Andere führt, aber so viel ist sicher, daß wir einer trägen Ruhe nicht entgegen gehen. Wenn die Phantasien etwas düster scheinen, so können sie glücklicher¬ weise nicht die gute Laune der Gäste verderben, welche schon heute bei uns vorzusprechen anfangen und fast die ganze nächste Woche hier in Arbeit und Vergnügen zusammen bleiben werden — die Delegirten der Eisenbahndirectio- nen für den Generalcongreß und das 25jährige Gründungsfest des Vereins der deutschen Eisenbahnverwoltungen. Diese glücklichen Sterblichen, die alle ein gutes Auskommen und auf ihren Eisenbahnen auch ein billiges Fortkom¬ men haben, werden sich hoffentlich auch dankbar für die Gastfreundschaft er¬ weisen , die ihnen das Haus Leipziger Straße 75 gewährt (welches im Allge¬ meinen bekannter unter dem Namen des Abgeordnetenhauses und indem» mistischen Reichsragsgebäudes ist) und beschließen, wenigstens von keinem Reichstagsabgeordneten künftig bei seinen Parlamentsfahrten eine Zahlung anzunehmen. Die Eisenbahnen prosperiren ja so, daß es auf ein paar Tha¬ — o. W- — ler nicht ankommt. Besprechung. Der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich 1870 bis 1871 von Max v. Eelking, Oberstlieutenant a. D. u. s. w. Erster Band. Leipzig, F. W. Grunow 1871. Der französische Feldzug 1870 — 1871. Militärische Beschreibung von A. Niemann. Erste Abtheilung, bis zur Capitulation von Sedan. Hildburghausen, Verlag des Bibliogr. Instituts, 1871. In diesen Tagen, wo wir die Jahrestage der großen Waffen- und Heldenthaten des Vorjahres in stolzer und wehmüthiger Rückerinnerung feiern, greifen wir mit besonderer Vorliebe nach Werken, welche uns außer der poli¬ tischen Bedeutung jener unerhört ruhmvollen Leistungen der deutschen Heere auch deren unerreichten strategischen und taktischen Werth schildern. Werke der ersteren Art hat der deutsche Büchermarkt eine Legion aufzuweisen, die immer noch anschwillt. Militärische Arbeiten über den großen Krieg dagegen wagen sich erst langsam hervor, namentlich in Deutschland, wo man an' derartige Werke die ganze Strenge des Maßstabes legt, welche die Höhe der deutschen Militärwissenschaft erfordert, und wo andrerseits gerade die Berufskreise und Fachmänner sich gegen jede literarische Erscheinung vornehm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/326>, abgerufen am 24.07.2024.